Interview mit Rainer Stoll über seine inspirierende Reisen und seine Visionen für die Zukunft des nachhaltigen Tourismus und Naturschutzes

Zur Reise:
Große Naturerlebnisse in Costa Rica

Naturschutz ist kein Business-Case, es ist meine persönliche Leidenschaft. Schon immer! 

Rainer Stoll
Gründer der travel-to-nature GmbH

Lieber Rainer, travel-to-nature blickt auf eine 20-jährige Erfolgsgeschichte zurück. Aber schon in den 90er-Jahren bist Du auf Thema Naturreisen gestoßen. Wie hat da damals angefangen und warum hast Du dich von Beginn an auf Naturreisen spezialisiert?

Ich war von Kindesbeinen an in der Natur. Natur ist in meinen Genen verankert. Ich war als Kind eigentlich immer draußen, oft auch im Wald, Pilze sammeln, Fische fangen u.s.w. Seit 25 Jahren bin ich auch schon im Vorstand des regionalen NABU engagiert. Naturschutz ist kein Business-Case es ist meine persönliche Leidenschaft. Schon immer.

Was sind nach Costa Rica eure wichtigsten Reiseziele und wie wählt ihr diese aus?

Naturreisen haben meistens sehr viel mit Tierbeobachtungen zu tun. Und deshalb suchen wir die Reiseziele danach aus, wo man die interessantesten, schönsten, buntesten oder verrücktesten Tiere beobachten kann. Dann kommt man schnell auf unsere weiteren Reiseziele: Namibia, Botswana, Tansania, Uganda, Indien, Sri Lanka, Peru, Ecuador mit Galapagosinseln, Antarktis und Spitzbergen. 

Was sind die Grundsätze, die euer Angebot bestimmen?

Wir arbeiten nach den Grundsätzen des nachhaltigen Tourismus, die wir vor fast schon 30 Jahren von Dr. Kirstges übernommen haben:

  • Intakte Natur
  • Intakte Kultur
  • Subjektives Wohlbefinden der Einheimischen
  • Erhöhung des Wohlstands der Besuchten
  • Optimale Befriedigung der Gästewünsche

Ihr engagiert euch sehr stark im Natur- und Artenschutz und seid dafür auch schon mehrfach ausgezeichnet worden. Tourismus und Naturschutz, wie passt das zusammen? Und was kann der Reisende selbst für den Artenschutz tun?

Auf unseren Reisen lernen wir immer ein Artenschutzprojekt kennen. In Costa Rica kann man sogar seinen eigenen Tropenbaum anpflanzen (vom Aussterben bedrohte Baumarten). Unsere Gäste können viel zum Thema Artenschutz auf den Reisen lernen und – hoffentlich – zuhause umsetzen. Im eigenen Garten zum Beispiel kann man sehr viel für den Artenschutz leisten. Der Tourismus aber könnte und müsste VIEL mehr für den Artenschutz tun, den wir Touristen leben von der Vielfalt der Arten und von den atemberaubenden Landschaften, die wegen der Tiere geschützt sind. Es wird Zeit, dass der Tourismus aufwacht und sich wesentlich mehr im Artenschutz engagiert. Im Moment ist das ja alles sehr auf Klimaschutz fokussiert. 

Du bist nicht nur aktiv im NABU und dort auch im Vorstand tätig, mit travel-to-nature und birdingtours seid ihr auch weltweit in verschiedenen Projekten tätig. Stell uns doch euer Herzensprojekt La Tigra in Costa Rica noch etwas genauer vor.

Das würde den Rahmen garantiert sprengen. Es ist ziemlich komplex. Ganz vereinfacht gesagt: Wir möchten beweisen, dass es möglich ist, Tourismus und Artenschutz zu verbinden. Dazu haben wir die La Tigra Rainforestlodge gebaut und betreiben direkt daneben ein großes Wildtierschutz-Reservat, das wir selbst mit Hilfe unserer Gäste und durch Einnahmen aus dem Tourismus aus einer ehemaligen Maracuja-Plantage und Kuhweide aufgebaut haben. Die Arten werden von Beginn an katalogisiert und gezählt und innerhalb weniger Jahre hat sich die Anzahl der Tierarten verdreifacht. 

Obwohl ihr vor allem Fernflugreisen anbietet, steht im Gegensatz zu anderen Veranstaltern wie auch ZEIT REISEN für euch nicht der Klimaschutz und die CO2-Kompensation im Vordergrund sondern der Artenschutz, warum?

Der Tourismus ist per se kein Klimaschutz-Modell, Kompensationen sind nicht der richtige Weg, der richtige Weg wären Eco-Fuels und nachhaltiger Tourismus. Der Tourismus hängt aber wesentlich mehr von einem funktionierenden Ökosystem ab und da können wir Touristiker viel mehr Einfluss nehmen, dass die Artenvielfalt erhalten bleibt. 

Ihr engagiert euch aber auch in Europa. 2023 habt ihr eine NGO zur Rettung des Lebensraumes “Moor“ gegründet. In Litauen ist das Projekt dazu. Was genau macht ihr vor Ort?

Wir kümmern uns darum, dass das Moor nicht zuwächst, dass es offengehalten wird. Wir kaufen Moor, damit es nicht entwässert wird, und wir kaufen umliegende Wälder zum Erhalt der Arten. Wir kümmern uns besonders um sogenannte Schirmarten. Wenn es der anspruchsvollen Doppelschnepfe gut geht, geht es den Elchen, Bären und Wölfen erst recht gut in unserem Moor in Litauen. 

Die erste Tochtergesellschaft von travel-to-nature ist birdingtours. Birdingtours ist spezialisiert auf Vogelbeobachtungsreisen und den absoluten Naturgenuss. Wie kann sich der Gast einen Tag auf einer Reise mit euch vorstellen?

Vor dem Frühstück machen wir eine Frühexkursion und lauschen den ersten Vögeln. Nach dem Frühstück gehen wir Vögel beobachten. Mittags machen die Vögel Rast und wir auch. Aber abends geht es wieder raus und wir beobachten Vögel. Nach dem Abendessen gibt es für die Hartgesottenen Birder ein Nachtexkursion zu den Eulen und den anderen Tieren des Waldes. 

Wenn du in die Zukunft schaust, wie muss ein zukunftsfähiger Tourismus aussehen?

Der zukunftsfähige Tourismus verbraucht möglichst wenig Ressourcen. Er nimmt Rücksicht auf die Natur und legt besonders viel Wert auf die Wertschöpfung im Reiseland und darauf, dass sich die Einheimischen mit den Besuchern wohl fühlen und dass die Gästewünsche so gut wie möglich erfüllt werden. Die Pyramide des nachhaltigen Tourismus hat sich seit 30 Jahren eigentlich kaum geändert.

Was ist 2024 deine besondere Reiseempfehlung für die Kunden von ZEIT REISEN?

Unsere Costa-Rica-Reise führt die ZEIT-Reisegäste direkt in unser La Tigra Projekt, ich denke, das ist sehr interessant für sie. 

Und was ist dein unerfüllter Reisetraum?

Einen Jaguar, ein Okapi oder einen Schneeleoparden in freier Wildbahn zu beobachten.

Rainer Stoll

Rainer Stoll, geboren 1963 und aufgewachsen in der idyllischen Landschaft Mittelfrankens, ist seit 1994 in Südbaden bei Freiburg ansässig. Als selbstständiger Reiseveranstalter und Gründer der travel-to-nature GmbH, hat er sich einen Namen gemacht. Seit 2000 engagiert er sich als Mitglied im Vorstand des NABU Nördliches Markgräflerland und ist ein leidenschaftlicher Naturschützer. Seine Vision, Naturschutz mit Artenschutz zu verbinden, manifestierte sich in der Gründung des Reserva Bosque La Tigra und der Errichtung der “nachhaltigsten Lodge der Welt”. Seit dem Jahr 2000 ist er außerdem begeisterter Vogelbeobachter.