ZwischenZEIT 09. September 2020

Es war das große Finale einer famosen Reise: Am Montagnachmittag hatten sich Teilnehmer und Gäste unserer ZEIT-Jubiläumsreise auf Schloss Juval, hoch über dem Eingang des Schnalstales gelegen, zum abschließenden Alpinsymposium versammelt. Das erste Wort hatte Schlossherr Reinhold Messner, an gleicher Stelle wie schon zum Ende der ersten ZEIT-Reise vor 20 Jahren. Von Vent am hinteren Ende des Tiroler Ötztals waren wir in einer Woche herübergewandert über den Alpenhauptkamm, inklusive Über-nachtung in der Schöne-Aussicht-Hütte, wo uns Hüttenwirt Paul Grüner mit Prosecco, Speck und Käse empfing. Und wie vor 20 Jahren führte uns Gianni Bodini, der Südtiroler Kultur- und Frühzeitforscher, über Pfade ins Schnalstal hinab, die bereits Ötzi und seine Zeitgenossen vor Tausenden von Jahren nahmen. Mit dem Ethnologen und Schriftsteller Siegfried de Rachewiltz erkundeten wir jahrhundertealte Bergbauern-höfe, und wir labten uns in der alten Stube des Finailhofs an Schafbratl und Schneemilch. Ausgangspunkt unserer täglichen Exkursionen war das wundervolle Hotel Goldene Rose in Karthaus, wo uns unsere Gastgeber Steffi und Paul fürstlich bewirteten und umsorgten.

Nun saßen wir also unterm Glasdach im Bergfried von Schloss Juval, dem ersten der sechs Messner Mountain Museen, in dem unser Gastgeber selbst wohnt, und ließen den Blick zurück und in die Zukunft schweifen: Wie muss ein zukunftsfähiger Tourismus in Südtirol und im Alpenraum in Zeiten von Corona aussehen? Und was soll das Land bis 2025 erreicht haben? Diese Fragen diskutierten drei hochkarätige Experten: Hausherr Reinhold Messner, Erwin Hinteregger, Generaldirektor der Landesvermarktungs-gesellschaft IDM, und Dr. Christoph Engl, Chef der Unternehmensgruppe Oberalp mit Unternehmen für Berg- und Sportbekleidung wie Salewa oder Dynafit. Einig war man sich darüber, dass es künftig noch mehr das Einzigartige, das Echte, das Unverwechselbare einer Region sein wird, das die Entscheidung für den Urlaubsort auslöst.

»Das Wichtigste ist das Narrativ, die Geschichte, die das Land erzählen kann«, sagt Reinhold Messner. »Ein Narrativ, das die Sehnsucht der Menschen nach Entschleunigung, Stille und Ruhe in den Bergen stillt, das eine gelebte Kultur und exzellente regionale Produkte beinhaltet.« Für Erwin Hinteregger, der seit einem Jahr die Tourismusentwicklung Südtirols verantwortet, gibt es »in den kommenden Jahren vor allem eine große Ambition: Nachhaltigkeit in allen Bereichen, sozial, ökologisch und ökonomisch«. Dazu, so Hinter-egger, gehörten mehr Regionalität und lokale Kreisläufe, insbesondere in bisher weniger beachteten Seitentälern: »Wir müssen dazu gar nichts neu erfinden, nur das bereits Vorhandene besser pflegen!« Und Christoph Engl, der als Südtiroler Tourismusdirektor mehr als zehn Jahre selbst das Qualitätsimage des Landes maßgeblich mitgeprägt hat, wünscht seinen Landsleuten »ein Selbstbewusstsein und ein Selbst-vertrauen, das Eigene und das Authentische noch stärker zu leben«. In einem Land«, so Engl, »in dem die Bewohner selbst gern leben, fühlen sich auch die Besucher wohl«. Die ZEIT-Reisenden jedenfalls haben sich in dieser Woche mehr als wohlgefühlt, einige sind noch immer in der Gegend unterwegs. Wir haben beschlossen, das Reiseprogramm fortan nicht nur an Jubiläen durchzuführen. Auch im Spätsommer 2021 soll die Tour wieder stattfinden. Der genaue Termin wird mit der Vorstellung des neuen Programms Anfang November bekanntgegeben.

LiteraTouren
Am zweiten Abend unserer Jubiläumsreise beeindruckte uns Wolfgang Nairz, der neben Peter Habeler und Robert Schauer wohl bekannteste noch lebende Bergsteiger Österreichs, mit seinem Vortrag über »Die wilden Siebziger« im Himalaya. Grenzenloser Optimismus steht am Anfang jener Abenteuer, deren Gelingen einer Mischung aus Mut, Erfahrung, Improvisationsgeschick und Glück zu verdanken ist. Nairz war 1978 Leiter einer der erfolgreichsten Mount-Everest-Expeditionen aller Zeiten, als Reinhold Messner und Peter Habeler erstmals den höchsten Berg der Welt ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Robert Schauer, Horst Bergmann und Nairz selbst standen damals als erste Österreicher auf dem Gipfel. Dem Kulturjournalisten Horst Christoph hat Wolfgang Nairz von den Abenteuern seines Lebens als Bergsteiger, Expeditionsleiter, Drachenflieger und Ballonfahrer erzählt. »Es wird schon gut gehen« ist der Titel seiner spannenden Biografie, die im Tyrolia Verlag erschienen ist.

ZEIT für Musik
Seit gut zehn Jahren sorgen drei junge Musikerinnen aus einem Dorf im Südtiroler Gadertal auf ihren Konzerten und ihren neuen Alben immer wieder für Gänsehautgefühle. Als Band Ganes singen sie auf Ladinisch, einem Dialekt der romanischen Sprache, der in drei Tälern in den Dolomiten immer noch gesprochen wird. Die märchenhaften Lieder ihres Alpen-Pop, so rätselhaft sie auch klingen, berühren und wecken die Sehnsucht nach Natur, Stille, Ruhe und Erhabenheit in den Bergen. »Crëps slauris«, die bleichen Berge, eines ihrer schönsten Lieder, erzählt die Geschichte der Mondprinzessin, die bei ihrem Geliebten auf der Erde bleiben kann, nachdem die Zwerge das Mondlicht über die schroffen Felsen der Dolomiten spannten. Märchenhaft schön ist auch das Video von der Verwandlung der Gebirgswelt in den Dolomiten im Herbst, wenn der erste Schnee die Felsmassive erstmals weiß umhüllt. So wie wir es an einem Tag auf unserer Wanderung erlebten.

Welt-Anschauung
Eine Weltpremiere erleben Sie heute zum Abschluss der ZwischenZEIT: Günter Maislinger, unser Mann in New York, hat seinen ersten Videopodcast exklusiv für ZEIT REISEN produziert. Er nimmt Sie mit auf eine visuelle Reise durch New York City und schildert, wie sich die Stadt wegen der gesunkenen Einwohnerzahl und ohne Besucher aus aller Welt verändert hat und neu erfindet. Dabei besucht er einige von mehreren Hundert Bauprojekten, darunter mehr als ein Dutzend neuer Skyscraper. Ein Abstecher in die Hamptons, das Naherholungsgebiet betuchter New Yorker auf Long Island, und eine kleine Hochzeit im Central Park beschließen seine heutige Reise durch den Big Apple. Prädikat: Unbedingt sehenswert!

Auch heute freuen wir uns auf Ihre Resonanz und Ihre Anregungen unter der Mailadresse zwischenzeit@zeit.de. Und falls Sie die ZwischenZEIT weiterempfehlen möchten, hier der Link zur Anmeldung.

Herzliche Grüße,
Ihr
Bernd Loppow
Gründer und Programmleiter
ZEIT REISEN