Reisetagebuch: Im ZEIT-Bus rund um die Ostsee 2023

ZEIT Bus Marienburg 2 c Wiebke Steinkamp erweiterte Lizenz

38 Tage, neun Länder, ein großes Abenteuer

Seit Tausenden von Jahren ist die Ostsee das Herz Nordeuropas und Zentrum des Austauschs von Waren und Wissen, Ideen und Kulturen – aber auch Schauplatz von Kriegen des Ringens um die Vorherrschaft rund um das Mare Balticum. Der Wandel der Welt in dieser Region ist somit auch das perfekte Thema unserer Expedition mit dem ZEIT-Bus. In diesem virtuellen Reisetagebuch, das von den Gästen der Reise gemeinsam geschrieben wird, berichten sie in Wort und Bild von verschiedenen Reiseerlebnissen unterwegs. Gerne laden wir Sie ein, unsere Gäste aus der Ferne zu begleiten, wobei zu beachten ist, dass alle Blogeinträge individuelle Einschätzungen des jeweiligen Verfassers sind.

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~ Bernd Loppow, Gründer und Programmleiter von ZEIT REISEN
Inhalt

1. Tag | 02.06.2023 • Der Start der Reise in Hamburg

SESAME STREET wurde vor 50 Jahren in Hamburg zur SESAMSTRASSE. Ich war als junger WDR-Redakteur aus Köln als Co-Produzent nach Hamburg zum NDR gekommen. ZEIT REISEN startete seine Ostsee-Umrundung 2023 durch neun Länder in einem komfortablen Bus mit einer Stadtrundfahrt durch Hamburg. Die Stadt hat inzwischen ein komplett neues Gesicht. Aber immerhin gibt es die Segelschule KÄPT’N PRÜSSE noch. Dort habe ich damals den Segelschein gemacht – der Michel und der Bahnhof-Altona unverkennbar und unvergesslich! Nostalgisches Wiedersehen. Zur Elbphilharmonie pilgern inzwischen fast so viele Menschen wie zum Kölner Dom. Nicht nur kaufmännisch, sondern offensichtlich auch image-mäßig eine perfekte Investition. Ja, ich bin neidisch auf diese Weltstadt mit ihren gigantischen Entwicklungsprojekten nicht nur rund um den Hafen.
Danke, dass hier Samson, Ernie und Bert und alle anderen Figuren der Sesamstraße inzwischen so sehr zur Hansestadt gehören, dass man ihnen ein eigenes Museum eingerichtet hat.
Moin, Hamburg!

Enrico Platter – ZEIT Reisender
ZEIT Gebaude_Enrico Platter_Ostseetagebuch
ZEIT Gebäude © Enrico Platter
Enrico Platter vor der Elbphilharmonie_Ostseetagebuch2023
Enrico Platter vor der Elbphilharmonie

2. Tag | 03.06.2023 • Hamburg – Lübeck

Heute geht es endlich los! Ausgeschlafen und gut gestärkt von einem leckeren Frühstück verlassen wir die Hansestadt Hamburg. Unser Bus steht vor dem Hotel bereit unser Gepäck aufzunehmen. Gespannt wartet die Reisegruppe auf die Abfahrt und die Rundreise, die vor uns liegt. Wir fahren in nördlicher Richtung aus Hamburg heraus und kommen in das Bundesland Schleswig-Holstein. Über Landesstraßen geht es vorbei an Feldern und durch Dörfer bis zur Hansestadt Lübeck.

Wir haben Glück und können gleich unsere Zimmer im Hotel beziehen. Das Hotel liegt direkt an der Trave gegenüber der Altstadt. Bis zur gemeinsamen Stadtführung haben wir noch ein wenig Freizeit, die wir schon mal für Erkundungen nutzen können.

Unsere Führung startet direkt am Hotel und bringt uns über das Holstentor vorbei an den typischen Giebelhäusern direkt zum Marktplatz. Dort können wir das Rathaus mit der interessanten Fassade bewundern. Weiter geht es durch die Stadt bis zur St. Jakobi Kirche und dem Heiligen Geist Hospital. In der Nähe hat die Schiffergesellschaft ihren Sitz in einem imposanten Backsteinbau.
Auf dem Rückweg gehen wir bei Niederegger vorbei. Dort bekommen wir einen Einblick in die Geschichte des Marzipans. Nach einer Marzipan-Kostprobe laufen wir zurück zum Hotel.
Abends essen wir in einem netten Restaurant direkt am Traveufer. Der Tag geht mit einem Spaziergang zurück zum Hotel zuende. Dabei genießen wir die Abendstimmung an der Trave.

Sigrid Piletzky – ZEIT Reisende
ZEIT Bus vor dem Hotel in Hamburg_Ostseetagebuch2023_Sigrid Piletzky
Der ZEIT REISEN Bus © Sigrid Piletzky
Blick auf Lübeck_Ostseetagebuch2023_Sigrid Piletzky
Blick auf Lübeck © Sigrid Piletzky

3. Tag | 04.06.2023 • Lübeck – Wismar – Stralsund

Wenn Engel reisen … herrliches Licht, Sonne und blauer Himmel begrüßen uns am 3. Tag. Wir beginnen den Tag mit einem vielfältigen Frühstück im ‘Nautilus’ des Hotels und starten anschließend von Lübeck nach Wismar.

Stadtführung durch Wismar: Eine sehr nette und kompetente Stadtführerin (im Hauptberuf Bankerin) zeigt uns besondere Ecken dieser schönen Backsteinstadt und erklärt vielerlei. Dank des Audiosystems ist das für mich ein sehr entspanntes Laufen in der Gruppe.

Wunderschöne Fahrt über die Landstrasse an der Küste entlang nach Darß und Zingst, Mittagspause mit leckeren Fischbrötchen und Weiterfahrt nach Stralsund zu unserer Unterkunft im wunderschönen Hotel Scheelehof.

Nach einem netten Gespräch mit dem Concierge die Empfehlung, das Stralsunder Marzipan zu kosten. Eigentlich bin ich kein Liebhaber von Marzipan. Aber dieses Stralsunder Marzipan mit “nur” 30% Zucker (das Niederegger Marzipan in Lübeck hatte 35 %) hat mich überzeugt. Sehr empfehlenswert!
Abends dann gemeinsames Abendessen (ausserhalb des Hotels), das mich nicht besonders begeistert hat. Dafür freue ich mich umso mehr auf das Frühstück morgen im Hotel. Eine eigene Kaffeerösterei ist dem Hotel angeschlossen.

Gabi Brand – ZEIT Reisende

4. Tag | 05.06.2023 • Stralsund – Usedom – Kolberg

Heute verlassen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kulturexpedition Deutschland. Am Morgen brechen Sie zunächst zur Insel Usedom auf. In Heringsdorf erfolgt ein kurzer Bummel durch den Kurort. Über die deutsch-polnische Grenze geht es via Swinemünde entlang der polnischen Ostseeküste nach Kolberg.

Deutschland-Ostsee-Möwen-Philosophiereise

5. Tag | 06.06.2023 • Kolberg – Danzig

Nach einer erholsamen Nacht im schönen Radisson Blue Hotel starteten wir um 8h unsere lange Fahrt durch prachtvolle Alleen und kurz vor der Ernte stehende Felder Richtung Osten. Schon kurz nach Abfahrt wurden wir von der Polizei angehalten, da unser Bus – obwohl in gleicher Geschwindigkeit wie unser Vordermann – mit geringfügig überhöhter Geschwindigkeit fuhr. Nach Begleichung der Strafe ging es gleich weiter.
Kurz vor Köslin bogen wir an die Küste ab zum Kur- und Badeort Großmöllen (Mielno). In dieser Gegend war meine Familie seit 1283 ansässig und in der Landwirtschaft tätig. Wir fuhren vorbei an dem Gutshaus Großmöllen und hielten an der Gutskirche. Wir hatten großes Glück, da die Kirche für den 1o min später beginnenden Kindergottesdienst geöffnet war. Die Zeit reichte für die wichtigsten Fotos.
Nach dem Krieg war die Kirche katholisch geworden, sie ist sehr gut gepflegt, der Friedhof wieder in Benutzung und der Gedenkstein an einen im 1. Weltkrieg gefallenen Vetter, den ich bei einem Besuch vor ca. 30 Jahren kurz vor der Wende erstmalig im Gestrüpp gesehen hatte, ist jetzt ordentlich aufgestellt neben einem nach der Wende aufgestellten, an den letzten Eigentümer vor dem Krieg erinnernden Gedenkstein. Herzlichen Dank für diesen Zwischenstopp mit familiärem Erinnerungswert.

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Ostseetagebuch © Felix von Schmeling
Ostseetagebuch_c_Felix von Schmeling
Ostseetagebuch © Felix von Schmeling
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© Felix von Schmeling

Weiter ging die Fahrt über Köslin (Koszalin) – mit fundierten Erläuterungen über die Zeitachse der Weltgeschichte durch Wolfgang Pohl in Relation gesetzt zu 24 Std. am Beispiel der Entstehungszeit des Bernsteins Durch den Bus gereicht wurde ausführliches Anschauungsmaterial aus Bernstein. Auf der Nehrung Hel fuhren wir vorbei an vielen Campingplätzen und hielten auf der Seite des Haffs. Ein kurzer Fußweg führte uns in wenigen Minuten über Straße und Eisenbahnschienen durch die Düne. Am praktischen Beispiel konnten wir die vorher schon im Bus gelernten Unterschiede zwischen weißer, brauner und schwarze Düne erkennen. Durch den Bewuchs mit u.a. der Stileiche folgerten wir in diesem Fall auf den Übergang zur schwarzen Düne. Und dann blickten wir auf den breiten, fast menschenleeren Strand an der Ostsee. Mancher nahm ein erfrischendes, aber nicht zu kühles Fußbad in der Ostsee. Nach diesem Spaziergang reichte uns Jens zur Belegung der Geister einen Vodka.

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© Felix von Schmeling

Zurück auf der Nehrung Hel, an der Küste entlang Richtung Süden ging es durch die Dreistadt Danzig (Gdynia, Sopot, Danzig) zu unserem Hotel Mercure. Die freie Zeit vor dem Abendessen nutzten Wolfgang Pohl und ich zur erfolgreichen Suche einer Grabplatte von Carl von Schmeling aus dem Jahre 1764 in der Marienkirche.
Nach dem Abendessen hörten wir in einem separaten Raum einen sehr guten, spannenden Vortrag von Michael Thumann über Putin und Russland. In der anschließenden Diskussion wurde der Blickwinkel erweitert auf z.B. die orthodoxe Kirche. Fortsetzung folgt am kommenden Abend.

Felix von Schmeling – ZEIT Reisender

6. Tag | 07.06.2023 • Danzig/Schifffahrt Westerplatte

VON DER WESTERPLATTE ZU SOLIDANOSZ – VON KRIEG UND FREIHEIT
Das bestimmende Thema dieses Tages waren für mich nicht die prächtigen restaurierten Kaufmannshäuser dieser ehemaligen Hansestadt, sondern die persönliche Auseinandersetzung mit Aspekten von Krieg, Frieden und Freiheit, wie sie sich in Danzig widerspiegeln.

Eine Schifffahrt führte uns auf dem Hafenkanal bis zur Halbinsel Westerplatte, wo am 1.September 1939 das deutsche Kriegsschiff „Schleswig-Holstein“ die polnische Seite unter Beschuss nahm und somit den 2. Weltkrieg eröffnete.

Kirche im Stadtteil Neufahrwasser © Gudrun Dr. Sievers Flägel

Meine Mutter wurde 1930 in Danzig geboren, wohnte mit ihrer Familie im Stadtteil Neufahrwasser unmittelbar gegenüber der Westerplatte. Bereits Ende August 1939 wurden die Bewohner evakuiert, konnten aber nach kurzer Zeit nach Neufahrwasser zurückkehren und – im Falle meiner Mutter bis zur Flucht per Schiff nach Schleswig-Holstein im Januar 1945 – in gewohnter heimatlicher Umgebung die Kriegsjahre leben.

Westerplatte-Denkmal © Gudrun Dr. Sievers Flägel

Eine andere Facette des Tages lieferte der Besuch der Lenin Werft, wo Lech Walensa in den 1980er Jahren während eines Streikes als Anführer der Gewerkschaft Solidarnosc zuerst das polnische Regime und in der Folge das gewaltige sowjetische Imperium zum Einsturz brachte.

Dr. Gudrun Sievers-Flägel mit Lech Walensa

Unsere persönliche Begegnung mit der Person der Zeitgeschichte Lech Walensa beeindruckte mich sehr – schließlich war es der Anstoß durch seine Bewegung, die mich bis heute in einem freiheitlichen Europa leben lässt. Das baulich und konzeptionell beeindruckende Europäische Solidarnosc-Zentrum, einem Dokumentations-,Bildungs-und Forschungszentrum auf dem ehemaligen Werftgelände verkörpert für mich den Spirit von Widerstand und Solidarität.

Europäisches Solidarnosc-Zentrum © Gudrun Dr. Sievers Flägel

Der abendliche Vortragsteil von Michal Thumann zum Thema der aktuellen herrschenden Politiker des „neuen Nationalismus“ in Russland, Türkei und Ungarn rundete diesen thematischen Tag bestens ab.
Eine gute Ergänzung wäre noch ein Besuch des KZ Stutthof bei Danzig gewesen, einem frühen deutschen Konzentrationslager, das ab 1939 bis zum 9. Mai 1945 bestand und heute als Gedenkstätte dient.

Dr. Gudrun Sievers-Flägel – ZEIT Reisende

7. Tag | 08.06.2023 • Danzig – Marienburg – Nikolaiken (Mikołajki)

Nach gut 1½ erlebnisreichen Tagen hieß es heute Abschiednehmen von Danzig. In südöstlicher Richtung verließen wir die Hansestadt. Nur eine Stunde Fahrzeit trennten uns von dem nächsten Zwischenstopp: Marienburg, oder wie die Stadt heute heißt: Malbork. Es ist heute Fronleichnam, ein wichtiger Feiertag im katholisch geprägten Polen. Stadtauswärts kaum Verkehr; jedoch in umgekehrter Richtung hatte sich schon ein 2 km langer Stau gebildet. Zahlreiche polnische Bewohner aus dem Umland waren auf dem Wege zur Marienkirche, um dort an dem Gottesdienst oder an einer der Prozessionen teilzunehmen. Unsere „Prozession“ sollte uns mitten in die Masurische Seenplatte führen. Wir überquerten die Weichel und einige ihrer Nebenflüsse. Ein passender Moment einmal von kulturhistorischen und naturgeografischen Erklärungen Abstand zu nehmen und sich einmal einem kleinen Gedicht, eigentlich einem Rollenspiel, zuzuwenden. Ein Gedicht über die „Liebe“. Das Gedicht hatte mir bereits meine Mutter als Jugendlicher vorgetragen. Auswendig natürlich! Ich habe den Text hingegen brav Wort für Wort und Zeile für Zeile abgelesen und über das Busmikrophon unseren Reiseteilnehmern übermittelt. Anders als erwartet, ging es hier nicht um irgendwelche zwischenmenschlichen Beziehungen sondern doch um einen geografischen Begriff: die Liebe, ein Nebenfluss der Weichsel.

Ganz nebenbei hatten wir schon bald die Stadt Marienburg erreicht. Die mittelalterliche Ordensburg des Deutschen Ordens an der Nogat, ebenfalls einem Nebenfluss der Weichsel, gelegen, prägt die Silhouette der Stadt. Die mächtige Burg aus Backstein errichtet, war von 1309 bis 1454 Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens.

Marienburg Polen Ostseetagebuch 2023

Aufgrund des Feiertages war eine Innenbesichtigung der Säle, der Wirtschafts- und Wohnräume nicht möglich. Die gesamte Außenanlage und die diversen Innenhöfe des größten Backsteinbauwerks Europas wurden uns jedoch bei einer 2½-stündigen Führung durch den örtlichen Stadtführer Christoph nähergebracht. Mit viel Herzblut erzählte er uns von der Blütezeit des Deutschen Ritterordens und der Aufgabe dieser Burg durch politische Großereignisse. Die Vorburg, das Mittelschloss und das Hochschloss zogen uns in ihren Bann. Getoppt wurde dies durch einen unerwarteten, spontanen Beitrag einer unser Reiserteilnehmer. Sein Bruder war Hochmeister des Ordens. Diese ganz persönlichen Schilderungen erlaubten uns einen noch tieferen Einblick in das Leben und die Organisation der Ordensritter.

Wir hätten noch ohne Weiteres mehrere Stunden vor Ort bleiben können, doch die Zeit zwang uns unsere Reise fortzusetzen. Im ZEIT-Bus ging es durch die von der letzten Eiszeit geprägte Wald-Seen-Landschaft der Maurischen Seenplatte zur Ortschaft Johannisburg, dem heutigen Pisz.

Maurische Seenplatte Polen Ostseetagebuch 2023
Maurische Seenplatte © Wolfgang Pohl

Die an dem kanalisierten Fluss Pisa gelegene Kleinstadt inspirierte den einen oder anderen Reiseteilnehmer nach dem Abendessen im Hotel noch zu einem abendlichen Spaziergang. Zeit hatte man auch den Wandel der ehemals ostpreußischen Siedlungsgeschichte hin zu einem heutigen, lebhaften Freizeitort mental zu erfassen. Ortsnamen mit der ursprünglichen deutschen Bezeichnung und die jetzt gebräuchliche, polnische Namensgebung weckten hier und da Kindheitserinnerungen wach oder zeigten familiäre Beziehungen zu diesem Lebensraum auf.

Wolfgang Pohl – Reiseleiter ZEIT-Reisen “Rund um die Ostsee”

8. Tag | 09.06.2023 • Nikolaiken (Mikołajki) – Suwalken (Suwałki) – Kaunas

Der Morgen begrüßte uns wieder mit herrlichem Sonnenschein. Grund für einige unserer ZEIT-Reisenden das Frühstück auf der offenen Terrasse einzunehmen. Dann ging es in unserem ZEIT-Bus durch die Masurische Seenplatte via Ełk, Augustów und Marijampolė an die polnisch-litauische Grenze. Hier wurden zwei Erinnerungen wach an die ZEIT-Reise im letzten Jahr und eine Fahrt mit Geografen vor rund fünf Jahren. Im vergangenen Jahr mussten wir über abenteuerliche Straßen, Schotterwege und einen Waldweg eine Alternativstrecke durch die masurischen Wälder nehmen. Die Umleitung war durch eine überörtliche Rallye vorgegeben. Fahrerisches Können und Abenteuer pur. Bei der Fahrt in zwei Bussen mit Schulgeografen ins Baltikum, hier auf der Strecke von Polen nach Litauen, hat sich der Fahrer des zweiten Busses durch sein Navigationsgerät blind leiten lassen und stand dann ohne Umkehrmöglichkeit im Grenzgebiet von Weißrussland/Belarus. Keine Visa, keine speziellen Einreisepapiere und auch keine Zeit. Mit Engelszungen wurde auf die Grenzbeamten eingeredet, Geduld und Diplomatie waren gefragt und mit rund sechs Stunden Zeitverlust ging es dann weiter.
Von allem dies wurden wir verschont! Somit eine rundum entspannte Fahrt. Am frühen Nachmittag trafen wir in Kaunas, der europäischen Kulturhauptstadt 2022, ein. Noch vor dem Check-in im Hotel führte ich die Gruppe für zwei Stunden durch die historische Altstadt. Grobes Kopfsteinpflaster trübte unsere Laufstärke in keinster Weise. Vom Zusammenfluss der Neris in die Memel ging es zu den Resten der mittelalterlichen Burganlage.

Die nahebei liegende St. Georgskirche, die während der sowjetischen/russischen Zeit als Lager und Pferdestall missbraucht wurde nur noch eine Bauruine war, erstrahlte wieder im neuen Glanze. Großformatige Wandgemälde, skurrile Plastiken aus Bronze, der als „weißer Schwan“ bekannte Rathausturm, das von hanseatischen Kaufleuten erbaute Perkūnas-Haus – natürlich im Stil der Backsteingotik – mit seinem prachtvollen Ziergiebel, das Memelufer und die Kathedrale St. Peter und Paul erlaubten uns einen kleinen Einblick in die Kultur dieser 315.000 Einwohner großen Stadt, die sogar einmal für 20 Jahre die provisorische Hauptstadt Litauens war.

Bild3 c Wolfgang Pohl Ostseetagebuch 2023

Im Atrium ähnlichen Innenhof unseres Hotels Victoria, welches aus mehreren, historischen Speichergebäuden und einer alten Druckerei besteht, fand schließlich der Tag einen gemütlichen Ausklang.

Wolfgang Pohl – Reiseleiter ZEIT-Reisen “Rund um die Ostsee”

9. Tag | 10.06.2023 • Kaunas – Klaipeda – Kurische Nehrung/Nida

Weiterhin strahlend schönes Frühsommerwetter erleichtert auch notorischen Langschläfern wie mir das (sehr frühe) Aufstehen. Um 8 Uhr verlassen wir Kaunas und fahren am Ufer der Memel entlang Richtung Norden. Erste Erinnerungen an frühere Aufenthalte werden wach, schön!
Erstes Ziel heute ist Vente, direkt am Kurischen Haff. Der Aufenthalt bietet Gelegenheit zur Besichtigung der berühmten Vogelwarte. Dr. Pohl erklärt anschaulich den Zweck und die Vorgänge rund um den Vogelfang und die Beringung. Am Ende sind wir überzeugt, dass die Vögel diese Begegnung mit den Ornitologen wohl nicht als Wellness empfinden, aber doch gänzlich unbeschadet überstehen.
Weiter geht unsere Reise zum Hafen Klaipėda. Dort wartet die Fähre Zalgiris (Tannenberg/der dort errungene Sieg über das Heer des Deutschen Ordens und der damit einhergehende Ruhm ist tief im Bewusstsein der Litauer verankert. Jüngere mögen wohl eher an die zahlreichen Sportvereine denken, die diesen Namen tragen.).
Und dann, nach kurzer Überfahrt, sind wir auf der Kurischen Nehrung. Endlich, endlich: nach längerer Zeit darf ich wieder einmal hier sein. Meinem Sehnsuchtsziel, geblieben seit dem allerersten Besuch vor fast 20 Jahren. Ein sehr bewegender Moment voll großer Freude!
Nach dem Check-in in einem freundlichen Hotel verschafft uns ein kleiner Stadtrundgang einen ersten Überblick zu Städtchen, Haff und Hafen. Zum Abendessen treffen wir uns „mittendrin“ in einem – wie so vielen hier – recht neuem Restaurant. Freundliche Bedienung und gutes Essen, prima. Danach ist Freizeit bis zum nächsten Morgen.
Ich mache noch ein bisschen weiter mit den Erinnerungen. Schaue hier und dort, entdecke bekannte, veränderte und neue Ecken und genieße zu später Stunde den leicht rosa gefärbten Himmel über dem Haff.
Ein wunderbares Wiedersehen.

Carola Feist – ZEIT Reisende

Der Tag begann ab Kaunas (der modernen europäischen Kulturhauptstadt 2022) mit einer langen Fahrt entlang der Memel durch die litauische Landschaft, geprägt durch große Waldgebiete und Getreidewirtschaft. Vielzählige Störche auf ihren Nestern erfreuten uns auf dem Weg zur Ostseeküste.

Tor zur Vogelwarte am Kurischen Haff_c_Gudrun Dr. Sievers Flägel
Tor zur Vogelwarte am Kurischen Haff © Gudrun Dr. Sievers Flägel

Ein Stopp bei der Vogelwarte in Vente am Kurischen Haff lässt erinnern an Rossitten, die ehemals berühmte deutsche Vogelwarte und weltweit erste ornithologische Forschungsstation (1901-1944), heute im russischen Teil der Halbinsel.

Fangnetze der Vogelwarte Vente_c_Gudrun Dr. Sievers Flägel
Fangnetze der Vogelwarte Vente © Gudrun Dr. Sievers Flägel
Das Kurische Haff mit Blick auf die Nehrung_c_Gudrun Dr. Sievers Flägel
Das Kurische Haff mit Blick auf die Nehrung © Gudrun Dr. Sievers Flägel

Endlich dann die Fährübersetzung zur Kurischen Nehrung.

Ich rieche das Wasser, die Sandwege, den Duft der Kiefern und erinnere mich an das wunderbare Gedicht von Erich Fried:
MEER
Wenn man ans Meer kommt
Soll man zu schweigen beginnen
bei den letzten Grashalmen
soll man den Faden verlieren

und den Salzschaum
und das scharfe Zischen des Windes einatmen und ausatmen und wieder einatmen

Wenn man den Sand sägen hört
und das Schlurfen der kleinen Steine
in langen Wellen
soll man aufhören zu sollen
Und nichts mehr wollen wollen
nur Meer

Nur Meer

Dr. Gudrun Sievers-Flägel – ZEIT Reisende

Ostsee bei Nida_c_Gudrun Dr. Sievers Flägel
Ostsee bei Nida © Gudrun Dr. Sievers Flägel

10. Tag | 11.06.2023 • Erkundungen auf der Kurischen Nehrung

Nach heute moderater Aufsteh- und Frühstückszeit geht es „in die Berge“ zur 60 m hohen Panides-Düne (große Düne). Ein Bretterweg und viele Stufen sollen den Aufstieg erleichtern. Oben belohnt der Blick über das „Tal des Schweigens“, bis hin zur russischen Grenze, Nida und das Haff alle Mühe.

Nach der Mittagspause besuchen wir den Friedhof mit den teilweise uralten Kurenbrettern, bewundern schöne Bernsteine im kleinen Museum und besuchen danach das Thomas-Mann-Haus auf dem Schwiegermutterberg. Der ehemalige Italienblick ist dem natürlichen Wachstum der Bäume zum Opfer gefallen. Für die Erhaltung dieses Hauses, Kriegs- und sowjetische Nachkriegszeiten zum Trotz kann man den Litauern gar nicht genug danken. Heute betreten wir ein gepflegtes Haus, Museum und Kulturzentrum. Danke.

Kurrenbretter c Wolfgang Pohl


Nach dem Abendessen nehmen einige Reiseteilnehmer Gelegenheit zu einer Fahrt in den Sonnenuntergang mit einem (nachgebauten) Kurenkahn wahr. Ich freue mich über das Wiedersehen mit Sofija und Aurelijus. Sie segeln mit uns über das heute nur mäßig windige Haff und erläutern dabei sehr charmant und kenntnisreich die Gegebenheiten des Lebens im heutigen Litauen, besonders in Nida.
Für mich waren diese zwei Tage ein Highlight der bisherigen Reise und ein Grund mehr Wilhelm von Humboldt zuzustimmen: „Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie eigentlich ebenso gut als Spanien und Italien gehaben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll.“

Carola Feist – ZEIT Reisende

11. Tag | 12.06.2023 • Nida – Klaipeda – Riga

Diesmal starten wir mit dem öffentlichen Linienbus Richtung Juodkrante, da unser Busfahrer Jens noch Ruhezeiten für sich und den Bus einhalten muss.
Kurz vor Joudkrante sehen wir aus dem Busfenster ein Gebiet mit kahlen weißen Bäumen. Zuerst dachte ich, es sei Löschkalk nach einem Brand. Später erfahren wir, dass an dieser Stelle eine große Kolonie mit Kormoranen angesiedelt ist, deren scharfer Kot die Bäume verätzt.
In Juodkrante angekommen unternehmen wir eine ca. 1-stündige Wanderung über den Hexenberg mit seinen vielen Holzskulpturen von litauischen Künstlern.

Während wir auf Jens mit dem Bus warten, schlendere ich noch in der Sonne an der Promende entlang und lasse mich von den schönen Blumen und den dort ausgestellten Steinskulpturen inspirieren.

Mit dem Bus geht’s dann mit der Fähre zurück auf das Festland nach Klaipeda, der drittgrößten Stadt Litauens.
Nach einer kurzen Stadtführung mit interessanten Kunstwerken setzen wir unseren Weg fort nach Palanga.

Das Schloss Palanga mit seiner riesigen Gartenanlage beherbergt ein sehr berühmtes Bernsteinmuseum. Die Kuratorin erläutert uns ausführlich alles rund um das Thema Bernstein , und das, obwohl das Museum montags geschlossen ist.

Nach gut 1,5 Std Fahrt besuchen wir nördlich von Siauliai den ‘Berg der Kreuze’, u.a. ein Symbol für den litauischen Unabhängigkeitswillen.
Zwar beeindruckt, aber gleichzeitig erschlagen gehe ich nachdenklich zum Bus zurück. Für mich stellt dieser Platz deutlich dar, wie Menschen, trotz Repressalien, zu ihrer Meinung stehen können.

Berg der Kreuze c Gabi Brand
Berg der Kreuze © Gabi Brand
Berg der Kreuze c Gabi Brand
Berg der Kreuze © Gabi Brand

Hundemüde kommen wir nach einem Abendessen unterwegs in Riga gegen 23 Uhr im Hotel an.

Gabi Brand – ZEIT Reisende

12. Tag | 13.06.2023 • Riga zu Fuß

Die lettische Hauptstadt ist immer einen Besuch wert. Eigentlich hat man hier nie genügend Zeit alles zu erkunden: Kirchen, Museen, Aufführungen in der Staatsoper, Orgelkonzerte im Dom, Kaufmannshäuser, Jugendstilfassaden, enge kopfsteingepflasterte Gassen, weitläufige Parkanlagen u.v.m. – Hier war ich nun gefragt, möglichst viele Facetten der Stadt zu präsentieren, bei Tag und auch zur fortgeschrittenen Stunde bei abendlicher Dämmerung/Dunkelheit. … Und dies alles bei herrlichem Sonnenschein, sommerlichen Temperaturen von rund 28-31°C. zur Mittagszeit.
Gut ausgeschlafen und durch ein umfangreiches Frühstück im Hotel Radisson Blu Elizabete gestärkt, brechen wir um 10 Uhr zu Fuß zum vormittaglichen Stadtrundgang auf. Direkt beim Betreten der historischen Innenstadt zwischen der St- Petrikirche und der St. Johanniskirche gelegen, begrüßen uns die Bremer Stadtmusikanten. Nein, wir haben uns nicht verlaufen und befinden uns auch nicht auf dem Bremer Rathausplatz. Die Bronzestatue ist ein Geschenk der Stadt Bremen an Riga. Beide Hansestädte verbindet ein langjähriger und intensiver, städtepartnerschaftlicher Kulturaustausch. Diese Verbundenheit spiegelt sich auch bei der Rolandstatue vor dem Schwarzhäupterhaus wider.
Weiter geht der Exkurs durch die Innenstadt, vorbei an der Großen und der Kleinen Gilde, einem Kaufmannshaus, dessen ehemaliger Besitzer die Mitglieder der Großen Gilde durch eine Katze auf seinem Hausdach nötigte, seine Mitgliedschaft in die ansehliche Mitgliedschaft der gehobenen Kaufleute zu akzeptieren, bis zum Rigaer Dom und der ehemaligen Börse. Hier wurde unser Weg durch Flatterband und Wachpersonal gestoppt. Drehaufnahmen zu einem historischen Film waren der Grund. Ein sehenswertes und interessantes „Hindernis“. Vor originalen Fassaden konnte man den Schauspielern und Komparsen in ihren historischen Kostümen bei der Arbeit zusehen.
Das Mittagessen im edlen Restaurant „Salve“ stärkte uns wieder für die Unternehmungen am Nachmittag. Leitthema war der Jugendstil. Kunstvoll und aufwendig gestaltete Hausfassaden in der Elizabetes Iela (Straße) und in der Alberta Iela brachten uns auf eindrucksvolle Weise diesen Baustil näher. Unter Ausnutzung jedes noch so kleinen Schattenfleckchens kehrten wir nach einigen Kilometern Wegstrecke über Kopfstein und Asphalt zur orthodoxen Christi-Geburt-Kathedrale und zum Freiheitsdenkmal mit der Allegorie der Freiheit in Form einer weiblichen Figur, im Volksmund „Milda“ genannt, zurück.

Einigen lauf- und ausdauerstarken ZEIT-Reisenden war der abwechslungsreiche Tag noch lange nicht zu Ende. Von 22 Uhr bis kurz nach Mitternacht führte ich die Gruppe über ausgewählte Straßen, Gassen und Plätzen zu einigen besonders schön illuminierten Häusern in der Altstadt. Einfach fantastisch wie hier die Halbsäulen, Fenster- und Türöffnungen, figürlichen Darstellungen und Ornamentik ins rechte Licht gerückt wurden. – Zurück im Hotel war jetzt die nötige Bettschwere erreicht. Die verbliebene Nacht war kurz. Ab 6:30 Uhr gab es Frühstück und unsere Weiterfahrt im ZEIT-Bus erfolgte bereits um 8 Uhr.

Wolfgang Pohl – Reiseleiter ZEIT-Reisen “Rund um die Ostsee”

13. Tag | 14.06.2023 • Riga – Kuressaare

Heute ging es von der lettischen Hauptstadt Riga nach Estland. Das heutige Ziel war das Städtchen Kuressaare auf der Insel Saaremaa. Bereits am Morgen gab es für die Gruppe zwei Ereignisse: Zum einen konnte der Geburtstag der lieben Gudrun gefeiert werden. Zum anderen erhielten wir Zuwachs von Frau Dr. Elke Knappe. Frau Knappe wird uns die nächsten Tage bis nach Tallinn begleiten und versorgte uns auf der gesamten Busfahrt mit spannenden Informationen über das Baltikum, Land, Leute und Geschichte. Wir erfuhren unter anderem, weshalb die lettische Sprache hinterhältig sei. (Ja, das war der genaue Wortlaut).

Kurz nach Verlassen Rigas stoppten wir das erste Mal in Saulkrasti. Frei nach dem Motto Wolfgangs „Ich kenne da eine Abkürzung“ folgten wir ihm über Stock und Stein bis wir schließlich den wunderschönen Ostseestrand erreichten.

Wolfgangs Abkürzung c Wiebke Steinkamp
Wolfgangs Abkürzung © Wiebke Steinkamp
Strand c Wiebke Steinkamp
Strand © Wiebke Steinkamp

Nach einem weiteren kurzen Zwischenstopp in Pernau gelangten wir zum Fähranleger in Virtsu-Kuivastu, von wo aus wir mit der Fähre nach Muhu übersetzten. Muhu ist die drittgrößte Insel Estlands und dient für viele als „Transitinsel“ auf dem Weg nach Saaremaa. Wir legten auf Muhu allerdings noch einen kleinen Zwischenstopp im Muhu Muuseum Kunstitall ein: Das Museum (es wirkt ehrlicherweise eher wie ein Museumsdorf) zeigt das Dorf Koguva mit seiner klassischen, estnischen Bauernarchitektur. Dort erfuhren wir auch, weshalb unterwegs nahezu alle estnischen Flaggen auf halbmast hingen. Am 14. Juni wird der Deportation vieler Esten durch die Russen gedenkt.

Fährüberfahrt c Wiebke Steinkamp
Fährüberfahrt © Wiebke Steinkamp
Das Museumsdorf wo man die Flagge auf Halbmast sieht c Wiebke Steinkamp
Das Museumsdorf wo man die Flagge auf Halbmast sieht © Wiebke Steinkamp

Über einen künstlich aufgeschütteten Damm fuhren wir schließlich von Muhu auf die Insel Saaremaa. Mit einem weiteren Zwischenstopp in Kaali am Kaali-Meteoritenkrater gelangten wir nach Kuressaare, wo wir unser Lager für die nächsten zwei Nächte bezogen.

Kaali-Krater c Wiebke Steinkamp
Kaali-Krater © Wiebke Steinkamp
Kuressaare c Wiebke Steinkamp
Kuressaare © Wiebke Steinkamp

Nach dem Abendessen unternahm Wolfgang mit allen Reisenden, die noch Lust hatten, einen kleinen abendlichen Spaziergang zur nahegelegenen Burg. So erhielten wir bereits einen Vorgeschmack auf das Erlebnis, was uns am folgenden Morgen bevorstehen würde.

Wiebke Steinkamp – Junior Produktmanagerin ZEIT REISEN

14. Tag | 15.06.2023 • Kuressaare

Nach einem rustikalen Frühstück startet der heutige Vormittag um 10h mit einem geplanten 3 stündigen Stadtrundgang des Ortes Kuressaare (ehemals Arensburg, so auch der Name unseres Hotels, welches das ehemalige Gericht war). Der Himmel ist strahlend blau mit einigen wenigen Schleierwolken.
Der Nachmittag soll dann dem Norden und Süden der Insel gewidmet sein. 40% der Fläche der Insel sind grün und die Natur ist ca. 2-3 Wochen hinter unserer heimischen Natur zurück, so dass noch der Flieder bewundert werden kann, der hier von den jungen Leuten gegessen wird, da dies Glück bringen soll.

Die Stadtführerin weist auf das Rathaus hin, dass von den Schweden 1670 errichtet wurde und heute nur noch für besondere Zwecke genutzt wird. Es folgt der Blick auf das Haus Waage, welches die Messgeräte für den damals angrenzenden Markt beherbergt. Sie berichtet vom Besuch des Zaren um 1804. Es folgen weitere Jahreszahlen: 1818 wurde Estland eine eigene Republik.
Auf Saaremaa wurde zu 90% Schiffsbau betrieben und es gab eine bekannte Seemannsschule.
Heute sind im Ortsbild neben einer modernen Paketabholstation auch ein stilles Örtchen zu entdecken, welches nur mit dem Smartphone bezahlt werden kann. Etwas weiter spazieren wir an einer Riesen-Hand vorbei, die einem Riesen zuzuordnen ist, der das Fass-Bier in der Hosentasche transportieren konnte. Und immer wieder der Hinweis auf die vorhandenen Bäume, die im 19 Jh. von den Adeligen von ihren Reisen mitgebracht wurden (insgesamt 42 Arten).
Wir begegnen in der Stadt weiteren Gruppen, die mit einer Schiffsrundreise unterwegs sind; der Hafen liegt 40 km weit entfernt. Das Straßenbelag wird oft durch sehr grobe Steine geprägt, die eine gewisse Aufmerksamkeit erfordern.
Estland begleitet eine wechselvolle Geschichte: neben den Deutschen (1227-1559), waren die Dänen und die Schweden die Beherrscher der Insel. 1710 folgten die Russen. Der Einmarsch der Deutschen 1941 darf nicht unerwähnt bleiben; zuvor hatten bereits 1939 20 dort ansässige deutsche Familien die Insel verlassen. Exemplarisch seien die von Polli’s erwähnt, die nach Frankfurt gegangen sind.
Wir näheren uns der Burg, die seit 1865 ein Museum beherbergt und der deutschen Ritterschaft gedient hat. Wir schreiten durch das Refektorium mit einer schlichten Kreuzdecke, mit einem Steinboden unter dem sich schon eine Heizung befunden hat, durch Löcher im Boden die Wärme in die Räume bringen konnte.
In der Ausstellung wird auf auch den ersten estnischen Präsidenten hingewiesen, der nach Rußland verschleppt wurde und dessen sterbliche Überreste später nach Estland zurückgeholt wurden.
Viel Zeit bleibt nicht für die weiteren Bilder und Beschreibungen der Jahre vor und nach 1940.
Auf der Insel lebten im 20. Jh. einmal 80.000 Personen, heute sind es noch 34.000. Der Besuch auf der Burg schließt mit einem malerischen Blick auf die Ostsee ab.

Die Bischofsburg in Kuressaare_c_Angelika Ruhe
Die Bischofsburg in Kuressaare © Angelika Ruhe

Es folgt die Fahrt in den Norden/Nord-Osten zu einem Park mit Windmühlen. Dort soll auch das Mittags-Picknick stattfinden. Der Himmel hat sich ein wenig zugezogen; das hält aber nicht lange an. Die 2-spurige Straße wird von satten Grüntönen gesäumt. Einzelne Häuser, die mal gut und weniger gut erhalten sind, säumen den Weg ebenso wie Solarmodule auf der Wiese. Es ist nicht viel Verkehr und nicht wenige Mitreisende dösen im Bus. Wir erreichen die 5 Windmühlen, 4 davon sind Bocksteinwindmühlen und 1 eine sog. Holländische Windmühle. Dies ist die größte und die Hölzer reichen bis zur Erde, während die anderen auf diesen Steinhaufen stehen. Damals wurde so das Getreide gemahlen. Nach dem Picknick mit Blick auf die Mühlen macht unser Reiseleiter die xte Aufnahme vom Reisebus, um die er gebeten wurde.

Bockwindmühle in Angela_c_Angelika Ruhe
Bockwindmühle in Angela © Angelika Ruhe

Weiter geht’s in den Norden zum Panga Park gelegen an einer Steilküste mit Klippen, denen man auf einem Trampelpfad folgen kann. 2/3 sind hier Kiesstrände.
Auf dem Weg dorthin schauen wir in üppigen grünen Bewuchs, aber auch auf einzelne Kahlflächen mit angrenzender Wiederaufforstung. Der Blick geht an einem Waldfriedhof mit sehr kleinen Grabsteinen vorbei und fällt auf Buswartehäuschen versehen mit Fenster und Türen – sehr malerisch. Nach 45 min. erreichen wir die Ostsee.
Der weitläufige Blick fällt bereits auf den finnischen Meerbusen. Das Wasser ist glasklar und flach und mit einzelnen verstreuten Granitsteinen bedeckt, die wie Streusel aussehen.
Hier ist ein Eldorado für Pflanzenliebhaber und Geologen. Nach 30minütigem Aufenthalt geht es weiter in den Süden der Insel zu einer Landzunge in Tropfenform in der Rigaer Bucht.

Dort erwartet uns die letzte Sehenswürdigkeit des Tages: der Leuchtturm. Das Gebiet war früher sowjetisches Sperrgebiet und ist heute besonders für Vogelliebhaber interessant. Auf dem Weg dorthin passieren wir die schmalste Stelle der Insel, an der bei guter Sicht durch die Bewaldung sowohl die Rigaer Bucht als auch die Ostsee gesichtet werden kann.
Für den Leuchtturm und die Umgebung haben wir 30 min. Zeit. Das Objekt ist 1960 erbaut worden und 52 m hoch. Hier ist unsere Gruppe alleine, da es bereits später Nachmittag ist. Eine Mitreisende steigt tapfer die vielen Stufen im Turm hoch und berichtet natürlich von einem phantastischen Fernblick.
Dieses Gebiet ist als Naturschutzgebiet angedacht. Mal schauen, was daraus wird.

Der Weg zurück zum Hotel entspricht dem Hinweg; ein letzter Blick auf die engste Stelle rundet den gelungenen Tag ab.

Angelika Ruhe – ZEIT-Reisende

15. Tag | 16.06.2023 • Kuressaare – Virtsu – Tallinn

Heute verlassen wir die Insel Saaremaa. Nach einer gut verbrachten Nacht und reichhaltigem Frühstück im Hotel Arensburg fährt uns Jens in Richtung Nordost zur Fähre. Diese wird uns dann zum Festland bringen. Während der Fahrt erfahren wir von Frau Dr. Elke Knappe noch viel Interessantes über die gesellschaftliche sowie politische Entwicklung Estlands und Kaliningrads. Eine ihrer Anekdoten möchte ich kurz erwähnen: „In Kaliningrad sollte die 750-Jahre-Feier organisiert werden. Dabei gab es zwei Meinungen bezüglich Benennung der Feier. Die Veteranen waren für den Namen Kaliningrad, während die Jüngeren vor allem die Studentinnen den Namen Königsberg präferierten. Nachdem man sich nicht einigen konnte, wurde die Feier schlichtweg – 750 Jahre – genannt.“ An der Fähre angekommen, fährt uns diese prompt vor der Nase davon. „Nicht schlimm – wir sind im Urlaub und genießen jeden Moment.“ So äußerten sich mehrere Teilnehmerinnen. Wir sind einfach eine voll entspannte Gruppe!!!
Am Festland angekommen geht es Non-Stopp nach Tallinn. Ein bisschen wehmütig bin ich nun doch, diese wunderschöne Insel verlassen zu haben.
Die Ablenkung erfolgt jedoch stante pede – die Stadtführung durch Tallinn. Diese erfolgt in zwei Etappen: Busfahrt durch Tallinn und Stadtwanderung. Mit unserer Stadtführerin Ülle Tamm fahren wir zur „Sängerbühne“. Dort finden viele Chor -und Tanzaufführungen sowie Festivals statt. „Die Esten, ein Volk, das sehr mit dem Gesang verbunden ist!“ Wahrscheinlich befindet sich jeder Estin in einem Chor oder Gesangsgruppe. An der Sängerbühne befindet sich eine große Statue aus Bronze von Gustav Ernesaks, dem Begründer.
Die Stadtwanderung führt uns zunächst in die Oberstadt. Hier befinden sich beispielsweise die größte orthodoxe Kirche Estlands, aber auch die Regierung. Wir haben eine wunderbare Aussicht auf die Ostsee und lauschen den Ausführungen Ülles Ausführungen und gucken überall hin. Da kann man schon auch mal zum Stolpern kommen. Es gibt nämlich viele Straßen mit runden Kopfsteinpflastern, angeblich eine gute Fußmassage – na ja?!
In der Unterstadt besichtigen wir die Bäckergasse. Außerdem befinden sich hier viele Gildenhäuser, wunderschön verziert. Leider kamen wir gar nicht dazu, in die vielen einladenden Geschäfte zu gehen – so viel hatte Ülle zu erzählen.

Nach drei Stunden war ihre Führung vorbei und ich war k.o. – aba schee war´s
Danke Ülle Tamm
Einen Wermutstropfen mussten ich und mein Mann noch verkraften – morgen früh wird und Wiebke Steinkamp nach zehntägiger Mitreise verlassen. Sehr schade
Head aega liebe Wiebke

Michaela Nißl-Gambihler – ZEIT-Reisende

16. Tag | 17.06.2023 • Tallinn – Fährüberfahrt nach Helsinki/FIN – Kotka – Lappeenranta – Imatra

Heute verlassen wir Tallin und damit die baltischen Länder. Nach einem leckeren Frühstück fahren wir mit dem Bus zum Fährhafen. Dort steigen wir aus und erhalten unsere Fährtickets.

Für uns geht es zu Fuß auf die Fähre “Megastar”. Das Fährterminal ist sehr modern und erinnert an einen Flughafen. Über das Gate 2 besteigen wir das Schiff. Dort gibt es verschiedene Möglichkeiten sich aufzuhalten. Wir entscheiden uns für einen Platz an Deck und beobachten die Schiffe auf der Ostsee.

Tag 16_Fährterminal_c_Sigrid Piletzky

Wir haben Glück mit dem Wetter, die Sonne scheint und es weht kein Wind. Die Überfahrt nach Helsinki dauert nur zwei Stunden.

Jetzt sind wir in Finnland. Das Land hat eine vergleichbare Größe wie Deutschland, allerdings mit weit weniger Bevölkerung ( 4,5 Mio ).

Bei einem Stopp tanken wir 500l Diesel. Weiter führt uns die Route nach Osten entlang der Ostseeküste. Unser Ziel ist Imatra.

Unterwegs halten wir in Langinkoski an einem Ferienhaus, das Zar Alexander III. sich an einem Fluss bauen ließ. Der liebte es seinen Lachs selbst zu fischen. Wir erkunden das Gelände und sehen uns die Anlage von außen an.

Weiter geht es per Bus durch Wälder aus Birken und Nadelbäumen. Ab und an stehen Wohnhäuser aus Holz im Wald. Am Straßenrand blühen Lupinen. Die Landschaft ist durch viele Seen geprägt.

Am späten Nachmittag erreichen wir unser Hotelanlage in Imatra. Sie liegt an einem riesigen See, der zur finnischen Seenplatte gehört.

Dort bleiben wir für 2 Nächte.

Sigrid Piletzky – ZEIT-Reisende

17. Tag | 18.06.2023 • Imatra – Finnische Seenplatte

Heute war:

Richtig

Ungewöhnlich

Heute

Ein

Tag

Autonomer

Gestaltung!

Die ZEIT-Reisenden konnten den Tag in eigener Regie genießen: Ausschlafen, gemütlich beim Frühstück sitzen, mal wieder einen Tag nur mit sich verbringen, das lange vernachlässigte Buch weiter lesen, Freund und Familie mit Grüßen und Telefonaten überraschen, den Pool ganz für sich allein haben, die geschossenen Fotos sortieren, Mittagsschlaf halten, einfach nichts tun, oder das Angebot der Reiseleitung zu einer interessanten (natürlich wieder mehrstündigen) Wanderung nutzen.

Bei Letzterem war ich dabei. Start um 10 Uhr bei wieder sonnig-warmen Wetter. Zunächst am Seeufer entlang bis zum ersten Halt an einer Tafel zur geologisch-geografischen Historie unseres Standortes und der weiteren Umgebung.

Dr. Wolfgang Pohl eilt mit uns im Sauseschritt durch Millionen von Entwicklungsjahren und landet schließlich bei der Entstehung des Saimaa-UNESCO-Global-Geoparks. Gut, dass Ergebnisse internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit so schöne Erlebnisse für Jedermann ermöglichen.
Unsere Wanderung führt durch ausgedehnte Birken-Kiefer-Fichten-Wälder. Sie schützen uns einerseits vor der warmen Sonne und geben andererseits immer wieder tolle Rahmen für Fotos Richtung See ab. Darüber hinaus gibt es auch Entdeckungen. So wächst an einem Baum in Augenhöhe ein besonderer Pilz, der Zunder, dessen weitere Verwendung bereits in der Jungsteinzeit das Feuermachen ermöglichte. Später hat man daraus in Kombination mit Phosphor das komfortablere, Streichholz – das sog. Schwedenholz – entwickelt.

Wandern, Schauen, Plaudern, die Sichtung eines Elches (nur als Zeichnung von Wolfgang) – und keine Einkehrmöglichkeit. Oder? Was ist wohl in dem Schweren Rucksack von Wolfgang? Was wurde gestern so geheimnisvoll eingekauft? Unser Busfahrer Jens war zum Heinzelmann mutiert und hatte an einem schönen Platz am See den Tisch gedeckt. Das geplante Würstchengrillen fiel einem aktuellen Verbot zur Abwehr von Waldbränden zum Opfer, doch im Wald schmeckt die Wurst auch kalt. Nicht auszudenken, was unsere Herren mit den bereitliegenden Baumstämmen, Säge und Axt sonst angefangen hätten… Wer wollte, konnte neben Sekt und Wasser auch eine einheimische Spezialität, einen Likör aus der Moltebeere (ähnlich unserer Him- und Brombeere) probieren.

Unter Fortsetzung des fröhlichen Geplauders traten wir danach den Rückweg an und genossen wieder die herrliche Naturlandschaft der Finnischen Seenplatte.

Beim Abendessen war Gelegenheit zum Austausch der Tageserlebnisse mit den Nicht-Wanderern. Ich hatte den Eindruck, dass alle „gut über den Tag gekommen waren“ und rundum auch Freude über das Wiedersehen herrschte.

Eine übersichtlich kleine Runde beschloss den Tag mit einer Abendwanderung in den Sonnenuntergang. War das schön! Zu Weilen schien es, als wollte die Sonne mit uns spielen. Immer wenn wir dachten, schade, nun ist sie endgültig verschwunden, tauchte sie nach der nächsten Wegbiegung wieder auf. So, als wolle sie uns sagen: „Wann Schluss ist, bestimme ich.“ So war es dann auch. Kurz nach dem letzten Strahlengruß erreichten wir unser Hotel.

Fast alle wären an diesem schönen Platz wohl gern noch länger geblieben. Es war ein wunderbarer Ort für einen R U H E T A G !

Carola Feist – ZEIT-Reisende

18. Tag | 19.06.2023 • Imatra – Lahti – Helsinki

Die Stimmung im Bus ist weiterhin entspannt bei der Fahrt durch die südliche finnische Seenplatte.

Am Morgen besuchen wir nach kurzer Fahrt eine kleine von Alvar Aalto gebaute Kirche, die zu unserer Überraschung auch innen besichtigt werden konnte .

Die Tiefe der finnischen Wälder läßt auch zur Hälfte ein Resümee zur Halbzeit der Reise zu. Neben der von Jens mit dem Bus ermittelten Kilometerleistung haben auch wir Reisenden Daten mit den Handys erfasst: Bis jetzt gefahren: 2.866 km, bei Besichtigungen und Ausflügen gegangen: 154 km. Nicht zu vergessen die 69 Seemeilen auf Fähren.

Die Holzindustrie prägt die Wälder als Nutzwälder. Das bereitet uns auf den Besuch der Kartonfabrik in Werla vor. Leider sind alle Innenräume an diesem Tag geschlossen so daß wir nur einen äußeren Eindruck der beeindruckenden Anlage erhalten.

Dann geht es über schmale Wege weiter in die Skiflug-Stadt Lahti.
Überraschend für Alle war das an diesem Tag bei 30 Grad im Auslaufbereich der drei Schanzen befindliche Schwimmbad. Mit dem Aufzug der Skiflieger ging es exklusiv zu den Ausstiegsluken. Da bekommt man Respekt von dem Mut und der sportlichen Leistung.

© Walter Piletzky
© Walter Piletzky

Auch von dieser ZEIT-Reise kommen wir nicht dümmer nach Hause: Wer kannte vorher den Unterschied zwischen Ziegel und Formstein? Zwischen schwarzer, brauner und weißer Sanddüne? Zwischen Prallhang und Gleithang eines mäandernden Flusses? Oder wann wird aus einem Metoorit ein Meteorit?

Wir merken was unser Reiseleiter Wolfgang als Dipl.Geog. vor langer Zeit büffeln musste.

Bisher sehen wir mehr Warnschilder vor Elchen auf Verkehrsschildern als Originale neben oder auf der Straße. Das ist wahrscheinlich auch für den Busfahrer und uns besser so.
Aber wir bleiben in der finnischen Siso-Lebensweise beharrlich bei der Suche nach lebenden Elchen und Rentieren.

Walter Piletzky – ZEIT Reisender

19. Tag | 20.06.2023 • Helsinki

Heute steht die finnische Hauptstadt Helsinki im Fokus der Besichtigung. Nach telefonischen Absprachen war unser lokaler Stadtführer Tim bereit, uns früher als geplant nicht erst um 13 Uhr per Bus und zu Fuß durch die Stadt zu führen, sondern bereits um 10 Uhr. Dies erschloss uns einen längeren Zeitraum zwischen offizieller Stadtbesichtigung und Abendessen. Je nach Lust und Laune konnte so jeder ZEIT-Reisende die Stadt noch auf eigene Faust erkunden.
Zusammen mit Tim besuchten wir zunächst das Sebelius-Denkmal im gleichnamigen Park im Stadtteil Töölö. Die Künstlerin Eila Hiltunen hat diese Edelstahlplastik dem finnischen Komponisten gewidmet. Was aus der Ferne wie eine Orgel aussieht, entpuppt sich bei näherem Betrachten als ein Wald von Birkenstämmen mit sich abschälender Rinde. Danach ging es zur legendären Felsenkirche, die von außen so gar nicht wie eine Kirche aussieht – kein Glockenturm, nur eine kreuzförmige Aussparung in einer Eisenplatte. Und der Eingang erinnert eher an die Zufahrt einer Tiefgarage. Der Sakralbau wurde aus dem anstehenden Granitfelsen gesprengt. Natursteinwände, eine aus Kupferdraht geformte Kuppel und spaltenartige Lichtöffnungen verleihen dieser protestantischen Kirche ein besonderes Flair. Nächster Stopp war dann der Senatsplatz mit dem gleißend weißen Dom, das Hauptgebäude der Universität und dem Regierungspalais. Zu Fuß ging es dann zur historischen Markthalle aus dem Jahre 1889. Die hier angebotenen finnischen Delikatessen waren natürlich jünger. Von Moltebeerenkonfitüre über Elchwurst bis hin zu den verschiedensten Fischkonserven und Frischfischen war dies ein Genuss für Auge und Gaumen.
Unsere Mitreisende Iris feierte heute ihren Geburtstag. Sie ließ es sich nicht nehmen alle Ostsee-ZEIT-Reisenden zu einem kleinen Sektumtrunk einzuladen. Der Restaurantbetreiber der Markthalle servierte den Sekt draußen. Auch hier wurden wir mit zwei Besonderheiten vertraut gemacht. Den Korken draußen knallen zu lassen – das geht in Finnland nicht. Verboten! Die Flasche darf nur im Inneren des Restaurants geöffnet werden. Einige von uns standen keine zwei Meter vom Eingang entfernt im Schatten. Dieser Bereich gehörte nicht mehr unmittelbar zum Restaurant. Also darf hier kein Alkohol in der Öffentlichkeit ausgeschenkt und konsumiert werden. Ein etwas größerer Ausfallschritt und schon waren wir gesetzeskonform.
Der restliche Nachmittag stand dann zur freien Verfügung: Bummeln gehen, eines der zahlreichen Museen besuchen … oder vielleicht einen Saunagang in der Holzkabine des großen Riesenrades einnehmen? Ich kannte Helsinki schon von vorherigen Besuchen. Dennoch gibt es immer wieder auch Neues zu entdecken, zumal die sommerliche Beleuchtung Vieles in ein sprichwörtlich anderes Licht rückt. Ich wollte es dem finnischen Olympioniken Paavo Nurmi mit seinen läuferischen Höchstleistungen zwar nicht gleichtun, beabsichtigte jedoch in der relativ kurzen Zeit von vier Stunden bis zum Abendessen meine mir gesteckten Ziele – meist zu Fuß im Pohl’schen Exkursionsschritt – zu erreichen. Mit dem kleinen Linienboot setzte ich vom Südhafen zur Festung Suomenlinna über. Die verfallene, weitläufige Anlage erstreckt sich über mehrere Schäreninseln und spiegelt die Entwicklung der Küstenverteidigung wider. Zurück auf dem Festland spurtete ich zum Olympiaterminaali und zum Kaivopuisto-Park mit grandiosem Ausblick auf die vorgelagerten Schären. Quer durch die Stadt, entlang der Esplanade, erreichte ich in fast Rekordzeit von 30 Minuten den in historistischem Stil erbauten Hauptbahnhof mit seinem markanten Uhrturm. In unmittelbarer Nähe befindet sich der futuristische Bau der Nationalbibliothek. Diesen musste ich natürlich umrunden, um diese besondere Architektur in ihrer Gänze zu erfassen. Jetzt hieß es die 2.300 Meter zurück zum Hotel gehen bzw. zu eilen, um dort pünktlich um 18:30 Uhr die Gruppe zum Restaurant Savotta am Senatsplatz zu begleiten. Im fast schon Schlenderschritt waren dies nochmals rund 2.200 Meter Fußweg. Das Abendessen im historischen Ambiente des Restaurants beschloss den ereignisreichen Tag, wohlwissend, dass die ZEIT-Reisenden und ich noch den Fußweg zurück zum Hotel anzutreten hatten. Der Langstrecken-Athlet Nurmi wäre bestimmt stolz gewesen – auch wenn es für uns keine Goldmedaille gab, dafür aber viele schöne Eindrücke.

Wolfgang Pohl – Reiseleiter ZEIT-Reisen “Rund um die Ostsee”

20. Tag | 21.06.2023 • Helsinki – Turku

Nach unserem Bergfest in der zurückliegenden Nacht geht unser Weg heute um kurz vor 9 Uhr los an die finnische Südspitze. Um 16 h nach unserer Ankunft am Tagesziel in Turku erwartet uns die Stadtführung.

Die Außentemperatur heute früh beträgt schon 22° und die Straßen vorm Hotel sind nass, aber nicht vom Regen sondern von einem Fahrzeug der Stadtreinigung. Ein letzter Blick fällt auf die Tram Nr. 7, die einige Reisende vom Hotel zur Innenstadt von Helsinki gebracht hat.

Auf der Fahrt zum nächsten Ort Hanko in 104 km Entfernung verlassen wir den finnischen Meerbusen und wechseln an den Bottnischen Meerbusen. Zunächst passieren wir Esbo, die Zwillingsstadt zu Helsinki. Dort befindet sich u.a. die Verwaltung und verschiedene Sportstätten.
In den frühen Morgenstunden ist nur wenig Autoverkehr und nur vereinzelte Fahrradfahrer unterwegs, die längs der waldgesäumten Straßen vorbei an zahlreichen Lupinenfelder fahren.
30 km vor Hanko kommt der Hinweis von vorn, dass diese Strecke natürlich wieder zurückgefahren werden muss. Hanko ist geprägt durch eine lockere Bebauung von Stein- und weniger Holzhäusern und anschließendem 3,5 km Sandstrand.
Vor uns liegt ein 2stündiger Sparziergang entlang an einem kleinen, abgesperrten Industriegelände für Autoverschiffung zum südlichsten Teil Finnlands. Der Weg wechselt zwischen weichem Waldboden, Kieselgrund mit Wurzeln und einem kleinen Holzsteg. Der erste Aussichtspunkt lenkt den Blick auf eine Vogelbrutstätte. Unterwegs wird anhand verschiedener Schautafeln auf die Tier- und Pflanzenwelt hingewiesen, aber auch auf ein vor der Küste verschollenes Schiff. In diesem Gebiet werden jährlich über 10.000 Vögel beringt. Das Ziel ist geprägt durch große Felssteine mit wunderbarer Aussicht. Die Wegmarkierungen hier sind einfach (blaue Absperrseile) und eindeutig (weiße Pfähle und weiße Farbklekse).
Auf dem Rückweg liegt eine alte runde kleine Befestigungsanlage verborgen im Bewuchs.
Am Ende des heutigen, am Stück längsten Sparziergangs, wartet schon der Bus-Kaffee auf uns.

Weiter geht’s nun nach Turku. Begleitet werden wir von der Musik von Jean Sibelius. Inzwischen sind es 30°. In der grünen Landschaft stehen einige Windräder und es lässt sich eine alte Panzersperre in der Form von 3 Stein-Reihen entdecken. Wir erreichen Turku um 15 Uhr.
Der Stadtrundgang beginnt mit einer Fahrt zur Burg, danach soll es zu Fuß weitergehen. Unsere Stadtführerin beginnt mit allgemeinen Ausführungen: Turku hat 195.000 Einwohner, die Markthallen, gebaut 1889, haben von 8-18 Uhr geöffnet und ein Museum beherbergt die zweitgrößte Sammlung in Finnland. Die bereits erwähnten 30° gibt es nicht so häufig in Turku, deswegen will sie schnell nach dem Ende der Führung in ihr kleines Holzhaus flüchten.
Der Dom ist aus dem 13. Jh. und der Erzbischof ist hier ansässig. Der Hafen existiert seit 100 Jahren; inzwischen liegen hier 13 Restaurantschiffe. Die Stadt hat 7 Hügel und in der näheren Umgebung ist neben der Meyer-Werft auch Bayer ansässig. Es gab 3 Gefängnisse, von denen eins inzwischen als Hotel genutzt wird. Des weiteren lernen 40.000 Studenten in 6 Uni’s. Ein kulinarischer Hinweis: Ende Mai/Anfang Juni werden die ersten jungen Kartoffeln genossen, die dann so teuer wie Fleisch sind.
Wir erreichen das Burggelände; die erste Bebauung stammt aus 1280. Die Burg ist aus verschiedenen Granitsteinen erbaut, die im oberen Bereich durch Ziegelsteine ergänzt werden. Der weiße Innenhof zeichnet sich durch kunstvoll umrandete Fenster aus sowie einer Holzverbindung zwischen den einzelnen Gebäudeteilen. Das Museum gibt es hier seit 1880.

Wir verlassen das Burggelände und gehen über die Innenstadt zurück in Richtung Hotel. Die breiten Straßen fallen auf sowie die Grünflächen. Beides sind Folgen eines Brandes von 1827, der für eine entzerrten Wiederaufbau sorgte, sowie für die Begrünung, die Turku angeblich zur grünsten Stadt Finnlands werden ließ. Die alte Tabakfabrik wird heute Haus für Künstler genutzt.
Wir erreichen den Dom, den bis 1845 noch eine Mauer umrundete. Vor dem Dom steht seit 1951 die Figur von Mikael Agricola, einem finnischen Reformator und einem Schüler Luthers, der das erste hiesige ABC-Buch verfasste und das Neue Testament ins Finnische übersetzte.
Der Dom stammt aus dem 13. Jh. und ist heute evangelisch-lutherisch, der heute 70% der Finnen angehören. Der gotische Teil des Gebäudes wurde 1350 ergänzt und das Dach im 15. Jh. aufgestockt. In der Decke befinden sich Fenster. Nach einem Brand 1827 wurden die zerstörten Fenster und die Inneneinrichtung erneuert. Der Dom ist 100 m lang und 25 m hoch. Auffällig ist eine Falltür kurz vor dem Altar, die damals einen Weinkeller abdeckte. Neben den vielen Grabmählern sei hier nur die Pyhan Ruumimkappelle von1425 erwähnt wegen des kunstvoll gearbeiteten Glasfensters mit den Symbolen für „Glaube – Hoffnung – Liebe“.
Nach dem Dom passieren wir eine Gruppe von Laien-Schauspielern aus dem Mittelalter von 1370, die für eine Aufführung proben. Über eine alte Gasse mit groben Steinen, die an Stockholm erinnern soll, erreichen wir das Museum Aboa Vetus und Ars Nova. Für das entzückende Café davor bleibt keine Zeit. Nur ein kurzer Blick im Inneren auf die Ausgrabung aus dem 14 Jh. sowie einer Nana aus 1985 von Niki de Saint Phale ist möglich.
Über die neueste Brücke aus 2014 mit Glasstreben erreichen wir nach 50 m wieder unser Hotel.
Für morgen Vormittag ist Regen angesagt; wir lassen uns überraschen.

Angelika Ruhe – ZEIT-Reisende
Südlichstes Ende von Finnland bei Hanko c Wolfgang Pohl
Südlichstes Ende von Finnland bei Hanko © Wolfgang Pohl
Original-Nana von Niki de Saint Phale c Wolfgang Pohl
Original-Nana von Niki de Saint Phale © Wolfgang Pohl

21. Tag | 22.06.2023 • Der Beitrag erscheint bald…

22. Tag | 23.06.2023 • Vaasa – Oulu

Wie jeden Tag pünktliches Erscheinen der Gruppe zur Gepäckverladung und anschließender Abfahrt zum Kvarken Archipel. Ziel ist der weithin sichtbare hölzerne Aussichtsturm, ca. 35 m hoch (?).

Aussichtsturm Saltkaret, Kvareken-Archipel c Wolfgang Pohl

Doch, als hätte es uns erwartet: ein Geschwader Moskitos überfiel die „Zeit“ – Genossen und es bestand aller Grund, diese Biester abzuwehren. Das Klischee, skandinavischer Sommer = Mücken, Mücken, Mücken…, wurde perfekt erfüllt. Oben auf dem Turm ergab sich ein herrlicher Überblick auf diese Inselwelt und man staune, da oben war mückenfrei.
Wir hatten heute ja noch einige Kilometer zu schaffen – also Weiterfahrt. Abseits der Magistrale ging es durch eine reizvolle Insel- u. Seenlandschaft, landestypische Flora aus Nadel- und Birkengehölzen. Die Landstraßen waren gesäumt von Schafgarbe und vielfarbigen Lupinen. Nach der Ortschaft Jakobstad ging die Reise bei Regenwetter fortan.
Von Tillmann Bünz gab es vielfältige Informationen über skandinavische Lebensweisen und tiefe Einblicke in die baltischen Freiheitslieben. Zu überqueren waren drei wildromantische Flüsse (ohne Namen). Ein Halt hätte sich gelohnt, wenn a‘ eine Parkmöglichkeit vorhanden und b‘ es nicht so geregnet hätte. Dieser Regen jedoch ist so dringend nötig nach der langen Trockenphase.
Mehrere Elche waren auf der langen Strecke heute zu entdecken. Die jedoch waren alle schwarz und auf gelben dreieckigen Schildern. Gegen 16.20 h erreichten wir schließlich unseren heutigen Zielpunkt Oulo.

Claus Gambihler – ZEIT-Reisender
UNESCO-Weltkulturerbe Kvarken-Archipel (bei schönem Wetter) c Wolfgang Pohl
UNESCO-Weltkulturerbe Kvarken-Archipel (bei schönem Wetter) © Wolfgang Pohl

23. Tag | 24.06.2023 • Oulu – Luleå

6:30 Uhr mache ich die Augen auf und habe das Gefühl, dass der Handywecker mir zugrinst, weil er erst um 7:00 loslegen soll. Nach ein paar Minuten folgt der Blick aus dem Fenster: es regnet! Sehr schön für die Natur, die schon längere Zeit darauf verzichten musste. Das fallende Verhalten der Regentropfen bringt mich dazu eine Dusche zu genießen. Nach einem Dreh am Duschknopf erliegen die oben austretenden Wassertropfen der Erdanziehungskraft, nehmen aber – weil ich drunter stehe – nicht den direkten Weg sondern auf einem kleinen Umweg auch Schaum und andere Molekülansammlungen mit sich in den Abfluss. Mein Dank verhallt ungehört im restlichen Zimmer.

Nach dem Frühstück um 7:30 (wie immer reichlich und gut) startet der Bus um 9:00 Richtung Norden. Heute sitzt am Steuer: Leo. Trotz Rentnerdasein in Finnland gerne bereit, „unserem“ Jens sein 90(-x)stündiges Wochenende notwendigerweise machen zu lassen. Leo, hast du heute gut gemacht!

Heute ist Johanni, ein wichtiger Feiertag für die Finnen, der heute, am Samstag, mit dem Erholungstag des gestrigen Mittsommernachtfestes zusammenfällt. So sind die Straßen recht leer. Alsbald verlassen wir Oulu, die größte Stadt Nordfinnlands und fahren zu Ziel Nr. 1: die älteste aus Stein gebaute Kirche Lapplands in Keminmaa. Auf dem Weg dorthin erzählt uns Tillmann Bünz von Lappland und den Sami und wir sehen dazu einen Film der ARD-Reihe Weltreisen. Es geht auch um Viktoria, die sich samt Familie für den Schutz der Wälder samt Sami-Kultur einsetzt, um Lieder von goldenen Bergen und silbernen Seen und um das Leben als Sami in der Zukunft. Der Film wurde nahe der norwegische Grenze nördlich des Polarkreises gedreht, rund um den Akkajaure (Jaure = See), den man auch kreuzen muss, wenn man den Kungsleden (Königspfad, der in Schwedens Süden startet) bis zum nördlichen Ende in Abisko bewandern möchte. So startete ich 1986 die nördliche Etappe von Kvikkjokk nördlich des Polarkreises, um ca. 12 Tage später in Abisko – noch nördlicher – die botanische Forschungsanstalt zu „besuchen“. In so einer Gegend gilt aber immer wieder: der Weg ist das Ziel!!! Über den Akkajaure haben uns heimische Boote gebracht, mit denen auch Viktorias Verwandte schon Geld verdient haben.

Kirche von Altotornio Geodätischer Meßpunkt des Struve-Bogens_c_Dirk Störtenbecker
Kirche von Altotornio: Geodätischer Meßpunkt des Struve-Bogens © Dirk Störtenbecker

Mittlerweile haben wir die Kirche in Keminmaa erreicht. Das Besondere in Keminmaa: die Kirchturmspitze ist ein geodätischer Punkt. Einer von noch 34 erhaltenen Punkten, mit deren Hilfe der deutschbaltische Astronom Friedrich Struve auf einer Strecke von 2821 km (Hammerfest bis Schwarzes Meer) durch Triangulation nachgewiesen hat, dass die Erde ein Ellipsoid (Geoid) ist. Für den Zeitraum von 1816 bis 1855 und den technischen Mitteln seinerzeit eine Meisterleistung!

Wir sind angekommen am Tornionjoki (Joki = Fluss), der als Grenzfluss zu Schweden dient. Ein paar Kilometer flussaufwärts sind Stromschnellen, die bei Lachsfischern bzw. eher Lachsfängern sehr beliebt sind. Die Ruhezonen in den Stromschnellen werden mit ca. 5-8 m langen Keschern durchkämmt und so landet auch mal ein Lachs im Netz. Kurz nachdem wir angekommen sind, kommt einer dieser Fischer mit einem frischen, per Messerschnitt getötetem Lachs (7kg) über eine gewagte Brückenkonstruktion an Land. Es darf 1 Fisch pro Tag und Person/Familie gefangen werden, nur für den Privatverzehr! Tillmann erzählt dazu, dass diese Regel freiwillig eingehalten wird. Sollte davon abgewichen werden, werden wohl die Regeln als Folge darauf verschärft werden und ebenso die Kontrollen. Deswegen ist es wohl auch wichtig, dass die Touristen nicht mit Geldscheinen wedeln und die Fischer schwach werden und sich selbst dieser sinnvollen Selbstkontrolle berauben.

Lachfischer_c_Dirk Störtenbecker

Westwärts geht es über die Brücke in Tornio ins benachbarte, schwedische Haparanda. Bahnreisende – so wie ich damals – müssen da wegen der europäischen Gleisbreite (Schweden) auf die russische Gleisbreite den Zug wechseln. Straße: ein blaues Schild mit „RUOTSI / SVERIGE“ umgeben von 12 gelben Sternen kündigt die Grenze in 200 m an. Es ist 12:11 finnischer Zeit. 200 m weiter ist es 11:11. Das war´s. Wir sind in Schweden. Kurz darauf: IKEA.

Es folgt ein Film über die Wälder in Lappland. Großflächige Abholzungen der alten Wälder gefährden auch die Nahrungsversorgung der Rentiere im Winter, da in den Ästen der 400-500 Jahre alten Bäume auch recht viel Moos und Flechten an den Ästen gewachsen ist. Bei Wind nach unten fallen und das Moos dann als Nahrung dient. Wir fahren – wie auch in Finnland – nahezu nur an jungen Wäldern vorbei, mit Bäumen (Birke, Kiefer, Fichte), die ca. 10-15 cm Durchmesser haben. Die Äste sind da noch stabiler und schicken keine Nahrung nach unten. Der Film erzählt auch von der Bepflanzung mit einer amerikanischen Kiefernart, deren viele Nadeln jedoch den Boden zu sehr bedecken und Rentiernahrung knapp werden lässt. Besserung soll in Sicht sein…

Dann sind wir auch schon am nördlichstem Ende der Ostsee. Ein gelbe Dreieckstonne markiert diese Stelle in Töre, direkt neben einem Silo mit Lagerhaus. Von der Tonne aus sind aber Richtung Norden noch ca. 200 m Wasser zu sehen…finde den Fehler…

Nördlichster Punkt der Ostsee_c_Dirk Störtenbecker
Nördlichster Punkt der Ostsee © Dirk Störtenbecker
Gammelstad Luleå_c_Dirk Störtenbecker
Gammelstad Luleå © Dirk Störtenbecker

Wir besuchen noch Gammelstad, das ehemalige Zentrum von Luleå. Hier wird die Kirche von ca. 400 Holzhütten umgeben, die Kirchendienern etc. zur Übernachtung dienten…früher waren die Wege länger. Heute können sie gekauft, bewohnt und vor Allem gepflegt werden. Mit der Landhebung (ca. 1 cm/a) entfernte sich die Küstenlinie vom Zentrum und es wurde entschieden, Luleå ca. 11 km weiter südlich an der Küste neu aufzubauen. Voilá, da sind wir nun. Zum Abendessen fahren wir ins Landesinnere auf eine Elch- und Rentieranlage. Ziel solcher Anlagen ist es, den Menschen Wildtiere zu zeigen, damit die Bereitschaft, deren Lebensraum zu schützen, steigt. Es wird auch klar, dass diese Tiere in der Natur viel mehr Fläche brauchen als hier in – ein paar Hektar großen – Gehegen , wo sie zugefüttert werden müssen. Die freie Natur bietet lange nicht so viel Nahrung auf solch kleinen Flächen.

Mit dem Elch auf Augenhöhe_c_Dirk Störtenbecker
Mit dem Elch auf Augenhöhe © Dirk Störtenbecker
Abendessen am Lagerfeuer_c_Dirk Störtenbecker
Abendessen am Lagerfeuer © Dirk Störtenbecker

Zur Verpflegung gab es Brotfladen mit Elch-Geschnetzeltem, Gemüse und lecker Soße. Dazu ein kleines Lagerfeuer mit Kaffee-Kessel darüber. Ein schöner Abend, den ich mit einem kleinen Vierzeiler beenden möchte:

Eine Elchkuh lief durch Schwedens Wälder,
gebar im Leben ein paar Kälber;
manches davon wurde zu einem starken Bullen,
Teile von ihm liegen nun auf unseren Stullen.

Dirk Störtenbecker – ZEIT-Reisender

24. Tag | 25.06.2023 • Luleå – Umeå

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Luleå © Michael Finger

Die Übernachtung im Elite Stadshotellet in Luleå, einem klassischen Backsteinbau mit schmucker Fassade, wird vielen von uns in guter Erinnerung bleiben. Einmal wegen des erholsamen späten Reisestart, zum andern wegen des üppigen Frühstücks in einem wunderschönen, reichdekorierten Ballsaal mit Blick auf die Ostsee. Es war mit Abstand der bisher prächtigste Frühstücksraum auf unserer Reise.

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Frühstück im Ballsaal 1 © Michael Finger
Frühstück im Ballsaal_2_c_Michael Finger
Frühstück im Ballsaal 2 © Michael Finger

Die Weiterfahrt in das 250 km entfernte Umeå, führte zunächst auf der E4 wieder durch den vertrauten, skandinavischen Mischwald: Kiefern mit Birken und dann Birken mit Kiefern. Gelegentlich angereichert mit ein paar Fichten. Dichten, dunklen Wäldern folgten lichte helle Wälder, weiten Rodungsflächen wechseln mit Aufforstungsflächen. Wir folgen stets der Europastraße 4, die an der schwedischen-finnischen Grenze in Haparanda beginnt und der Ostseeküste entlang bis nach Stockholm führt. Für einzelne Reisende, für die die Landschaft eintönig wurde, begann rechtzeitig unser mitreisender Skandinavienexperte Tillmann, von seiner Region zu berichten.

Von der Natur (Klima und der Qualität der landwirtschaftlichen Flächen) eher benachteiligt, gelang es den skandinavischen Ländern mit ihren Bodenschätzen und Erfindungsgeist zu den wohlhabenderen Ländern aufzusteigen. Erze und Wasserenergie begünstigten die Stahl- und Autoindustrie (Volvo), Holz und Wasserenergie waren die Grundlage für die Papier und Möbelindustrie (IKEA).

Die Energiewirtschaft unterscheidet sich stark in den einzelnen Ländern. Schweden produziert Strom überwiegend mit Wasserkraft, Norwegen hat neben der Wasserkraft auch reichlich fossile Energie, nur Finnland hat wenig saubere Energie und ist stark importabhängig. Allen drei Länder ist eine pragmatische Haltung zur Atomenergie eigen.

 Norwegen, früher das ärmste skandinavische Land ist heute das wohlhabendste Land in der Region, dank der Erlöse aus dem Export von Öl und Gas. Die Erlöse aus dem Export von fossiler Energie flossen nicht nur in den Staatshaushalt und soziale Leistungen. Ein Großteil wurde als  langfristige Rücklagen in den norwegischen Staatsfond eingezahlt. Dieser investierte das Geld weltweit, zu 2 Drittel in Aktien und den Rest in Obligationen und anderen Wertpapiere. Insgesamt ist der Wert der Anlagen heute auf sagenhafte $1.4 Trillionen angestiegen. Der Wert entspricht in etwa dem dreifachen des norwegischen Sozialprodukts oder einem Vermögen von etwa € 250 000 pro norwegischem Einwohner.

Auf halber Strecke von Luleå nach Umeå halten wir bei dem Städtchen Skelleftea auf freier Strecke vor einem riesigen, grauen Fabrikgelände an. In dieser Fabrik von North Volt werden in Zukunft die Elektrobatterien für E-Fahrzeuge hergestellt. Die Batterien sollen umweltfreundlich hergestellt werden mit grünem Strom und recycelten Material aus Altbatterien. Die Anlage soll auch einen wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit von chinesischen Batterielieferungen leisten. An dem Unternehmen North Volt sind mehrere europäische Autobauer beteiligt.

Während Tillmann uns vor dem Fabrikgelände Einzelheiten zu dem Unternehmen berichtet erscheint plötzlich der Sicherheitsdienst. Wir erwarten, dass man uns bittet weiterzugehen aber zu unserer Überraschung erläutert der Wachmann mit einer Übersichtskarte die Anlage. Auch auf unsere Fragen zu Umwelt, Personal und die lokalen Auswirkungen gibt er bereitwillig Auskunft. Dank North Volt habe er jetzt einen gut bezahlten Job und Skelleftea sei eine Art Boomtown geworden.

Batterie Fabrik_c_Michael Finger

Wir fahren weiter nach Umeå. Die Landschaft ändert sich. Der zusammenhängende Mischwald wird abgelöst von großflächiger Weidewirtschaft. Die falunroten Bauernhäuser sind häufig begrenzt von blühenden Fliederhecken und Reihen aus kugelförmigen Weiden. Am Straßenrand sehen wir häufig blühendes Wollgras und die bei Rentieren so beliebten grauen Flechten. Gegen 15 Uhr erreichen wir die Stadt Umeå. Das Markenzeichen der Stadt, die Birke, ist omnipräsent. Spaliere von Birken finden sich nicht nur in Gärten, sondern auch in den Einkaufsstraßen der Stadt und auf den  Verkehrskreiseln der Stadteinfahrt. Nach zwei Tagen mit wenig Sonne ist diese wieder zurück und lädt ein zu einem Stadtbummel.

Michael Finger – ZEIT-Reisender
Birkenallee in der Fußgängerzone von Umeå_c_Wolfgang Pohl
Birkenallee in der Fußgängerzone von Umeå © Wolfgang Pohl

25. Tag | 26.06.2023 • Umeå – Sundsvall

Heute galt es „nur“ rund 270 Kilometer über die gut ausgebaute, teils autobahnähnliche E4 zurückzulegen. Die Abfahrt mit unserem Bus erfolgte somit erst um 10 Uhr. Richtig Zeit zum Ausschlafen und Kräftesammeln. Die Fahrstrecke führte immer entlang der Westküste des Bottnischen Meerbusen; mal mit direktem Blickkontakt auf die Ostsee, mal etwas landeinwärts gelegen. Die bewusst längere Fahrtunterbrechung legten wir kurz vor der Höga-Kusten-Brücke bei Härnösand ein. Der gesamte Bereich der Höga Kusten, eine bizarre Steilküstenlandschaft mit immer noch anhaltenden Landhebungsvorgängen von über einen Zentimeter pro Jahr, ist als UNESCO-Weltnaturerbe eingetragen und besonders geschützt. Ausgangspunkt für unsere kleine Wanderung – im wahrsten Sinne über Stock und Stein – war der gleichnamige Rastplatz Höga-Kusten-Brücke an der E4. Die 1.800 m lange Hängebrücke überspannt das Flussdelta des Ångermanälven und gilt als die Golden-Gate-Brücke Schwedens. Als neuntgrößte Hängebrücke weltweit stellt sie immer ein besonderes Fotomotiv dar.

Wir erklommen eine Anhöhe, um einen noch besseren Ausblick zu erhalten. Nackter Fels, vereinzelte Kiefern, Fichten und Birken, deren Wurzeln jede Felsspalte nutzen, Halt zu finden, sowie im Unterholz Preisel- und Blaubeeren und die im Sonnenlicht hell leuchtenden Rentierflechten bestimmten unseren Weg. Auch das Wetter spielte mit: Sonnenschein und über dem Wasser flache Wolkenbänke, eine Inversionswetterlage.

Zurück am ZEIT-Bus gab es zur Stärkung heiße Bockwurst mit Brot. Unser Fahrer Jens und unser deutsch-finnischer Aushilfsfahrer Leo hatten alles vorbereitet.

Weiter ging es knapp 100 km bis nach Sundsvall. Nur 2,5 km vom Stadtzentrum und somit von unserem Übernachtungsstandort entfernt, legten wir einen erneuten Stopp ein. Ziel war das Gräberfeld von Högom mit späteisenzeitlichen Grabhügeln und einem Runenstein aus der Wikingerzeit. Das auffällige Tatzenkreuz war mit einem Ring aus gut erkennbaren Runeninschriften versehen. Unser erster Runenstein auf unserer Ostsee-Umrundung! Mehrere andere Runensteine werden noch im Laufe unserer ZEIT-Reise angefahren.

Hügelgräber und Runensteine von Högom_c_Wolfgang Pohl
Hügelgräber und Runensteine von Högom © Wolfgang Pohl

Den restlichen Spätnachmittag konnte dann jeder Reiseteilnehmer individuell gestalten, z.B. für einen kleinen Spaziergang durch die historische Innenstadt von Sundsvall. Das gemeinsame Abendessen genossen wir in der 4,5-ten Etage mit Dachterrasse und Ausblick auf die Stadt. Dichter Nebel zog wieder auf. Mal sehen was der neue Tag bringen wird.

Wolfgang Pohl – Reiseleiter ZEIT-Reisen „Rund um die Ostsee“

26. Tag | 27.06.2023 • Von Sundsvall über Uppsala nach Stockholm

Am frühen Morgen verließen wir Sundsvall, das uns mit dichtem Ostseenebel verabschiedete. Der Himmel klärte bald auf, und bei herrlichstem Sonnenschein erreichten wir Upsalla. In meinen Ohren entfaltete sich während der Fahrt der Refrain des Songs „Ein Student aus Uppsala“ von Kristi, den ich schon als Schulkind ganz toll fand. Oft bin ich damals mit dem Finger auf der Landkarte nach Schweden gereist. Ich habe mir vorgestellt, dass Wikinger Uppsala gegründet haben müssen, oder dass sich Pippi Langstrumpf in der Nähe dieser Stadt mit dem lustigen Namen ihre Welt bastelt, wie sie ihr gefällt.

Heute habe ich Uppsala als eine quirlige Universitätsstadt kennengelernt, wo Studierende auf der Straße über die Minderheiten in Schweden informieren und zwar Einheimische und Touristen. So weiß ich jetzt, dass dazu die Samen zählen, die Urbevölkerung auf dem Gebiet des heutigen Schwedens, die Finnenschweden und die Tornedalings, die beide auch schon lange vor der Gründung Schwedens bereits dort siedelten; in der frühen Neuzeit kamen dann die Juden und die Roma noch hinzu. Dementsprechend gibt es auch fünf offizielle Minderheitensprachen: Samisch, Finnisch, Meänkiele, das die Tornedalings sprechen, Romanes und Jiddisch.

Uppsalas berühmtester Sohn ist der berühmte Naturforscher Carl von Linné (1707-1778), der in seiner „Systema Naturae“ die moderne Taxonomie entwickelte, nach der wir noch heute Pflanzen und Tiere benennen und klassifizieren. Besonders wandte er sich den Pflanzen zu. Davon zeugt auch seine Schrift „Praeludia Sponsaliorum Plantarum“. Er entdeckte die Sexualität der Vegetabilen, die damals noch neu, wenig bekannt und nicht unangefochten war, als grundlegendes ordnendes Prinzip. Mit blumigen Worten beschrieb er, was sich hinter dem Hochzeitsvorhang der Blütenblätter im wohlriechenden Blütenbett so alles zwischen Staubblättern samt Pollen, den männlichen Genitalien, und dem Stempel, dem weibliche Geschlechtsteil, abspielt; je nachdem ob die Pflanze polyamor, also viele Liebhaber habe, oder, mit nur einem Verehrer gesegnet, monogam sei.

Ein Besuch seines Gartens, der heute liebevoll und penibel gepflegt wird, ist nicht nur Zeugnis seiner Forscherleidenschaft, sondern auch Ausdruck seines ästhetischen Willens. Ein Spaziergang durch dieses zauberhaft bepflanzte und gut ausgeschilderte Paradies versetzte mich in eine entrückte Stimmung. Interessant ist auch Linnés angrenzendes Wohnhaus, in dem noch viele originale Einrichtungsgegenstände sowie Kleidung von ihm persönlich und seiner Frau Christina Brodersonia erhalten sind, häufig mit Blumenmotiven verziert.

Carl von Linné haben wir es auch zu verdanken, dass wir als Menschen in der Taxonomie nicht mehr bei den Engeln angesiedelt sind, sondern zu den Säugetieren zählen. Das finde ich einfach großartig und macht ihn mir sehr sympathisch. Ich bin dankbar auf dieser Reise auf seinen Spuren wandeln zu können.

Der Besuch von Schloss Drottningholm am Rande von Stockholm mit seinem streng formalisierten grünen Garten ohne Blühpflanzen bildete einen Kontrapunkt zur farbigen wie insektenfreundlichen Blütenpracht im linnéschen Universum und damit den Abschluss dieses Reisetages.

Iris Pinkepank – ZEIT Reisende

27. Tag | 28.06.2023 • Stadtbesichtigung Stockholm

Von allen Hauptstädten Skandinaviens steht bei mir Stockholm an allererster Stelle. Natürlich ist dies meine subjektive Meinung! Alle ZEIT-Reisenden können sich dem Ende dieser Ostsee-Umrundung selber ein Bild machen. Helsinki haben wir bereits erlebt, Stockholm steht an, in wenigen Tagen erreichen wir Oslo und den Abschluss bildet Kopenhagen. In Stockholm gibt es für mich Altbekanntes wiederzusehen, Veränderungen festzustellen und auch immer wieder Neues zu entdecken. Das Prädikat „Venedig“, aufgrund der schönen Lage am Wasser, nehmen mehrere europäische Städte in Anspruch. Als „Venedig des Nordens“ kann ich diese Bezeichnung für Stockholm nur allzu gerne bestätigen. Die älteren Stadtteile sind auf 14 Inseln gebaut, 57 Brücken verbinden die Inseln, die Häuser stehen auf mächtigen Eichenholzstempeln, die untergetaucht vor dem für sie negativen Luftsauerstoff geschützt sind. Infolge der Landhebung werden diese Holzpfähle mit angehoben, stehen plötzlich frei. Folge sind Schieflagen der Häuser und Risse in den Gebäudefassaden. Nur mit einem riesigen Kostenaufwand kann man neue Stützen aus Spezialbeton integrieren, hydraulische Hebungsmaßnahmen vornehmen und alte Bausubstanzen erhalten.

Unser Hotel, ein historisches Gebäude aus den 1910er Jahren ist nicht davon betroffen und liegt zentral nahe dem Stadtbahnhof. Glück gehabt! Weniger glücklich ist die Zimmergröße. Vom Bett aus erreiche ich mit einem kurzen Handgriff den Schreibtisch und meinen Laptop. Den Koffer geöffnet zu deponieren ist eine kleine Herausforderung. Versuche ich den Sessel geschickt in eine Raumecke zwischen Schreibtisch und Fenster zu platzieren, dann habe ich Platz für das aufklappbare Ständerwerk mit meinem Koffer. Ich entscheide mit diesen Klappständer zusammengefaltet an der Wand stehen zu lassen.

Aber das ist nicht das eigentliche Stockholm. Eine interessante Stadtführung zu Fuß und in unserem ZEIT-Bus mit unserem deutschsprechenden, mexikanischen Guide ist ein Erlebnis. Die enge Gamla Stan erlaufen wir vom Königspalast bis zur deutschen St.-Gertruds-Kirche, gehen durch die engste Gasse Stockholms mit nur 80 cm Breite, sehen wo der Nobelpreis für Literatur ausgelobt wird und stehen auch im Innenhof des Stadtshuset, wo alljährlich in der Blauen Halle das Festessen mit den aktuellen Nobelpreisträgern und der königlichen Familie stattfindet.

Mit dem Bus geht es „hoch“ hinauf auf die Aussichtsterrasse an der Fjällgatan mit einem grandiosen Rundblick auf weite Teile Stockholms. Einst stand hier der Galgen. Heute haben sich in den kleinen Arbeiterhäusern und -wohnungen Künstler niedergelassen. Auch das Kleinste Theater der Stadt befindet sich hier. Wir könnten – auch wenn wir wollten – gar nicht als geschlossene Gruppe hinein. Das Theater verfügt nur über 17 Sitzplätze. Letzter Stopp unseres ersten Teils der Besichtigungstour war dann das Vasa-Museum. Auch wenn man sich hier mehrere Stunden aufhalten würde, die Zeit reicht nimmer alles zu sehen. Prunkstück ist das gigantische, 69 m lange Segelschiff, das bereits bei seiner Jungfernfahrt 1628 nach nur wenigen 100 Metern sank. Zu viele Kanonen auf einem zusätzlichen Kanonendeck, geöffnete Kanonenluken um die Stärke zu demonstrieren, prunkvolle Holzfiguren als Verzierung, unzureichend gesicherte Ladung, volle Takelage, ungünstige Windverhältnisse nach Verlassen des windgeschützten Docks … Den wahren Grund wird man wohl nicht herausfinden. Vielleich waren es auch alle Faktoren zusammen die zu diesem Unglück führten. Für uns und alle Museumsbesucher ein Glücksfall. 1961 hat man das Segelschiff gehoben. Über 90% der Holzsubstanz konnte fachmännisch restauriert und konserviert werden. Dann hat man um das Schiff herum das Museum gebaut. Auch das kurze Leben an Bord wird anhand von Fundobjekten in zahlreichen Vitrinen präsentiert. Und zuletzt ein Film mit einer historischen Animation versetzt den Museumsbesucher in die Zeit des Mittelalters.

Am Nachmittag statteten wir der deutschen Botschaft einen Besuch ab. Natürlich war alles vorbereitet und abgesprochen gewesen. Unsere Gruppe war angemeldet, wir hatten unsere Namen und Personaldaten schon Tage im Voraus an den Sicherheitsdienst der Botschaft weitergegeben. Vor Ort das normale Prozedere: Ausweiskontrolle, Sicherheitsschleuse und Passieren der Durchleuchtungsanlage. Der derzeitige deutsche Botschafter hielt sich zwar – wie alle anderen seiner Kollegen und Kolleginnen – anlässlich der Demokratiewoche in Almedalen auf der Insel Gotland auf, jedoch hat uns die Leiterin der Presseabteilung, Frau Dr. Clarissa Blomqvist, mit einer Powerpoint die politische Landschaft Schwedens, die Beziehungen zu deutschen Firmen in Schweden und die Umweltschutzmaßnahmen sehr eindrucksvoll näher gebracht. Auch das Thema einer Aufnahme Schwedens in der NATO war ein Teil ihres Vortrages. Eine lebendige Fragen-Antworten-Runde beendete dann unseren 1 ½-stündigen Botschaftsbesuch.

Um 19 Uhr setzten wir unser City-Programm fort. Das Dampfschiff SS Stockholm fuhr mit uns drei Stunden lang durch den vor Stockholm vorgelagerten Schärengarten. Dazu gab es ein exquisites 3-Gänge-Menü inclusive eines eindrucksvollen Sonnenunterganges. Besser konnte so eine facettenreiche Stadtbesichtigungstour gar nicht enden.

Wolfgang Pohl – Reiseleiter ZEIT-Reisen „Rund um die Ostsee“

28. Tag | 29.06.2023 • Die längste Tagesroute

Mit einem Frühstart um 8.30 verlassen wir die hektische Millionenstadt Stockholm in südwestlicher Richtung zu unserem längsten Reisetag. Auf der Ausfallstraße fahren wir an zwei kubistisch inspirierten Wohntürme vorbei, markante Kennzeichen für die moderne Hauptstadt.

Stockholm © Michael Finger

Nach einer knappen Stunde erreichen wir das, idyllische Landstädtchen Trosa, Drehort für zahlreiche Inga Lindström Filme. Bei unserem Stadtrundgang haben wir sonniges Wetter und milde Temperaturen und den Fotografen mangelt es nicht an pittoresken Motiven: Schmucke Holzhäuser umsäumt von Rosensträuchern in voller Blüte, schattige Gärtchen mit weißen Möbeln zum Entspannen. Wir können leider nicht lange verweilen, denn der nächste Programmpunkt will angefahren werden.

Eine fast endlose Baumallee, nicht weit neben unserer Landstraße, kündigt bereits den Göta Kanal an. In Motola hält unser Bus unweit des Kanals und wir besichtigen eine fünfstufige Schleusenanlage, die gerade von zwei Freizeitbooten zum Aufstieg in den Vätternsee benutzt wird. Dirk hilft einem der Kapitäne und erfährt dabei, dass es sich bei der Besatzung der Boote um eine norwegische Familie handelt die mit Großeltern, Eltern und Kindern unterwegs ist.

Schleuse © Michael Finger

Der Göta Kanal war bei seiner Erbauung (1810-32) eine technische Großtat. Ohne die Hilfe von Dynamit gruben 58 000 Soldaten einen 87 km langen Graben. Die Gesamtlänge des Kanals von der Ostküste bis nach Göteborg an der Westküste beträgt 190 km. Der Kanal verlor mit dem Aufkommen der Eisenbahn in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts schnell seine wirtschaftliche Bedeutung. Heute ist er eine Touristenattraktion und wird gern mit Paddel- und Kabinenbooten genutzt.

Nach kurzer Weiterfahrt gelangt die Gruppe nach Vadstena, einem beliebten Ferienziel vieler Schweden am Vätternsee. Der Ort ist auch von historischer Bedeutung. Gustav Wasa ließ hier im 16. Jahrhundert eine imposante Wasserburg zur Festigung seiner Macht errichten. Spätere Könige fügten in die Anlage ein Renaissanceschloss ein, womit eine imposante und prächtige Anlage zur Besichtigung einlädt.

Bereits vor der Errichtung der Wasa Dynastie hatte der Ort durch eine Frau europäische Bekanntheit als Pilgerstätte erlangt. Im 14. Jahrhundert hatte die »Heilige Birgitta« durch die schriftliche Verbreitung ihrer Marienvisionen in ganz Europa großen Widerhall gefunden. Sie war in vieler Hinsicht eine ungewöhnliche Frau, die zunächst vor allem als Gründerin des Ordens der Birgittinnen bekannt wurde, der sich um die Armen und Kranken kümmerte. Sie war auch politisch auf höchster Ebene tätig. So vermittelte sie Friedensverhandlungen im Hundertjährigen Krieg und fungierte als Berater des in Avignon residierenden Papstes.

Nach Wikipedia beeinflusste sie auch die europäische Malerei, da ihre schriftlich verbreiteten Marienbeschreibungen  bedeutende Maler zu einer veränderten Mariendarstellung führte. Dank Birgitta kniete jetzt Maria mit langem blonden Haar vor einem nackten Christuskind und die Hirten mit Ochs und Esel werden in den Hintergrund versetzt. Ihr Kloster in Vadstena wurde von Gustav Vasa aufgehoben. Neben spärlichen Ruinen erinnert heute ein Birgitta Convent Museum an diese ungewöhnliche Frau.

Motola und Vadstena waren Abstecher ins Landesinnere und wir machen uns auf den Weg zurück zur Ostseeküste: Die Strecke von Vadstena über Vimmerby nach Kalmar führt uns durch eine der lieblichsten und abwechslungsreichten Landschaften Schwedens. Dieser Teil Östergörlands ist die Heimat von Pipi Langstrumpf und der Kinder von Billerbü. Astrid Lindgren ist hier geboren und wir erweisen der Kinderbuchautorin unsere Referenz durch einen Kurzbesuch der »Astrid Lindgren-Erlebniswelten« in Vimmerby. Die Fotografen suchen ihr Geburtshaus oder Wohnhaus, andere Andenken für die Enkel im Souvenirladen.

Astrid Lindgren ist nicht die einzige Bewohnerin der Region, die zur weltweiten Berühmtheit gelangte. Aus der langen Liste der Namen die Wolfgang aufführte blieb mir jedoch nur die Gruppe Abba und der Gründer von IKEA, Ingvar Kamprad, in Erinnerung.

Gegen Abend erreichen wir die Provinz Smaland und bei Alem die Ostseeküste. Wir umfahren Kalmar und überqueren den Kalmarsund über die fast 7 km lange Ölandbrücke. In Färjestaden erreichen die ermatteten Reisenden gegen 18.30 Uhr das Hotel Skansen. Erstmalig auf unserer Reise erhalten wir vor unserem Abendessen ein Glas Sekt als Willkommensgruß des Hauses spendiert. Da auch das Abendessen den gehobenen Ansprüchen der Reisenden vollauf gerecht wird, vergebe ich gerne Extra-Bonus Punkte an das Skansen Hotelmanagement.

Michael Finger – ZEIT-Reisender

29. Tag | 30.06.2023 • Kalmar – Öland

Abfahrt gegen 9:40 Uhr bei diesigem Wetter und der Empfehlung, auf Regenkleidung nicht zu verzichten. Die Fahrt geht zurück nach Kalmar über die 6 km lange Ölandbrücke, die nur für Kraftfahrzeuge zugelassen ist. Fußgänger und Fahrradfahrer können/müssen den Bus oder die Fähre wählen. Schiffe können die Brücke auch kreuzen: dafür wurde auf Kalmarer Seite ein Brückenbogen eingebaut. Das finde ich praktisch. Sieht auch schicker aus als eine einfache mit dem Meeresspiegel ebene Brücke. Die Einfahrt in Kalmar ist auf der Attraktivitätsskala mit viel Platz nach oben zu bewerten.

Oelandbruecke
Ölandbrücke © Dirk Störtenbecker

Die Bewertung der anschließend besichtigten Gebäude und Areale ist jedoch häufig oben anzusetzen. Sehr nahe dem zentral gelegenen Marktplatz ist ein Caravan-Stellplatz mit 13 von 13 belegten Plätzen. An zwei gegenüberliegenden Seiten sind kleine Gebäude vorhanden, die anderen beiden Seiten des Stellplatzes bilden die Straße und eine Baustelle, mit der wahrscheinlich der Stellplatz erweitert werden soll. Zurzeit also als wenig attraktiv zu bewerten. Ab nun steigt aber die Attraktivität: Unser weiblicher Guide Babette führte uns zuerst am Wasser entlang. Mit einem Blick übers Wasser ans gegenüberliegende Ufer mit den Neubauten und sehr teuren Wohnungen kam der Hinweis: da bläst es sowieso immer stärker. Etliche zwischen 1650 und 1800 gebaute Holzhäuser sind heute noch bewohnt, aber nicht alle sind für die heute etwas größeren Leute gedacht. Aber sehr gemütlich und gut gepflegt sehen sie aus. Bei den meisten Häusern wurden hinter den Einfachglasfenstern noch je ein Fenster dahinter im Abstand von ca. 10 cm eingebaut. Diese Kombination nennt sich Kastenfenster. Dazwischen finden dann etliche schöne Dinge Platz.

Die Grundmauern des Domes sind aus größeren Felssteinen aufgebaut, die Lücken wurden mit kleineren, backsteinförmigen Natursteinen geschlossen – ein schöner Anblick. Nach der Zerstörung des Domes konnte nur die Kanzel gerettet werden, um die der neue Dom gebaut wurde. Heute hat der Dom drei Orgeln, die wir nicht in Aktion gehört haben. Der Weg führt an etlichen Geschäften, Läden und Restaurants vorbei. Es gibt hier nur ein Geschäft, das Alkohol verkaufen darf! Ein Stück weiter dann eine Bäckerei mit den – laut Babette – besten Zimtschnecken ever. Auch Zimtschnecken mit Kardamom statt Zimt sind im Angebot. Folge dieser Aussage war eine spontane Belagerung des Tresens von „Mormors“.

Ob Zimt, ob Kardamom, jeder gerne eine süsse Schnecke nimmt
bisschen Knete über den Tresen bringt die Leckerei bestimmt
Jedoch muss man doch mal ein kleines Geheimnis lüften
Das meiste der Schnecken geht auf die eigenen Hüften.

Dirk Störtenbecker

Frisch gestärkt und Babettes Aussage nicht dementierend ging es zu TrippTrappTrull. Eine kleine Ansammlung von 3 Häusern, die sich aneinanderschmiegen und von rechts nach links deutlich kleiner werden. Zwischen den Bauterminen soll je ein Jahrhundert liegen… Kritisch gedacht könnte es mit heutigen Antragsformularen, Statik-Berechnungen, Fachkräfte- und Materialmangel, Nachbesserungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen hinkommen, aber damals…? 

Wir folgen Babette durch eine ca. 20 m dicke Stadtmauer, die 2 Tore hat. Dazwischen gab es Vorrichtungen, durch die heißes Teer auf die Eindringlinge (damit waren die Dänen gemeint) gegossen werden konnte. Über eine Brücke kommen wir in einen Park, der schon mal zum schönsten von ganz Schweden erkoren wurde. Der Spender dieses Parks kam als armer Mann nach Kalmar und starb als reichster Mann von Kalmar.  Wir folgen Babette  durch  schmale Straßen mit schönen Holzhäusern, gemütlichen Gärten und einigen Spiegeln außen an den Fenstern, mit denen man/frau von innen die Straßen einsehen konnten/können, vorbei an einem Garten mit zwei kleinen, Falun-roten Häusern, in denen die Kinder erst in schreiben und lesen, dann weiterführend unterrichtet wurden. Es folgte ein kurzer Besuch im Krusenstiernska Gården und sind kurz darauf in den Rosenträdgårdens Spielgrund, der mit Sportgeräten und sehr schönen blühenden Beeten ein freundliches Lächeln ins Gesicht zaubert…

Nahe dem Schloss steht ein großer Maronenbaum, dem es hier im milden Klima recht gut geht. Auch der Büste von Gustaf Eriksson Wasa geht es hier nahe dem Schloss recht gut. Hier vor dem Schloss verlässt uns Babette und wir gehen in Selbstbestimmung durch das von Wasser umgebene Schloss. Räume mit Betten, bunten Decken, geöffneten Fenstern mit Blick über Kanonen in die Ferne und auch mit einem gedeckten Esstisch, auf dem ein ausgestopfter Pfau und ebensolcher Schwan sich zwischen den Gerichten befinden. Ein größerer Raum ist zu einer Kirche ausgebaut. In einem weiteren Raum fand eine Ausstellung zu Monet statt, die ungewöhnlich schön ablief. Zu klassischer Musik wurden auf mehreren Leinwänden Monets Bilder in bewegter Form und wunderbar bunt eingespielt. Zwischendrin war es mal dunkel und einzelne – auch im Boden und an der Decke – Leinwände zeigten dann langsam aufbauend die schönen Bilder.  Ein tolles Erlebnis, leider drängte die Weiterfahrt…. Nach einem schnellen Rundgang außen um das Schloss bei Nieselregen, vorbei an einem großen TicTacToe-Spiel, das auf Benutzung wartet, geht es mit dem Bus zurück ins Hotel.

Dann um 14:30 Uhr weiter zu einem Runenstein mit rot bemalten Riefen, die die Runenschrift deutlich erkennen lassen. Mit einem kompakten Vortrag von den Runen über die Wikinger, dem Vergleich mit der Keilschrift, Eric dem Roten samt Grönland, Ausgrabungstechniken im Vergleich Laie und Fachmann, der chinesischem Terrakotta-Armee, die durch Überdachung zu einem Museum geworden ist, und der Entdeckung Amerikas durch Erics Sohn Leif Ericsson erstaunt uns Wolfgang mit der Möglichkeit, in wenigen Minuten durch die Welt zu „reisen“. Die Weiterfahrt zum „Langen Jan“, dem Leuchtturm an der Südspitze der Insel, zeigt eine Menge Steinmauern aus gestapelten Kalksteinplatten von ca. 5-7 cm Stärke und ca. 40-50 cm Breite, die sowohl Felder als auch Häuser und sonst was voneinander trennen. Zu Jan fahren wir oben auf der Pultscholle (tektonisch angehobenes Kalkgestein) durch ein fast nicht enden wollendes Dorf mit je einer Zeile Häuser links und rechts. Der Lange Jan begrüßt uns mit einer kleinen steifen Brise Wind, Kühen und Schafen und Gras und am Wasser mit einer großen Anzahl an kleinen Miesmuschelschalen und einer Menge Tonschiefersteinen, die sich augenscheinlich hervorragend zum „flitschen“ eignen sollten. Flitschen meint das Werfen eines flachen (ca. 0,5 – 1cm) Steines (ca. 4-6 cm Durchmesser, mit leicht abgerundeten Kanten) ganz flach auf die Wasseroberfläche, so dass dieser etwa 5-8 mal die Wasseroberfläche vor dem entgültigen Versinken berührt. Einige Musterexemplare finden den Weg in die Tasche, um die Vermutungen an einem ruhigen Gewässer Gewissheit werden zu lassen.

Vor meinem geistigen Auge trifft Stein für Stein optimal auf die glatte Wasseroberfläche und verschwindet – eine Spur aus Ringwellen hinterlassend – aus dem Sichtfeld…

Dirk Störtenbecker – ZEIT-Reisender

30. Tag | 01.07.2023 • Öland – Karlskrona

Nachdem wir pünktlich das schöne Hotel auf Öland verlassen haben, beobachtete ich etwas, das mich nicht direkt erfreut hat. In einem einsehbaren Garten saßen zwei ältere Herren. Ich nehme an, dass sie unser deutsches Kfz-Kennzeichen bemerkt hatten. Auf alle Fälle zeigten sie uns den „Hitlergruß“. Bei mir hat diese Geste Gefühle wie Entsetzen, Wut aber auch Traurigkeit ausgelöst, auch darüber, dass man solchen willkürlichen Aktionen ausgesetzt ist. Ich persönlich kann so locker nicht darüber hinwegsehen! Meine Sorge, dass sich das „rechte“ Gedankengut festigt und an Fahrt aufnimmt, wird durch solche Erlebnisse untermauert. Dabei frage ich mich wieder, wieviel kann eine Demokratie ertragen und dabei noch stabil bleiben?

Im Weiteren bekommt dann Jens von einem Autofahrer im Kriechgangmodus noch den „Stinkefinger“ gezeigt, während er ihn überholt. So ganz „hygge“ sind sie nun doch nicht immer, die Schweden!

In Karlskrona angekommen, besichtigten wir die Admiralskirche von außen. Eine Innenbesichtigung war nicht möglich. Eine reizende Skulptur „Nils Holgerson entspringt dem Buch“ säumte unseren Weg zur Kirche. Fast jeder kennt die Geschichte von Selma Lagerlöf über die wunderbare Reise des kleinen Nils mit den Wildgänsen durch Schweden. Die Besichtigung des Marinemuseums haben sich mein Mann und ich gespart, da wir ein italienisches Café entdeckten. Wir genossen einen phantastischen Cappuccino.

Auf der Fahrt nach Lund besuchten wir ein Steinkistengrab aus der Bronzezeit. Anschließend ging´s dann weiter zum südlichsten Punkt Schwedens. Während der Busfahrt erhielten wir viel Input von unserem Reiseleiter, dem Paläoanthropologen. Das war natürlich alles sehr aufschlussreich und interessant, mitunter wird aber meine Informationsverarbeitungskapazität überfordert. Immerhin, gewisse Kernaussagen der Geologie und Anthropologie habe ich verinnerlicht – zuhause werde ich dann nachlesen und meinen Wissenshorizont erweitern.

Die Fahrt der Ostsee entlang war beeindruckend, zumal sie sich nicht so sanft, sondern eher wild zeigte. Wolfgang unser Reiseleiter trug noch ein Gedicht vor:

Der Kabeljau

Das Meer ist weit, das Meer ist blau,

im Wasser schwimmt ein Kabeljau.

Da kommt ein Hai von ungefähr,

ich glaub von links, ich weiß nicht mehr,

verschluckt den Fisch mit Haut und Haar,

das ist zwar traurig, aber wahr

Das Meer ist weit, das Meer ist blau,

im Wasser schwimmt kein Kabeljau.

Heinz Erhardt

In Lund angekommen, konnte ich auf einen wunderbaren und facettenreichen Tag zurückblicken. Vielen herzlichen Dank!

Mag. Michaela Nißl-Gambihler – ZEIT-Reisende

Ps. Der Kabeljau ist der am häufigsten vorkommenden Fisch in der Ostsee. Frage: wer ist der Hai?

31. Tag | 02.07.2023 • Der Beitrag erscheint bald…

32. Tag | 03.07.2023 • Von Götheburg nach Oslo

Alle Reiseteilnehmer waren pünktlich, sogar die sportliche Victoria. Und der Regen auch.

Danke Jens! © Régine

Wir fuhren von Göteborg nach Oslo am Ostrand einer tektonischen Linie die vom Oslo Graben bis zum Mittelmeer führt. Auf halber Strecke befindet sich Tanungshede, eine Siedlung aus der Bronzezeit. Dort wurden über 10.000 Felsritzungen entdeckt, die Aufschluss über das religiöse und soziale Leben geben. Die Gravuren stellen Schiffe mit Besatzung dar.

Am Svinesunsbron haben wir Schweden verlassen, das Rosagranit, die 7.600 Km lange Küste, seine 10.452.326 Einwohner, seine 221.800 Inseln. Es war sehr schön da.  Jetzt haben wir das Land der Trolle betreten: Norwegen, wo das Bier in Europa am teuersten ist. 

Die Reise ging nach Oslo, wo wir als erstes den Vigelandpark bewundert haben. Seine zahlreichen Statuen stellen den Wirkungskreis der Menschen nach. Sie sind alle nackt dargestellt, um zu demonstrieren, dass wir bei der Geburt alle gleich sind.

Der Bus hat uns anschließend zur meist besuchten Attraktion Oslos geführt: Holmenkollen, wo sich eine sehr bekannte Sprungschanze befindet. Da sind fünf mutige Mitreisende in einen Skisimulator eingestiegen.

Ski-Simulator © Régine

Schließlich in der Hotellobby angekommen, hat uns die Obrigkeit wie üblich die Zimmerkarten verteilt und das nächste Programm angekündigt. Wolfgang, vielen Dank  für dein Engagement, deine Begeisterung, deine Geduld und die liebevolle Betreuung.

Ein Bussi an euch alle. Ihr seid eine (zu) brave, rücksichtsvolle Gruppe. Es waren 35 angenehme Tage mit sehr viele neuen Eindrücken, Erfahrungen und Erlebnissen.

Régine – ZEIT-Reisende

33. Tag | 04.07.2023 • Stadtbesichtigung Oslo

Als 5. Hauptstadt nach Riga, Tallinn, Helsinki und Stockholm steht nun die norwegische Hauptstadt Oslo auf unserem Programm. Für mich ist es die Stadt der Künste und Künstler. Eindrucksvolle sakrale Malereien, weltberühmte Werke von namhaften Künstlern, Flachreliefs zur nordischen Mythologie sowie einzigartige, architektonische Prunkbauten bestimmen das optische Erlebnis.

Über Nacht hat es stärker geregnet, doch als wir unseren 3-stündigen Stadtrundgang antreten, war uns Petrus wohlgesonnen: graue Wolken bedecken den Himmel, aber es bleibt von oben trocken. Nur wenige 100 Meter von unserem zentral gelegenen Hotel entfernt, erreichten wir als erstes Ziel den Osloer Dom, eine mächtige Backsteinkirche aus dem Jahre 1697. Es ist das dritte Sakralgebäude an dieser Stelle. Die anderen beiden Vorgängerkirchen fielen einem Brand zum Opfer.

Eigentlich müsste man bei der Innenbesichtigung bereits am Eingang eine Tube Salbe gegen Verspannungen der Nackenmuskulatur erhalten. Der sakrale Innenraum ist beeindruckend. Die Glasmalereien stammen von Emanuel Vigeland, dem Bruder des uns inzwischen gut bekannten Künstlers Gustav Vigeland. Aber die relativ neuen, sehr aufwendig gestalteten Deckengemälde lassen einen immer wieder und wieder nach oben schauen. Je länger man nach oben blickt, umso mehr Details fallen auf, die hier der Künstler Hugo Lous Mohr in den Jahren von 1936 bis 1950 an der Decke im Längs- und in den beiden Querschiffen untergebracht hat. Wie bereits angedeutet: Eine Belastbarkeitsprobe der Nackenmuskeln! Ob hier vielleicht der kleine „Teufel von Oslo“ im unteren Teil der Turmecke seine Finger im Spiel hat?

Über die Prachtstraße Karl Johans gata, vorbei am Parlament und am Nationaltheater, erreichten wird das Osloer Rathaus, einen mächtigen Ziegelsteinbau mit zwei kompakten Türmen, alles beeinflusst im Stil der Nationalromantik. Der Zugang zum Eingangsportal wird flankiert durch Arkaden mit 16 farbigen Holzreliefs. Sie präsentieren eindrucksvoll die nordische Mythologie und zeigen Szenen aus der Edda-Sage, u.a. Odin auf seinem achtfüßigen Pferd, Thor auf seinem mit Ziegen bespannten Streitwagen, die drei Wallküren u.v.m. Im Inneren des Rathauses dominieren in der großen Halle und in den Festsälen der ersten Etage riesig große Ölgemälde zur Geschichte, Kunst und Kultur Norwegens. Alljährlich wird hier der Friedensnobelpreis verliehen.

Mit einem Abstecher durch die Fortanlage Akershus endete der Stadtgang beim neuen Opernhaus. Seit 2008 ist dieser architektonische Blickfang die Spielstätte der Norwegischen Oper. Das einem treibenden Eisberg nachempfundene Gebäude erstrahlt gleißend weiß in geflammtem Carrara-Marmor. Besonders faszinierend ist, dass man das Dach begehen kann. Für mich als Hobby-Fotograf ein Eldorado für außergewöhnliche Perspektiven und Spiegelungen.

Der Nachmittag stand dann zur freien Verfügung. Mich führte der Weg in das nahegelegene, im Jahre 2021 eröffnete Munch-Museum. Hier traf ich einen Großteil unserer ZEIT-Reisenden wieder, die sich ebenso wie ich auf den Spuren des norwegischen Malers Edvard Munch, dem Bahnbrecher für die expressionistische Kunstrichtung, begaben. Architektonisch ist das anthrazitfarbene, 13-stöckige Gebäude mit seiner zum Hafenbecken geneigten, durch Lamellen strukturierten Glasfassade, ein weiterer Blickfang. Es passt in das Gesamtkonzept der Osloer Stadtplaner ein künstlerisch und architektonisch aufwendiges Ensemble von Opernhaus, Deichman-Bibliothek, Munch-Museum und dem Barcode-Komplex aus Büro- und Wohnhäusern im Stadtviertel Bjørvika zu errichten. Ein Schelm wer hierbei Böses denkt, betrachtet man den Gesichtsausdruck von Munch’s „Der Schrei“, und bringt dieses mit den entstandenen (Mehr-)Kosten in Verbindung.

Die nächsten Tage erscheinen bald…

36. Tag | 07.07.2023 • Kopenhagen entdecken

Tag beginnt für mich mit einer Laufrunde durch das noch menschenleere Nyhaven, entlang des Amalienhafens und zur Kleinen Meerjungfrau im Park von Kastellet. Es ist eine wunderbare Morgenstimmung und der Tag schon jetzt für mich „auf der Habenseite“.

Morgenstimmung © Daniela Fiedler

Nach dem Frühstück gings mit unserem Bus in die Innenstadt zum Vergnügungspark Tivoli, wo wir unsere Stadtführerin Winnie trafen. Zu Fuß führte sie uns 3 Stunden durch die Stadt und so flott wie ihr Name klingt, war die Tour leider nicht.

Wir erfuhren immerhin, dass die Drachenschwänze, die sich um den Turm der Alten Börse winden, dem Feuerschutz dienten, was offenbar gewirkt hat. Und dass sich im Schloss Christiansborg heute der Sitz des Parlaments, des Obersten Gerichts, des Ministerpräsidenten und die Empfangsräume des Dänischen Königshauses befinden.

Christiansborg © Daniela Fiedler

Bei einem kleinen Abstecher in die Geschichte des Schlosses erfreute sich Winnie an einer Anekdote über den kränklichen König Christian VII, der sich den deutschen Arzt Struensee als Leibarzt an den Hof holte. Dieser kümmerte sich nicht nur um die Gesundheit des Königs, sondern auch um seine junge Frau Caroline Mathilde, die an ihm Gefallen fand. Aus ihrer Liebesbeziehung ging wohl Louise Auguste hervor, offiziell war sie aber eine Tochter des Königs.

Länger verweilten wir auf dem Platz von Schloss Amalienborg, das aus vier prächtigen Rokoko Gebäuden besteht, von denen eines von der Königin in den Wintermonaten bewohnt wird. Da weder die Königin, noch ein Mitglied der Königsfamilie anwesend war, gab es um 12 Uhr nur eine „kleine“ Palastwachablösung. Obwohl wir bis wenige Minuten vorher anwesend waren und sich bereits eine Menschentraube versammelt hatte, ließ uns Winnie weiterziehen. Vielleicht haben wir etwas Interessantes versäumt? Die langatmigen Ausführungen von Winnie auf dem Schlossplatz waren es jedenfalls nicht.

Wieder mit unserem Bus fuhren wir zum Kastellet Park und besuchten die Kleine Meerjungfrau, eine Sitzfigur auf einem Findling im Wasser, die ihr Vorbild in dem Märchen von Hans Christian Andersen hat. Wie ihr Schicksal ist ihr Blick sehr traurig. Im Gegensatz zum morgendlichen Besuch war sie von Besuchern geradezu um wimmelt. Da half nur eine zügige Flucht zurück zum Bus.

Am Nachmittag konnten wir Kopenhagen nach eigenem Gusto selber erkunden. Ich stellte allerdings fest, dass die Fußgängerzone total überlaufen war, was wohl an der Ferienzeit und am guten Wetter lag. So hinterließ die Stadt keinen so positiven Eindruck wie ich es erwartet hatte.

Positiv erfreut haben mich die vielen Radwege und Fahrradfahrer und die großzügigen Parkplätze für Räder. Da ist Kopenhagen deutschen Städten um einiges voraus und wird vielleicht die erste komplett autofreie Stadt Europas werden.

Ein Highlight erwartete uns noch: Unser Abendessen im Restaurant Meyers, das im Turm von Schloss Christiansborg liegt. Nach einer Sicherheitskontrolle wegen der Lage im Parlamentsgebäude erreichten wir mit dem Aufzug die Aussichtsplattform und konnten den Blick über die Stadt in alle vier Himmelsrichtungen genießen. Das Restaurant in einem großen, hohen Raum des Turmes mit imposanten Rundbogenfenstern ist an sich schon den Besuch wert. Gesteigert wird unser Genuss durch ein sehr leckeres Essen. Satt und glücklich bummeln wir zurück zum Hotel.

Daniela Fiedler – ZEIT-Reisende

37. Tag | 08.07.2023 • Kopenhagen – Fehmarn – Hamburg

Auf den letzten Kilometern in Richtung Heimathafen Hamburg, begleitete uns folgender Shanty:  

“Rolling home, to good old Hamburg, rolling home, min Deern to di”. 

Forebitter-Shanty, 19. Jahrhundert

Wir sind wieder vollständig im Bus. Helga hatte gestern ihre im Stockholmer Hotel im Safe vergessenen Wertgegenstände per Bahn abgeholt. Die letzten Vorbereitungen zum Reiseende sind beendet – etwas Wehmut über das Ende der Reise kehrt ein. Adressen werden ausgetauscht, Verabredungen getroffen.

Aber auch am letzten Tag gibt es außer der Fährfahrt noch eine Besichtigung am äußersten Ende der Insel Mon: Die mehr als 100 Meter hohen Kreidefelsen von Mons Klint. Über 150 Treppenstufen geht es runter zum Strand und für die meisten etwas langsamer wieder hoch.

Abends lassen wir uns in einem edlen Restaurant in der Hamburger Speicherstadt verwöhnen. Und freuen uns schon auf unser letztes Frühstücksbuffet im Hotel.

Auf Jens Kilometerzähler waren insgesamt 9.351 km für unsere Reise summiert (DE: 614 km, PL: 934 km, Lit: 700 km, Let: 225 km, Est: 720 km, Fin: 1985 km, Swe: 2.881 km, Nor: 475 km, DK: 817 km). Die privaten Schrittzähler zeigten mehr als 11.000 Schritte pro Reisetag an.

Sigrid & Walter Piletzky – ZEIT-Reisende