Reisetagebuch: Im ZEIT-Bus rund um die Ostsee

38 Tage, neun Länder, ein großes Abenteuer

Seit Tausenden von Jahren ist die Ostsee das Herz Nordeuropas und Zentrum des Austauschs von Waren und Wissen, Ideen und Kulturen – aber auch Schauplatz von Kriegen des Ringens um die Vorherrschaft rund um das Mare Balticum. Der Wandel der Welt in dieser Region ist somit auch das perfekte Thema unserer neuesten Expedition mit dem ZEIT-Bus. Zwei Busse mit insgesamt 40 Teilnehmern sind seit Anfang September mit zwei Tagen Abstand auf ihre Reise entlang der Ostseeküste gestartet, die sie in 38 Tagen über Polen, das Baltikum und durch Skandinavien führt. In diesem virtuellen Reisetagebuch, das von den Gästen beider Busse gemeinsam geschrieben wird, berichten sie in Wort und Bild von unterwegs. Gerne laden wir Sie ein, unsere Gäste aus der Ferne zu begleiten, wobei zu beachtet ist, dass alle Blogeinträge individuelle Einschätzungen des jeweiligen Verfassers sind.
Unter kundiger Leitung fahren die ZEIT-Reisenden durch acht Länder. Unterwegs steigen ZEIT-Redakteure, Korrespondenten und weitere Experten zu. Sie sorgen für den geistigen Überbau und berichten im ZEIT-Bordprogramm über Hintergründe und die Geschichte des Kulturraums Ostsee – von der ersten Besiedlung über die Beutezüge der Wikinger und der Hochzeit der Hanse bis zur aktuellen Lage im gemeinsamen Europa. In den größeren Städten erwarten die Reisenden erfahrene Stadtführer zu spannenden Rundgängen. Sie begegnen unterwegs Menschen, die für neue Entwicklungen stehen und sie für ihre Heimat begeistern möchten. Und sie erfahren neben einem riesigen Kulturraum in all seinen Facetten fantastische Landschaften in ihrer berauschenden Schönheit – von steilen Küsten in Mecklenburg über die Kurische Nehrung bis zu herrlichen Schärengärten in Finnland, Schweden und Norwegen.


Die ZEIT-Reisenden starten nach dem Abschiedsempfang bei der ZEIT in Hamburg in ihrem maximal komfortablen Reisebus mit großem Sitzabstand zur ersten Etappe nach Lübeck. Über die Hansestädte Wismar und Stralsund führt die Reise sie nach Usedom und Kolberg ins traumhaft schöne Danzig. Marienburg, Nikolaiken und Frauenburg, wo Kopernikus lebte und arbeitete, liegen auf der Strecke nach Kaunas in Litauen, wohin sie anstatt nach Königsberg fahren. Anschließend erkunden sie Nida und die Kurische Nehrung und erreichen mit einem Zwischenhalt in Klaipeda das lettische Riga. Die nächste Station ist die idyllische Insel Saaremaa in Estland mit dem Kurort Kuressare. Mit Tallinn lernen sie dann die estnische Hauptstadt kennen. Sie besichtigen diese interessante Stadt, bevor sie auf die Tagesfähre nach Helsinki steigen. Hier wartet dann ein zweitägiger Ausflug in die finnische Seenplatte und nach Lahti auf sie. Von Helsinki geht es über Pori nach Vaasa im Bottnischen Meerbusen und in den Norden nach Finnisch Lappland. Schwedische Holzhäuser erleben sie in Skelleftea. Durch das Gebiet Höga Kusten gelangen sie nach Sundsvall, und nach der Besichtigung des Doms von Uppsala steht Stockholm auf dem Programm. Über Kalmar, Malm. und Kopenhagen, Göteborg und Oslo schließt sich über Lolland und Fehmarn ihr baltischer Kreis mit einem großen Abschiedsabend nach der Ankunft in Hamburg.

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~ Bernd Loppow, Gründer und Programmleiter von ZEIT REISEN
Inhalt

Tage 1 + 2: Hamburg, unsere erste Hansestadt | Start bei der ZEIT

Am 8. September 2021 morgens um halb elf ist ein großes Stück Normalität in die Welt von ZEIT REISEN zurückgekehrt: Nach Wochen und Monaten der Vorbereitung, des Hoffens und Bangens, ob wir wirklich losfahren können, sind 24 ZEIT-Reisende in bester Stimmung und bei herrlichem Sonnenschein nach der Verabschiedung vor dem ZEIT-Verlagshaus in Hamburg zu ihrer 38-tägigen Expedition im ZEIT-Bus rund um die Ostsee gestartet. Und nur Tage später an selber Stelle Bus Nummer 2 mit noch einmal 16 Gästen.

Schon einen Tag zuvor waren die Gäste des ersten Busses nach Hamburg angereist ins Hotel Le Meridien an der Alster. Schon zur Begrüßung eine großes Hallo im Hotelfoyer, trafen doch alte Bekannte unserer Busreisen von Hamburg nach Shanghai oder zurück aufeinander und auf ihren allseits hochgeschätzten Reiseleiter Wolfgang Pohl, der die erste Gruppe um die Ostsee geleitet. Erster Programmpunkt der Reise um die Ostsee ist eine Stadtrundfahrt durch Hamburg. Als alte Hansestadt und ewige Rivalin von Lübeck ist sie aus dem Themenbogen der Hanse, der sich um die ganze Ostsee spannt, nicht wegzudenken. Und niemand wäre für die Ouvertüre in der Heimat der ZEIT besser geeignet als Tomas Kaiser, unser genialer Hamburgführer…

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Am »Alten Lotsenhaus« in Hamburg treffe ich Tomas und die begeisterte Gruppe wieder – zu einem wunderbaren maritimen Viergang-Dinner direkt am Elbufer in Övelgönne. Ein herrlicher, stimmungsvoller Abend, an dem auch unser Busunternehmer Christian Peschke aus Kiel und Jens Blohm, der Busfahrer der Rundreise, teilnehmen. Seit wir 2016 mit unseren Fernbusexpeditionen nach Shanghai gestartet sind, sorgt Christian Peschke mit seinem Team von »de Kieler« für den perfekten, komfortablen und unfallfreien Transport. Auch diesmal sind die Gäste wieder verblüfft, vom großzügigen Raumangebot des ZEIT-Busses. Wie immer wurde jede zweite Sitzreihe ausgebaut und ersetzt durch eine eigens für ZEIT REISEN angefertigte Tisch-Schrank-Kombination, die anstatt des Sitzmoduls eingesetzt wird. »Toll, fast wie in der Business Class«, lobt einer der Gäste spontan. Spätestens nach der sehr launigen Vorstellungsrunde im Lotsenhaus ist klar, das auch diese ZEIT-Gruppe wieder zu einer verschworenen Einheit werden wird. Das gilt in gleichem Maße für die zweite Reisegruppe, die am 9. September einen ebenfalls perfekten herrlich lauen Sommerabend mit Dinner unter freien Himmel mit der Elbe fast zum Greifen nah erlebt.

Am nächsten Morgen wird das Gepäck verladen und der Sitzplatz für die ersten zehn Tage zugewiesen. Insgesamt dreimal wird rotiert, damit jeder Gast mal auf jeder Seite des Busses sitzt, mal im vorderen Bereich und auch mal hinten. Los geht’s dann erstmal nur ein Stück – bis zum Helmut-Schmidt-Haus in Hamburg, wo die Gruppe vom ZEIT-REISEN-Team mit Sekt und Brez’n begrüßt und verabschiedet wird.

Die erste Strecke führt gemächlich nach Lübeck ins ehemalige Zentrum der Hanse – auf der B 75, auf deren Route bereits vor 1.200 Jahren die Ochsenkarren zwischen Elbe und Trave unterwegs waren.

Einer ausführlichen Stadterkundung durch die Welthauptstadt des Backsteine folgt ein äußerst genussreicher Besuch bei Niederegger, der natürlich mit einem Stück Lübecker Marzipantorte beginnt. Anschließend lernen wir staunend kennen, wie das Marzipan bis heute in Familientradition und die einzelnen Produkte teilweise in filigraner Handarbeit hergestellt werden. Den ereignisreichen Tag beschließen wir, umringt von Miniaturen hanseatischer Koggen und anderen historischen Schiffsmodellen, mit einem stilvollen Abendessen in der Schiffergesellschaft im Zentrum der Lübecker Altstadt. Hier trafen sich bereits vor über 600 Jahren Kapitäne, Matrosen und andere Seeleute, um sich von ihren großen Abenteuern auf der Ostsee und den Weltmeeren zu berichten. Kein schlechter Ort, um uns heute Nacht in unseren Träumen für unsere Erlebnisse in den kommenden fünf Wochen inspirieren zulassen.«

~ Bernd Loppow, Gründer und Programmleiter von ZEIT REISEN

 

Tag 3: 9. September, Lübeck – Wismar – Stralsund

Mit blinzelnden Augen blicke ich am Morgen schlaftrunken durch mein Hotelzimmerfenster auf das Lübecker Stadtpanorama mit seinen vielen Türmen, welches sich bei blauem Himmel direkt hinter der träge vorbei fließenden Trave vor uns ausbreitet. Liegt das jetzt am gestrigen Hausbier bei der Schiffergesellschaft oder warum erscheinen die beiden Türme der vor mir liegenden Marienkirche ungleich lang? Hat mir da gestern Abend auf dem Heimweg eventuell jemand einen gewaltigen Bären aufgebunden? Bevor ich das richtig für mich klären kann, sind wir bereits unterwegs.

Ein letzter Blick auf die dickbäuchige Kogge im Hafen und schon macht sich unser schwarzes Gefährt mit einer vorfreudig gestimmten Gästeschar an Bord gen Wismar auf und davon.

Prof. Martin Krieger, der gestern zugestiegen ist, nutzt die Fahrtzeit, um uns weiter äußerst lebendig sowohl mit der sanft geschwungenen, abwechslungsreichen Landschaft Mecklenburgs (mit lang gesprochenem e, wie wir lernen) vertraut zu machen, als auch weiter in die reformatorischen Strömungen und Entwicklungen einzuführen, die die Bedeutung, Aufstieg und/oder Niedergang der Städte und Räume während des Mittelalters mit verständlich machen. Eine angenehme Vertiefung in die Materie…

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Die Landeshauptstadt Schwerin liegt mehr oder weniger am Weg; daher stoppen wir für Erinnerungsfotos am mächtig herausragenden Sitz des Landtages, dem Schloss von Schwerin als Beispiel für den Romantischen Historismus (wer´s mag), bevor sich die Hansestadt Wismar endlich bei sommerlichen Temperaturen von 26° C vor uns ausbreitet.

Herr Hase, ein waschechter „Wismer“, führt uns mit großer Sachkenntnis und eingestreuten Lokalanekdoten durch die Entwicklungen des 12. Jahrhunderts seit der Gründung der Stadt, über den 30-jährigen Krieg hinaus, als die Schweden die Stadt besetzten, bis zum Ende des 2. Weltkrieges mit all den bekannten fatalen Folgen. Was nach der Wende daraus gemacht wurde, können wir natürlich nicht direkt vergleichen, spüren aber am Stolz in der Stimme von Herrn Hase während der Stadtpräsentation, dass doch einiges richtig gut gelaufen ist.

An einem der größten Marktplätze Norddeutschlands zeigt sich die architektonische Vielfalt der vorwiegend gotisch geprägten Backstein-Giebelfronten, hinter denen sich häufig historische Häuser aus den Ursprüngen der Stadt verbergen. Beeindruckend sind die reich verzierten Schaufassaden, die so richtig Eindruck schinden wollen und so manches Mal fast doppelt so hoch gebaut sind, wie das dahinter liegende Gebäude. Heute würde man das vielleicht als Fake bezeichnen, vielleicht als etwas ähnliches wie Potemkinsche Dörfer oder vielleicht einfach als Angeberei, wie unser Stadtführer so nebenbei fallen lässt – „hoch hinaus und nichts dahinter“. Jedenfalls sind es zumeist reich verzierte farbige Giebelfronten, die mit größeren oder kleineren runden Aussparungen auffallen. In China hätte man behauptet, dass das der Platz sei, durch den die fliegenden und sich schlängelnden Drachen ihre Wege finden müssen, im Mittelalter aber wusste man, dass dies eine notwendige Voraussetzung war, damit der nächste Sturm die gewaltige Fassade nicht einfach mitriss.

Ein Backfischbrötchen lockt uns nun zum Hafen und endlich erblicken wir das, was bisher das Thema der Reise und aller bisheriger Vorträge war – die Ostsee! Der Wettergott hat wirklich ein Auge auf uns geworfen und lässt die Hafenfassaden in goldenem Licht erstrahlen.

Gute Voraussetzung für das nächste Ziel: Stralsund.

Noch sind wir nicht angekommen, aber bereits mit vielen weiteren Informationen gefüttert. Wolfgang, unser fachkundiger Reiseleiter lässt “keine Gnade walten”. Wer sich vorher mit Küstenformen der Ostsee nicht auskannte, weiß jetzt genau Bescheid. Von Kreidefelsen über Fördebuchtlandschaften, von Boddenlandschaften bis Haffküsten oder Nehrung gibt es alles zu erlernen, was das Herz begehrt. Wie diese Formationen entstanden, wissen wir jetzt auch.

Leicht erschöpft erreichen wir das Hotel. Sogleich erwartet uns der nächste Stadtführer vor unserem historischen Kontorhaus aus der Romantik-Hotelkette, dem Scheelehof. Viele Jahre lang habe ich keinen Menschen mehr erlebt, der erfüllt ist von Gedichten und Sprüchen und sie mit selbstverständlicher Verve im jeweils passenden Moment mit größter Eleganz heraussprudelt – und jetzt plötzlich steht einer vor mir. 2 Stunden folgen wir den lebendigen Erzählungen dieses Mannes und freuen uns auf das nächste Ringelnatz-Gedicht, den spontanen Heine-Einwurf oder das nächste Goethe-Zitat, welches uns jeweils zur spannenden Historie dieser Stadt serviert wird. Wir sehen viel auf diesem Rundgang, unter anderem die alte Gorch Fock im Hafen oder die lange Brücke nach Rügen, das imposante Rathaus am Markt oder das moderne Meeresmuseum außerhalb des UNESCO Welterbe Bereichs.

Wismar und Stralsund, die beide als erste Städte gemeinsam das UNESCO-Welterbe-Siegel erhielten und eigentlich immer in einem Atemzug genannt werden sollten, sind von äußerst hohem kulturellem Wert und es ist eine große Freude, sie mit fachkundiger Begleitung zu entdecken.

Aber es ist natürlich trotz aller Ermüdungserscheinungen noch nicht aller Tage Abend – direkt in die ehemalige Stadtmauer eingebaut befindet sich benachbart zu unserem Hotel ein kleines, recht unscheinbares Häuslein, welches sich bei näherem Hinschauen als die älteste Hafenkneipe Europas entpuppt. Sollte diese nicht alleine aus kulturellem Interesse heraus besichtigt werden?! Aber natürlich! Bei der roten Hanni erhalten wir neben einem dunklen Störtebeker Bier einen exzellenten Kümmelschnaps, der von einer kleinen Brennerei ausschließlich für die Kneipe “Zur Fähre” hergestellt wird und sonst nirgends zu erwerben ist. Das wird in dieser dunklen, “verruchten” Stube (teilweise darf hier im Nebenzimmer geraucht werden) mit witzigen Gästen getestet und für gut befunden. So gut, dass wir 2 Flaschen mitnehmen und morgen im Bus an alle ausschenken werden – wie sich das traditionell auf einer solchen Reise gehört. Das Schnäpsle heißt Fährwasser – wir nehmen die Pünktchen über dem a weg und haben nun das perfekte Fahrwasser für unterwegs.«

~ Claudia Kennel, ZEIT REISENDE

 

Tag 4: 10. September, Stralsund – Usedom – Kolberg

Heute beginnt die Reise so richtig – wir verlassen Deutschland. Wie war das gleich wieder? Wolfgang weiß alles über Steine. So auch über den Bernstein – dem “Gold der Ostsee”. Gleich nach der Abfahrt in Stralsund legt er los. Nach einer halben Stunde sind wir schlauer und damit das Ganze “begreifbar” wird, reicht er eine Sammlung verschiedenster Exemplare durch den Bus. Karls Erdbeerhof in Koserow eignet sich perfekt für eine kleine erste Pause auf dem Weg nach Polen. Nach den vielen Menschen zwischen den Erdbeerprodukten und einer riesigen Kaffeekannensammlung fürs Guinnessbuch genießen wir den Sommertag am Strand von Heringsdorf auf Usedom. Sommer – Sonne – Strandkörbe, viele Füße im Sand und im Wasser. Als eines der Kaiserbäder hat auch Heringsdorf eine beeindruckende Seebrücke. Bevor wir nach dieser Pause wieder starten, gibt Manfred eine Runde aus: das berühmte Fährwasser (einzige Quelle: die älteste Hafenkneipe von Stralsund). Damit sind wir fit für die Überfahrt der Swine mit der Fähre in Richtung Kolberg. Der Abend endet mit einem Spaziergang vom Hotel an den Strand mit einem wunderschönen Sonnuntergang.

~ Gerhard Lösl, ZEIT REISENDER

Tag 5: 11. September, Kolberg – Danzig

Das Frühstück um 7 Uhr ist schnell absolviert heute Morgen in Kolberg.
Wir wissen, dass wir pünktlich in Danzig ankommen müssen, denn Jens, unser Busfahrer hat strenge Ruhezeiten einzuhalten, die er auch nur sehr eingeschränkt unterbrechen kann. Die Strecke ist etwas länger, aber doch von dichterem Verkehr gekennzeichnet. Offensichtlich möchten viele das Wochenende bei solch einem bezaubernden Wetter am Meer verbringen. Wir möchten es aber dennoch rechtzeitig schaffen und fiebern mit Jens mit.
Da jedoch ein weiteres wunderbares Ziel auf dem Weg liegt, steigt die Spannung ein wenig.

Dank Wolfgang bin ich ja nun mit den Küstenformen der Ostsee recht vertraut. Daher erkläre ich euch jetzt, dass wir uns einer Nehrung nähern, der Halbinsel Hel. Mit ca. 34km Länge und ca. 200-3000m Breite ist sie eine reizvolle Landzunge, die sich mit einem wunderschönen weißen Strand und bis zu 25m hohen Dünen zur Ostsee hin öffnet und gegenüberliegend zur Danziger Bucht weist und dort zu einem großen Teil mit Campingplätzen bestückt ist…

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Wir wandern durch ein kleines Wäldchen zum Strand. Und kaum erblickt Conny das Wasser, reißt sie sich die Kleider vom Leib und stürzt sich, bereits mit dem Badeanzug bekleidet, in das erfrischende Nass. Daneben steht eine Kollegin in dicken Wanderschuhen und eingemummelt in wärmende Wanderklamotten und ärgert sich ein bisschen, dass sie dieses schöne Wetter nicht mitbedacht hat. So macht jede und jeder von unserer Truppe das Beste aus der Situation, aber alle sind glücklich über dieses kleine Erlebnis, welches noch lange in Gedanken nachhängt.

Was aber auch nachhängt ist die Zeit. Sie wird nun knapp. Und was auch hängt sind Wolken, die sich auf der Weiterfahrt urplötzlich am Himmel zusammengebraut haben. Schlagartig beginnt es kurz vor Danzig zu regnen und so verzögert sich die Ankunft erneut. Ach, am Ende sind es 1,5 Stunden mehr als angesetzt. Aber nicht verzagen – dann fahren wir eben übermorgen 1,5 Stunden später von hier weg. Ausschlafen ist gar nicht so übel.

Als wir uns am Abend vor dem Hotel Mercure Gdansk nahe am Zentrum zum Abendessensspaziergang treffen, stehen Polizisten an jeder Ecke. Wir werden beäugt – aber nicht nur wir. Sondern auch die hochgewachsenen jungen Männer, die mit uns die Aufzüge heruntergefahren sind. Sie alle gehören nämlich den jeweiligen Nationalteams der Länder Polen, Finnland, Russland, Ukraine, Türkei, Niederlande, Serbien und Portugal an. Es wird momentan das Achtelfinale der Europameisterschaften im Volleyball in Danzig und Ostrau (Tschechien) ausgetragen. Nachdem sie in ihren Bussen verschwinden, werden sie von der Polizei mit Blaulicht zum Austragungsort begleitet.

Währenddessen verschwinden wir in einem plüschigen Traditionsrestaurant, wo wir uns prächtig amüsieren. Das sind die besten Gelegenheiten, mit unseren Mitreisenden einmal in kleineren Gruppen enger zusammenzukommen und gute Gespräche zu führen. Spannend, was Menschen zu erzählen haben! Zum Abendessen erscheint auch unsere neue Referentin, Dr. Elke Knappe, die uns bis Nikolaiken begleiten wird.

Eigentlich hatte ich mich für den Abend mit dem polnischen Trainer verabredet (kein Spaß jetzt), aber als wir nach dem Abendessen in der Lounge auftauchen, sehen wir, dass das Spiel zwischen Polen und Finnland noch im Fernseher läuft. Das dauert also noch. Also entscheiden wir uns, uns nach einem Gläschen polnischen Rotweins (!) zurückzuziehen. Schauen wir einfach, was der morgige Tag so bringt. Ihr wisst ja, das Glück ist mir auf ZEIT-Reisen so ein bisschen hold…

~ Claudia Kennel, ZEIT REISENDE

 

Tag 6: 12. September, Danzig

Der Tag in Danzig beginnt mit Alexandra, die uns sehr engagiert Danzig von vielen Seiten her beleuchtet. Diese Stadtführung wird uns in Erinnerung bleiben – nicht nur weil sie mit uns zum Start nicht in die Altstadt sondern in die entgegengesetzte Richtung marschierte. Wir wussten nicht wohin es ging und standen dann vor dem Europäischen Zentrum der Solidarność. Das Zentrum umfasst auch ein Museum zur Geschichte des Umbruchs in Polen und den benachbarten Staaten. Ein Besuch gepflastert mit politischen Meilensteinen, aber auch Informationen über die aktuell gespaltete Bevölkerung und all die Einflüsse bis in die heutige Zeit. In der Altstadt von Danzig zeigt sie uns später auch besondere Ecken und Kanten.
Die Piraten-Schifffahrt zur Westerplatte und der kurze Regenschauer passt zu den Themen des Tages. Fr. Dr. Elke Knappe überrascht uns (am Abend ( angenehm! 🙂 ) mit ihrem Vortrag und ihrer Art die Themen zu verpacken. Danke dafür!

~ Anette Lösl, ZEIT REISENDE

Tag 7: 13. September, Die drei „D“s: Danzig – Deutscher Orden – Dönhoff oder ‚Von der Weichsel zur Weichsel-Eiszeit‘

Nach einem stärkenden Frühstück im Mercure Hotel in Danzig heißt es kurz vor 8 Uhr Kofferladen und Abfahrt. Wir verlassen die viertgrößte Metropolregion Polens, die sog. Dreistadt an der Danziger Bucht. Über die Weichsel geht es nach Südosten Zu Gast an Bord unseres luxuriösen ZEIT-Busses ist die Expertin Frau Dr. Elke Knappe. Zahlreiche Forschungsreisen und Feldarbeiten führten sie in das ehemalige Ostpreußen. Die Besiedlung und der Wandel der Siedlungspolitik Polens, Königsbergs und der baltischen Staaten sind die Schwerpunkte ihres Vortrages im Bus. Dann erreichen wir die mächtige Burganlage von Marienburg/Malbork. Die Sonne findet ihren Weg durch die Wolkendecke. Das imposante Mauerwerk und die Dächer erstrahlen in einem warmen Rot. Grund genug für ein erstes Gruppenfoto vor dieser imposanten Kulisse. Entlang der doppelt angelegten Wall- und Grabenbefestigung führt uns Frau Dr. Knappe an das Kopfende dieser Deutschordensfestung. Vor einer übersichtlichen Info-Tafel lässt sich die Geschichte des Deutschen Ordens und die heute grenzüberschreitenden, mittelalterlichen architektonischen Zeugen bestens erklären. Am Fußende der Tafel sieht man anhand von Logos und Piktogrammen, wer alles finanziell an den Restaurierungsmaßnahmen und dem Erhalt dieser historischen Anlagen beigetragen hat: die EU, eine polnisch-russische Initiative, die polnische Denkmalbehörde u.v.m….

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Weiter geht es für uns durch eine kleinparzellierte, durch Viehweiden im Wechsel mit Ackerflächen bestimmte Landschaft. Die letzte Eiszeit hat hier ihre Spuren hinterlassen. Die einst mächtigen Eismassen haben den Untergrund geschliffen. Grundmoränen haben die heutige Oberflächenform zu einer leicht welligen Topografie modelliert. Wir dringen immer tiefer ein in die Masurische Seenplatte.

Das weite Urstromtal der Weichsel haben wir schon lange hinter uns gelassen. Wir fahren durch ausgedehnte Eichen-Buchen-Wälder mit zahlreichen kleineren und größeren Seen. Diese Seen waren zum Ende der Weichsel-Eiszeit einst Eislinsen, die durch die zunehmende Erwärmung abgeschmolzen sind und als stehende Gewässer übrig blieben. Die heute immer wieder heiß diskutierte Erwärmung unseres Lebensraumes ist also kein neues Phänomen. Beginnend im Neogen und vor allem zuletzt im Quartär prägten in den letzten 2,58 Mio. Jahren drei Kalt- und Warmzeiten unsere Erdneuzeit. Fakt ist nur, das der moderne Mensch diesen Prozess der momentanen Erderwärmung beschleunigt und sich Natur und Mensch nicht so schnell daran anpassen können. Für uns überschaubar große Zeitspannen vor und nach Christi Geburt stehen im Spannungsfeld mit geologischen Maßeinheiten der Systeme und Epochen.

Für uns deutlich leichter nachvollziehbar ist hingegen der historische Rückblick auf das Leben der Marion Gräfin Dönhoff. Sie wurde 1909 in Ostpreußen auf Schloss Friedrichstein im ehemaligen Kreis Königsberg-Land geboren. Was liegt da nicht näher, wenn wir in unserem ZEIT-Bus so nahe an ihrem Lebensraum der Kinder- und Jugendzeit vorbeifahren, als sich mit dieser bedeutenden Publizistin der bundesdeutschen Nachkriegszeit sowie Chefredakteurin und Mitherausgeberin der Wochenzeitung Die ZEIT zu beschäftigen. Der in unserem Bus abgespielte neunzig minütige Film „Die Gräfin aus Ostpreußen – Das Leben der Marion Dönhoff“ ist eine spannende und äußert informative Dokumentation und ließ die Zeit wie im Fluge vergehen.

Pünktlich zum Filmende erreichten wir die Ortschaft Nikolaiken/Nikołajki. Eine Bootstour bei herrlichem Spätsommerwetter auf dem Śniardwy See und ein anschließender, kurzer Besuch des Stintbrunnens in der Mitte der Ortschaft Nikolaiken mit dem Wappentier der Stadt, dem Stinthengst, rundeten den 7. Reisetag ab.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

 

Tag 8: 14. September, Nikolaiken – Suwalken – Grenze PL/LT – Kaunas

Die masurischen Seenlandschaft sind ein wunderschönes Ziel im Spätsommer. Am Ufer des Spirdingsees (genauer am Jezioro Tałty) haben wir, wie auch andere Reisegruppen und viele polnische Urlauber, übernachtet. Nach einem üppigen Frühstück (mit Körnerbrot) nehmen wir Abschied von Frau Dr. Elke Knappe. Ihre lebhaften Erzählungen zu ihrer Vergangenheit in der DDR-Zeit und danach waren voller Anekdoten. Immer wieder drehte es sich um Abenteuer bei Grenzübergängen zum Baltikum, zu Polen und Russland. Nach ihren Worten wird uns im Bus bewusst, wie einfach heute die Fahrt über die Grenze von Suwałki in Polen nach Šarkis in Litauen ist. Hoffentlich ist die E67 bald zweispurig für den starken Schwerlastverkehr fertig. Um 12:20 haben wir unsere Uhren auf 13:20 vorgestellt, den jetzt gilt die litauische Ortszeit. In Kaunas angekommen haben wir flugs unser Gepäck in die Zimmer gebracht, denn Jalanta, unsere Stadtführerin, wartete schon auf uns. Erst später können wir das modern ausgebaute Hotel in einem historischen Backsteinbau bewundern. Die Altstadt am Zusammenfluss der Memel (Nemunas auf litauisch) und der Neris mit der Burganlage ist voller Leben. Kaunas wird 2022 eine europäische Kulturhauptstadt sein. Viele Gebäude sind prächtig rekonstruiert worden, am Rathausplatz sind gemütliche Cafés und Restaurants mit Freisitzen entstanden und die neuen Fenster, Fußbodensteine, Wandmalereien etc. in der St. Georgs-Kirche lassen nichts mehr von den Zerstörungen aus der Sowjetzeit erkennen. Nur das Kopfsteinpflaster in der Altstadt soll als Zeugnis an die alten Ritterzeiten des Deutschen Ordens erhalten bleiben. Der sonnige Tag klingt gemütlich beim köstlichen Abendessen und Besuch der Bar aus.

~ Eva und Louis Bauer, ZEIT REISENDE

Tag 9: 15. September, Kaunas – Kurisches Haff – Nida: Hexen und Dämonen geben sich ein Stelldichein

Im historisch-geografischen Kontext beschrieb 1841 Hoffmann von Fallersleben im Deutschlandlied die damaligen West-Ost-Grenzen: „Von der Maas bis an die Memel, …“. Wir fuhren in unserem Bus von der Alster entlang der Ostseeküste durch Nordpolen und Litauen bis an die Memel. Rund 90 km ging es heute, immer parallel des leicht mäandrierenden Flusses, von Kaunas nach Jurbarkas. Auf der Mittelterrasse folgten wir flussabwärts der Memel, erkannten die Gleit- und Prallhänge und durchfuhren kleinere Ortschaften mit zum Teil noch alten Holzhäusern. Die nächsten 100 km verliefen weiterhin noch entlang des Flusslaufes, jedoch immer ganz nah an der Nordgrenze der russischen Exklave Königsberg. Die Russische Föderation ist hier von uns nur 1 km bis max. 10 km entfernt.

Grau in Grau präsentiert sich uns der Himmel. Schade, denn die reizvolle Flusslandschaft wird so ganz und gar nicht ins rechte Licht gerückt. Zwischenstopp auf unserem Wege zur Kurischen Nehrung ist der kleine Landzipfel bei Vente, der hier ins Haff ragt. Wir wollten uns mit den Vögeln, dem Beringen der Tiere und ihrer Registrierung in der ornithologischen Station befassen. Aber alle Vögel waren ausgeflogen. Selbst der Leiter dieser Station war nicht präsent, da er – gegen allen Absprachen eines Treffens – kurzfristig dienstlich nach Kleipėda musste. Stattdessen waren überall geschäftige Bauarbeiter im kleinen Leuchturmhaus zu sehen, die hier umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchführten. So blieb uns nur die „Trockenübung“ vor Ort, was mit und in den aufgestellten Fangnetzen passiert. Eine kleine Schar von Vögeln saß auf dem Ständerwerk der Netzte, eine Flugformation von Kranichen flog hoch über uns gen Süden und einige Enten dümpelten auf dem Haff: Das war leider alles, was uns die doch so kleine aber bedeutende ornithologische Station zu bieten hatte…

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Mit dem Blick über das Haff auf den schmalen Streifen der Nehrung stieg jedoch unsere Stimmung wieder. Die Sonne kam vermehrt zum Vorschein und die Anteile an blauem Himmel wurden immer größer. In Kleipėda (dt.: Memel) setzten wir dann mit unserem Bus an der schmalsten Stelle des Haffs vom litauischen Festland auf die Kurische Nehrung bei Smiltynė (dt.: Sandkrug) über. 18 km weiter legten wir einen 1-stündigen Stopp in Juodkrante (dt.: Schwarzort) ein. Der Hexenberg lud uns förmlich bei diesem schönen Wetter zu einem Waldspaziergang ein. Naturkundlich handelt es sich hierbei um sog. schwarze Dünen, also fossile Dünen mit einem dichten Baumbestand aus Kiefern, Birken, Ahorn und Ebereschen. Emotional und kulturhistorisch verbergen sich aber auf dem Rundweg hinter den zahlreichen Holzskulpturen verschiedene Sagen und Legen der Kurischen Nehrung. Der Hexenpfad führte uns somit zu manchen Hexen, Teufeln und Dämonen. ZEITweise erhöhte sich vor Ort auf „unerklärlicher“ Weise die Zahl der Hexen … (Anmerkung des Autors: Kommentar hierzu wird aus redaktionellen und gruppendynamischen Gründen gestrichen). Die Fabelwesen haben jedoch stets auch gute Seiten … und ZEIT-Reisende sowieso!

Danach ging es nochmals rund 30 km weiter südwärts über die Kurische Nehrung nach Nida (dt.: Nidden). Kurz vor dem Erreichen unseres Übernachtungsziels legten wir noch einen letzten Halt an der Ostseeküste ein. Sanddünen und das Meer ließen so richtig Urlaubsstimmung aufkommen. Einige wagten sogar den Sprung ins kühle Ostseewasser. Die „Hexen“ und „Teufelchen“ von vorhin erklommen nunmehr die „Himmelsstufen“, überquerten die Sanddünen und kehrten wohlgelaunt zum Bus zurück.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

 

Tag 10: 16. September, Nida

Unsere großen Reisekoffer stehen bis an den Rand gefüllt im Zimmer – von Sommer- bis Winterbekleidung ist an alles gedacht. Doch was wähle ich heute? Der Regenponcho wird das wichtigste Utensil des Tages. Das hätte gestern noch keiner geahnt.

Aber tatsächlich hat sich über Nacht so einiges verändert. Die ersten Tropfen fallen gleich zu Beginn unserer Erkundungstour vom Himmel. Jedoch nicht nur von dort. Auch die ein oder andere Nase wird schniefend geputzt und die ersten Schals enger um den Hals geschlungen. Aber unverwüstlich, wie wir alle sind, stapfen wir wie geplant in das 1.500 Seelen große und größte Städtchen der Nehrung.

Die Vergangenheit ist ja häufig genug in der Architektur visualisiert und so finden wir auch in Nida Fischerhäuschen, die mit ihren individualisierten Holzverzierungen und der speziellen Bauweise die alten Zeiten verkörpern. Das aufgewühlte Brackwasser vor der Küste am Haff ist durch den kleinen Sturm hellbraun gefärbt, aber echte Kitesurfer finden hier heute, dessen völlig ungeachtet, ihr Eldorado. In höchsten Sprüngen führen sie unserer staunenden Truppe ihre Künste vor. Andere Touristen gibt es nicht an diesem Tag…

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Langsam nähern wir uns unter Wolfgangs Führung dem heutigen Hauptziel: die – noch – zweithöchste (nach Arcachon) Wanderdüne Europas liegt vor unseren Augen. Dass der Weg so steil nach oben führt ist unerwartet, aber 60 m wollen erklommen sein und alle schaffen das erwartungsfroh. Aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen erhielten wir zu Beginn der Reise kein Russland-Visum und durften so auch nicht den geraden Weg hierher direkt durch die Exklave Kaliningrad wählen. Nun aber blicken wir winkend hinüber über die Grenze genau dort hin, denn diese verläuft nur wenige hundert Meter entfernt von uns quer über die Parnidis oder Hohe Düne hinweg von einer Küste zur gegenüberliegenden. Durch das rücksichtslose Betreten und verbotene Klettern an Hängen der Düne hat diese innerhalb von nur 20 Jahren (bis 2004) ca.15 Meter an Höhe verloren (Sandabrutsche). Gegenmaßnahmen wie Bepflanzungen und Befestigungen wirken nur sehr eingeschränkt. Immer noch verliert sie tendenziell an Höhe. Ach, was veranstalten wir Menschen immer und immer wieder so furchtbar gedankenlos. Und wie schwer ist es, kleine Wunder dieser Erde zu erhalten – dabei gehört ja auch diese Nehrung zum geschützten Weltkulturerbe der UNESCO (gemeinsam mit dem Memel-Delta und dem Kurischen Haff).

Aber es ist kalt. Wir wollen uns bewegen, um wieder warm zu werden. Also stapfen wir zielstrebig zurück. Der Weg führt durch pilzduftigen einsamen Wald durch das sehr verschlafene Nida zu einem kleinen Imbiss.

Ist es schändlich, nun zu gestehen, dass wir den weiteren Programmpunkt des Tages (wenn auch mit schlechtem Gewissen) einfach ausfallen lassen? Ich weiß, dass der Besuch des Thomas Mann Sommerhauses, nur wenige Schritte entfernt, ein absoluter Höhepunkt einer Nehrungs-Reise darstellt, ABER – wir haben uns einfach umentschieden. Bereits gestern Abend war klar, dass nun ein anderer wichtiger Reiseschwerpunkt von uns umgesetzt werden sollte.

In vielen der Länder, durch die ich reiste, suchte ich mir jeweils mein ureigenes kleines persönliches Entdeckungsmomentum. Ich wollte ganz einfach wissen, wie in der Welt massiert wird. Beispiele: In Nanjing (China) übersetzt ein Übersetzungsprogramm die Anweisungen meiner zarten chinesischen Masseurin: “Meine Schöne, damit ich dein Gesicht massieren kann, verlasse ich dich jetzt, um mir die Hände zu waschen.” Nach den blumigen Worten beginnt die Massage und ich spüre meine Körperteile danach nicht mehr. Im ältesten Hammam in Buchara (Usbekistan) aus dem 16. Jahrhundert liegt man auf einem uraltem Marmorstein und kann kaum mehr atmen vor lauter Bergen an Seifenschaum und kräftiger Tiefenmassage. In Novosibirsk (Russland), in einem goldverzierten Massagetempel scheint es, als trainiere eine olympische Ringerin mit mir als Opfer – tagelange blaue Flecken bleiben als länger wirkende Erinnerung.

Und nun also auch hier mein litauischer Entdeckungsmoment. Soll ich es nach all den Erfahrungen wagen? Aber ja! Meine Masseurin lässt ein Mantra ähnliches kurzes Gesangsstück über das Handy in ihrem Massage-Kämmerlein erklingen; vielleicht, um in die Stimmung für die gebuchte ayurvedische Massage zu kommen. Sie befiehlt mir, mich hinzulegen. Dann beginnt sie zu singen. Parallel zum Stück. Mantra ähnlich. Irritiert lausche ich und gebe mich dann aber doch der Massage hin. Irgendwann singe ich innerlich mit. Mantra ähnlich. Minute für Minute vergeht und irgendwann hat dieser gesamte Massagevorgang etwas sehr Tranceähnliches. Diesmal sind mir blaue Flecken erspart geblieben und ich fühle mich rundum wie neu geboren.

Das hat sich gelohnt. Thomas Mann hätte mich in meiner Entscheidung unterstützt, meinen litauischen Entdeckungsmoment unbedingt zu leben, da bin ich mir jetzt ganz sicher.

~ Claudia Kennel, ZEIT REISENDE

 

Tag 11: 17. September, Von Nida in Litauen auf der Kurischen Nehrung nach Riga in Lettland

Halleluja, die Schlange an der Kaffeemaschine hat sich halbiert. Heute dürfen wir – ohne extra zahlen zu müssen – auch an der zweiten Kaffeemaschine ordern. Ein köstlicher Cappuccino steht auf dem Tisch, der Morgen ist gerettet und die Seele ist beglückt.
In der Gruppe gibt es die ersten Husten- und Schnupfenattacken, wurde das Wetter und der Wind unterschätzt? Jedenfalls gab es von gestern auf heute eine mächtige Wetterveränderung, es hat sich abgekühlt. Gestern liefen einige in der Gruppe noch ohne Strümpfe, heute wurden die dicken Socken vor geholt.
Was erwartet uns heute Spannendes? Nach der Überfahrt mit der Fähre von der Kurischen Nehrung nach Klaipeda auf jeden Fall ein kleiner Rundgang durch die Stadt. Es begegnen und an vielen Stellen kleine Kunstwerke:

  • Goldregen, das Geld fließt durch die Regenrohre….
  • Kirchenmaus, nach dem Sprichwort “Arm wie eine Kirchenmaus”. Aber die Maus ist gut genährt….
  • ein Schornsteinfeger auf dem Dach, der mit dem Fegen nicht aufhört und
  • natürlich Ännchen von Tharau.

Hier die erste Strophe zum Mitsummen:


Ännchen von Tharau ist’s, die mir gefällt,
sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.
Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz,
auf mich gerichtet in Lieb’ und in Schmerz.
Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!

Danach geht es weiter nach Palanga, dort wollen wir ein Bernsteinmuseum in einem Schloß besuchen….

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Viele Wege führen zu dem Schloß Palanga, wir probieren es bei Nieselregen zuerst durch den Park von der Rückseite her. Wolfgang beschließt nach ca. 400 m, dass Jens uns näher fahren soll, der Weg sei zu weit. Also wieder zurück. Im Bus wird durch ein Telefonat geklärt, dass wir doch durch den Park müssen, weil die andere Strecke gesperrt ist. Nun unser zweiter Versuch und siehe da, wir kommen gut an und haben eine hochinteressante Führung mit tollen Ausstellungsstücken. Wir sind gut auf diese Führung eingestimmt, weil uns Wolfgang in Vorträgen gut darauf vorbereitet hat.

Jetzt geht die Fahrt weiter Richtung Siauliai zum Berg der Kreuze. Hier kann man fühlen, wie die Menschen mit Glauben und Frömmigkeit für Freiheit und Unabhängigkeit Kreuze zusammengetragen haben: es ist eine ganz besondere Atmosphäre. Diese Stimmung kann man wirklich nur vor Ort erfahren. Am Bus erwartet uns Jens mit frischem Kaffee, nette Gruppenteilnehmer haben Kekse ausgelegt und wir diskutieren über das, was wir erlebt haben.

In Riga gibt es erstaunte Blicke bei den Reiseteilnehmern, denn wir sind in einem Hotel untergebracht, das nicht im Roadbook steht. Wir sind weit außerhalb des Zentrums einquartiert, so wird es schwierig werden mit einem Bummel am Abend durch die Altstadt. Die Enttäuschung ist fühlbar und die Stimmung dadurch gedrückt. Schade, dass der Tag so endet.

~ Ingeborg Turowksi, ZEIT REISENDE

 

Tag 12: 18. September, Riga

Frische 7 Grad am Morgen, dazu wolkenloser Himmel lassen einen herrlichen Herbsttag in RIGA erwarten. Stadtführerin Maja, freundlich und äußerst sachkundig, begrüßt uns sehr herzlich, da wir eine der ersten langersehnten Gruppen in Riga nach der Corona Einschränkung sind.
Über den Fluss Daugawa, was „ viel Wasser“ bedeutet, geht es über die Seilbrücke in die Altstadt. Der Fluss ist etwa 1000 km lang, ca. 300 km fließt er durch Lettland und endet 15 km von Riga entfernt in der Ostsee.
Riga wurde 1201 gegründet. Das Stadtbild wird von vielen Holzhäusern in verschiedenen Farben geprägt, die aus dem 18. Jahrhundert stammen. Bekannt ist die Altstadt durch die kunstvollen Jugendstilfassaden, auf die wir am Nachmittag einen Blick werfen wollen.
Am Platz vor dem Rathaus nahe des Freiheitsdenkmals verlassen wir den Bus für unseren Altstadtrundgang. Unser Reiseleiter Wolfgang will noch rasch eine Reservierung bestätigen und kommt atemlos zurück: er habe die Putzfrau herausgeklopft, die spreche aber nur lettisch und er brauche die Hilfe von Maja…

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Schmunzelnd machen wir uns auf den Weg und erfahren in 3 kurzweiligen Stunden vieles über die eindrucksvolle Stadt mit ihrer wechselvollen Geschichte. Viele historische Gebäude sind im Krieg zerstört worden, wurden später gesprengt und erst nach vielen Jahren wieder nach alten Fotos aufgebaut. Eine bunte Fassade bietet das Schwarzhäupterhaus, das eine gildenähnliche Organisation aus ledigen ausländischen Kaufleuten gebaut hatte. Der merkwürdige Name stammt vom dunklen Schutzpatron Mauritius aus Mauritius.

Wir treffen Bekannte aus Bremen. Die 4 Bremer Stadtmusikanten haben es sich in der Partnerstadt Riga gemütlich gemacht und werden von vielen Passanten gestreichelt.

Das typische Kopfsteinpflaster, das gerne zum Stolpern einlädt, sei damals von Riga Besuchern, die je 2 Steine anschleppen mussten, auf dem Sandboden verlegt worden. Prompt hat es leider eine Mitreisende erwischt. Die Sonne steht hoch am Himmel, der Wind bläst heftig, da würde uns ein heißer schwarzer Rigabalsam, ein Kräuterlikör aus 24 Kräutern, mit Johannisbeersaft guttun.

Die Pils iela machte uns Hoffnung auf ein Bier, bedeutet aber Burg-oder Schloßstraße. Das Pils gabs dann zum Mittagessen, das jeder im Lokal seiner Wahl einnahm. Gemeinsam schauten wir uns am Nachmittag das rausgeputzte Jugendstilviertel in der Elisabeth-und Albertstraße an. Vorne Pracht, in den Hinterhöfen unverputzte marode Backsteinmauern. Ein kurzer Besuch in der orthodoxen Kirche entführte uns in eine andere Welt mit farbenprächtiger Ikonostase und meditativem gregorianischen Chorgesang.

Am Rathausplatz spielte eine junge Cellistin für uns, bevor es im Restaurant Salve zum Abendessen ging. Ein stimmungsvoller kleiner Rundgang zur blauen Stunde mit illuminierten Altstadthäusern beschloss diesen sonnigen informativen Tag. Wenn Engel reisen…

~ Connie Siebenbürger, ZEIT REISENDE

 

Tag 13: 19. September, Riga – Saulkrasti- Pernu – Kuressare

Schon früh um 08:00 Uhr brechen wir. Die Straßen sind wunderbar leer: es ist Sonntag und wir haben Sonnenschein. Jens wählt von unserm Hotel in der Nähe des Flughafens die Südumfahrung von Riga nach Westen, um auf die direkt nach Norden führende Straße längs der Ostseeküste zu kommen. In diesen Quartieren an der Peripherie Rigas stehen riesige Wohnblocks, die noch aus der sozialistischen Zeit stammen dürften. Welch ein Gegensatz zu den prächtigen Jugendstilpalästen, die wir am Vortag bewunderten.

Nach zügiger Fahrt fanden wir in Saulkrasti einen bequemen Zugang zum Strand. Ein Bachlauf bringt reichlich querströmendes Wasser zwischen unseren Standort und dem offenen Meer. Dennoch lassen sich Ilona und Günter nicht abhalten, so weit wie möglich an die heranplätschernden Wellen zu kommen, um ihre Flaschenpost der Ostsee zu übergeben. Sie haben sich vorgenommen, in jedem Land, das wir mit dem ZEIT-Bus durchfahren, ihre Botschaft in einer Flasche auf den Weg zu bringen. Für Lettland ist das hier die letzte Gelegenheit.
Witzig die Idee, einen überdimensionalen Hasen auf die erbetene Nutzung des Mülleimers hinweisen zu lassen…

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Wieder unterwegs reiben wir uns verdutzt die Augen: Ein Mann in russischer Offiziersuniform reitet auf einer Kanonenkugel! Ist das der Lügenbaron, den wir aus Bodenwerder an der Weser kennen? Doch bald wird klar, der Freiherr von Münchhausen hat mehrere Jahre dort in Dunte gelebt, wo er seine Frau kennen lernte und wo er bei seinen Besuchen in Gasthäusern schon seine fantastischen Geschichten erzählte.

10:33 Uhr, Grenzübertritt nach Estland. Wolfgang tut kund, wir hätten soeben den ehemaligen Grenzposten überfahren. Der arme Kerl!

Zeit für eine Kaffeepause. Jens hat das belebende Getränk schon bereitet, verlässt die E 67 und findet in Kabli einen Parkplatz direkt am Strand, wo es sogar Toiletten gibt. Wir streben zum Wasser, wo ein Turm steht, der früher vielleicht einmal ein Leuchtfeuer war, heute aber als Aussichtspunkt dient. Doch wo ist das Wasser? Hat die Ostsee Ebbe? So weit zurückgezogen haben wir sie noch nie gesehen.

High Noon. Wir sind in Pernu. Uns Durchreisenden erscheint sie eine ziemlich langweilige Stadt, doch wir entdecken eine Perle. In Pernu wurde im Jahr 1846 der Vater des berühmten Juweliers Peter Carl Fabergé geboren. Der versorgte im ausgehenden 19. Jahrhundert von Sankt Petersburg aus die gesamte adlige Welt mit seinen Schmuckstücken. Legendär sind seine kunstvoll gefertigten Eier.

Um 13:45 Uhr erreichen wir den Fährhafen Virtsu Sadam. An der Einfahrtkontrolle müssen wir feststellen, dass es offenbar Probleme mit dem Ticket gibt. Wolfgangs Voucher wird nicht akzeptiert. Und die junge Frau an der Schranke zeigt sich auch nicht wirklich kooperativ. Wolfgang lässt die Polizei rufen und nach zähen Verhandlungen gelingt es, nach Barzahlung ein neues Ticket zu erweben, mit dem wir dann auf die Fähre dürfen. 55 Minuten hat der ganze “Spass” gedauert. Schade um die Zeit, die wir im Bus verplemperten, doch der Stimmung hat das keinen Abbruch getan.

Wir sind also auf der Insel Mohu und steuern das “bewohnte” Museumsdorf Koguva an: eine Zeitreise in das beginnende 19. Jahrhundert. Staunend stehen wir vor den moosbewachsenen Mauern aus Feldsteinen, mit den die Grundstücke eingefriedet sind. Sie schützen reetgedeckte, meist eingeschossige Gebäude, Wohnhäuser und Schuppen. Ausrangierte Boote liegen aufgeständert kieloben und dienen nun als Dach für Holz oder andere vor Regen zu schützende Güter.

Nächster Halt ist die romanische Kirche von Valjala. Sie sei offen. War sie aber nicht. Der in der Sonne liegende kraftvolle Bau beeindruckt durch seine mächtigen Strebepfeiler.

Schon im Bus hat Wolfgang uns seine Kenntnisse über Meteoritenkrater kundgetan. In Kaali finden wir ein feines Beispiel für seine Ausführungen. Rund 110 m Durchmesser hat das mit Niederschlagswasser gefüllte Loch. Wir wollen es auf dem durch den Einschlag aufgeworfenen Wall von etwa 16 m über Umgebungsniveau umrunden: eine knappe Stadionrunde. Die sonnenbeschienenen Bäume spiegeln sich im leicht gekräuselten Wasser. Eine bezaubernde Stimmung. Wir vergessen dabei, dass sich die Wissenschaftler unterschiedlicher Richtungen über das Alter dieses selten so unverfälscht erlebbaren Naturphänomens streiten. Archäologen und Historiker datieren den Impakt auf 4.000 bis 7.600 Jahre, Geologen vermuten, dass das Ereignis eher 40.000 Jahre zurück liegt.

Nach einem abwechslungsreichen Tag erreichen wir kurz vor 18:00 Uhr unser Hotel Ahrensburg in Kuressare.

~ Roland Turowski, ZEIT REISENDER

 

Tag 14: 20. September, Saaremaa: In, um und um die Burg von Kuressaare herum

Der gesamte Tag steht uns für die Besichtigung von Arensburg/Kuressaare zur Verfügung. Das Städtchen mit seinen knapp 15.000 Einwohnern ist überschaubar groß bzw. klein. Schnell und ohne lange Strecken zurückzulegen, haben wir das Rathaus und das das mit einem schönen Treppengiebel versehene Waaghaus erreicht. Über kopfsteingepflasterte Straßen geht es vorbei an renovierten Holzvillen und einfacheren Wohnhäusern zur Burganlage. Ich habe bereits vor dem Frühstück die frühen Morgenstunden und das tolle Morgenlicht genutzt und bin auf die Wallanlage der Burg gestiegen. Keine Menschenseele weit und breit. Nur ein Angestellter fegt das niedergefallene Laub im Vorhof der Burg zusammen. Eine Sisyphusarbeit, denn die mit hunderten von Rotbuchen, Eichen und Ahorn bestandene Parkanlage rund um die Burg lässt unaufhaltsam ihr buntes Herbstlauf auf den Boden fallen. Bei herrlich-kühlen Temperaturen von 3-5°C und fast wolkenfreiem, blauem Himmel eine richtige Idylle. Mit unserer Stadtführerin gehen wir auch in die Burg hinein. Wir erleben dieses kompakte Bauwerk von den Kellergewölben bis zum Dachumlauf. Über glattpolierte, mit Muschelkalkplatten gedeckte Fußböden und enge, gewendelte Stufen betrachten wir das historische Gebäude. Wir „tauchen ab“ in die Vitrinen mit Fossilien aus dem Silur und dem Devon, verweilen vor den aus Stein gemeißelten und aus Holz geschnitzten Wappen, ruhen uns ein wenig im Kapitelsaal und in der Burgkapelle aus und steigen sogar auf das Dach der wehrhaften Burganlage. Exponate aus russischer Zeit und Einrichtungsgegenstände aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren wecken bei uns so manche Erinnerungen vergangener Zeiten…

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Nach einer Mittagspause setzen wir unseren Exkurs über die Insel fort. Im Bus fahren wir zunächst das Ensemble von fünf Windmühlen bei Angla an. Eine niederländische Windmühle hat sich unter die anderen, sonst so typischen Bockwindmühlen Saaremaas gesellt. Wer hat diesen „Eindringling“ entdeckt? Zu entdecken gab es auch etwas an unserem Bus. Zuverlässig – wie wir es in den letzten 14 Tagen gewohnt sind – sprang er diesmal nicht an. Was nun? Schnelle, technische Hilfe von einer Kfz-Werkstatt auf Saareema ist nicht zu erwarten. Nichts tun, ist auch keine Lösung, denn weitere Ziele auf der Insel warten noch auf uns. Unser Fahrer Jens erkennt eine Fehlermeldung in der Systemsteuerung des Anlassers, d.h. es handelt sich hierbei nicht um einen größeren technischen Defekt sondern um eine Blockade, die es zu überbrücken gilt. Jens und ich müssen den sog. MKSS irgendwie überlisten. Bei diesem kleinen Kippschalter handelt es sich um den Motorraumklappensicherungsschalter. Das Wort ist länger als der besagte Hebel selbst. Einige Versuche die Zündung manuell zu aktivieren, bleiben ohne Erfolg. Jens versucht es ein weiteres Mal mit der Zündung vom Armaturenbrett aus. Außer leise, zaghafte Knackgeräusche passiert rein gar nichts. Als absolut technischer Laie lege ich den Schalter im Motorraum des Busses um … und tatsächlich, der Bus springt an. Das Warum und Wieso kann ich nicht erklären, wir wollen es auch nicht vor Ort ergründen. Wichtig ist nur, dass es jetzt weitergeht.

Nächstes Ziel ist die kleine, turmlose Katharinenkirche aus dem 13. Jahrhundert. Diese ist jedoch leider verschlossen. So bleibt uns nur eine kurze Außenbesichtigung. Nicht „verschlossen“ präsentiert sich uns die Steilküste von Panga. Hier bewege ich mich wieder auf vertrautem, geologisch-geomorphologischen Terrain. Wir spazieren entlang der Abbruckante, natürlich im sicheren Abstand von dem bröseligen Randbereich, und lassen uns den frischen Ostseewind um die Nase wehen. Letztes Ziel an diesem Tage ist dann Sääre, die südlichste Spitze von Saareema mit dem markanten, hoch aufragenden Leuchtturm. Einst russisches Sperrgebiet ist dieser Landzipfel heute ein Eldorado für Ornithologen und Touristen. Wir waren aber heute die einzigen Besucher vor Ort. Tolle Stimmung bei herrlichen Lichtverhältnissen der Spätnachmittagssonne und einem uneingeschränkten Blick auf die offene Ostsee und den Rigaer Meerbusen.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

 

Tag 15: 21. September, Von Kuressaare mit der Fähre zurück auf das Festland und weiter nach Tallinn

Der heutige Vormittag ist lediglich geprägt vom zügigen Transfer zurück auf das Festland, dieses Mal mit makelloser Abfertigung bei der Fährüberfahrt, und weiter nach Tallinn, aber mit der Erkenntnis, dass wir bereits volle zwei Wochen seit dem Start in Hamburg auf dieser Reise unterwegs sind.
Für mich als Busfahrer dieser Reise die Gelegenheit, das Bisherige aus meiner Sicht etwas zu reflektieren.
Nach dem ich bereits den ZEIT-Bus, wie er so liebevoll von ZEIT-REISEN genannt wird, bereits in 2017 und 2019 von Hamburg nach Shanghai und zurück manövrieren durfte, bin ich stolz, diese Premierenfahrt in 38 Tagen um die Ostsee bewältigen zu dürfen. Bereits Tage vor dem Start ging es akribisch an die Vorbereitungen unsererseits. Der Bus will auf Technik und Sicherheit gewartet und aktualisiert sein sowie liebevoll innen wie außen umgestaltet werden, die Route will den einzuhaltenden Lenk- und Ruhezeitenbedingungen angepasst sein und ein paar Besorgungen für das leibliche Wohl der Reisegäste sowie für die Wartung und Pflege des Busses für unterwegs erledigt werden, um dann am Start-Tag mit einem ruhigen Gefühl des Nichts-Vergessen-Haben die Tour beginnen können.
Schon ein paar Tage vor der Abfahrt erfuhr ich, dass Claudia und Manfred, mir aus einer vergangenen ZEIT-Reise bekannt, wieder dabei sein werden. Ich jubelte und fühlte die bereits gewohnte Atmosphäre dieser Reisen. Nun stiegen auch noch Ilona und Günter bereits in Kiel zu und unsere Reise-Familie begann zu wachsen. „Endlich wieder zu Hause“ jubelte Günter schon auf unserem Betriebshof.

Als ich dann am Nachmittag des ersten Tages vor dem Hotel Le Méridien in Hamburg vorgefahren bin und mich noch viele weitere ehemalige bekannte Reisegäste begrüßten musste ich schon um etwas Fassung ringen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Gerade nach der langen Corona bedingten Zeit des Nichtreisens sollte es nun, beinahe wie ein Heimspiel, endlich wieder los gehen. Neugierig auf die übrigen Reisegäste, mit denen ich noch nicht das Vergnügen hatte, erhielt ich einen ersten Eindruck am ersten Abend in der Vorstellungsrunde während des Dinners im „alten Lotsenhaus“ in Hamburg und ich war mir schnell sicher, wir werden eine wunderbare sympathische ZEIT-Bus-Reise-Familie. Gerade mit Wolfgang als Reiseleiter, auch durch andere gemeinsame Expeditionen längst zu einem Team geschmolzen, kann ja nichts mehr schief gehen…

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So starten wir am Tag 2 von Hamburg nach Lübeck und in den folgenden Tagen über Stralsund, Kolberg bis nach Danzig am 5.Tag. Bis Danzig hatte es jemand sehr gut gemeint und bescherte uns ein traumhaftes Wetter. Als Busfahrer genießt man es, wenn der Bus sauber in der Sonne glänzt.Ein Starkregen kurz vor der Ankunft in Danzig ließ den Glanz vorerst verblassen und verursachte auch schon eine Fehlermeldung im Steuerungssystem. Das mag kein Busfahrer leiden, erst recht nicht so weit am Anfang einer solchen Reise. Schnell werden Telefonate geführt und sich mit fachkundigen Leuten ausgetauscht. Gerade auf solchen etwas längeren Fahrten sind wir über unsere steten Kontakte zum MAN-Service in Kiel froh, wodurch ich auch schnell über die Harmlosigkeit der entsprechenden Fehlermeldung beruhigt wurde. Nun sollte meine größere Sorge sein, wann und wo ich eine Gelegenheit zum Bus waschen finden werde. Diese ergab sich dann erst am 12. Tag in Riga. Bis dahin hatte sich das Wetter auch wieder so entwickelt, dass sich die Wäsche auch lohnte.

Bei allen akribischen Vorbereitungen und Wartungen bleibt so ein moderner Bus, vollgepackt mit sensibler Elektronik, eben doch nur ein Stück Technik, was eben auch mal nicht so funktioniert, wie es sollte. Wenn dann an einem Sonntagabend nach dem Abendessen in Kaunas der Bus trotz neuer Batterien nicht startet, heißt es eben erst einmal Ruhe bewahren und tief in der Erinnerungsschublade kramen, wo man ähnliches erlebt und wie behoben hat. Relativ schnell konnte auch dieses Problem vorübergehend geklärt werden, bis es dann während der Inselrundfahrt auf Saaremaa erneut auftrat. Scheinbar verursacht hier ein kleiner Schalter an der Motorraumklappe einen Fehler, der aber mit etwas Fingerspritzengefühl übergangen werden kann. Vielleicht schaffe ich es noch, diesen Fehler komplett zu beheben.

Inzwischen sind wir heute ohne Störungen aber mit leckeren Kaffee aus meiner Bordküche gegen Mittag in Tallin angekommen. Rasch einchecken, die Koffer ausladen und den Bus etwa 1 km zum Parken abstellen. Denn in Tallin ist es für mich wichtig, eine volle Wochenruhezeit gemäß Vorschriften einzuhalten, um die nächsten Tage reibungslos gestalten zu können.

Der Nachmittag war zur freien Gestaltung bestimmt und einige nutzten diesen zu einer kleinen von Wolfgang geführten Runde durch Tallinn, bevor es zum Abendessen noch einmal gemeinsam in die Altstadt ging. Ich darf nun die Zeit in Tallinn als Wochenende nutzen und freue mich auf die nächsten Abschnitte und weitere beeindruckende Erlebnisse hoffentlich ohne weitere Störungen.

~ Jens Blohm, Reisebusfahrer von „de Kieler“

 

Tag 16: 22. September, Tallin

Heute ist der letzte Sommertag, der mit einem informativen Stadtrundgang gekrönt wird. Mildes trockenes Wetter ist ideal und Riet, die quicklebendige 65jährige Stadtführerin lässt uns in 3 Stunden die Vergangenheit Tallins erleben.


Interessant zu wissen:

  • unser Hotel Viru mit 23 Stockwerken wurde 1972 fertiggestellt, war unter der sowjetischen Besatzung das einzige Hotel für Ausländer, die man somit gut kontrollieren konnte durch den KGB.
  • Estland hat 1,3 Millionen Einwohner
  • Tallins Altstadt ist seit 1997 UNESCO Weltkulturerbe.
  • Alle 5 Jahre findet ein großes Tanz-und Sängerfest statt Entwicklung der Telekommunikation Skype
  • Seit 2004 Mitglied der EU


Wir schlendern durch die Unter-und Oberstadt, achten auf das uns bekannte Kopfsteinpflaster, bewundern die Architektur der Kirchen und Gebäude. Auch in Tallinn gibt es eine Nikolaikirche wie in jeder Hansestadt, ist Nikolaus doch der Schutzpatron der Kaufleute und Fischer.
Der lange Herrmann, der alte Thomas und die dicke Bertha werden uns vorgestellt, wir entdecken auch hier ein Schwarzhäupterhaus, wenn es auch nicht so prächtig wie in Riga ist. Viele Souvenirläden mit geschmackvollem Kunsthandwerk aus Holz, Filz und Wolle verführen den einen oder die andere zum Einkaufen, da manche durch die bald kühlen Temperaturen etwas Wärmendes brauchen


Interessant zu wissen:

  • 90% der Esten wohnen in Eigenbesitz
  • Kinderzahl: 1,5 pro Familie
  • Wo Esten leben, wird Schwarzbrot gebacken, der Este braucht Schwarzbrot, laut Riet.
  • Die Digitalisierung ist weit fortgeschritten, die Esten legen keinen Wert auf Datenschutz, viele Daten sind leicht zugänglich
  • Steuererklärungen werden im Internet gemacht, daher gibt es keine oder nur wenige Steuerberater
  • Es gibt keine Kirchensteuer, Hundesteuer, KFZ-Steuer etc.


Beim Verlassen der Altstadt bewunderten wir die große Anzahl frischer Blumen, die 24 Stunden am Tag verkauft werden. Nach einer Kneipentour bringen nämlich die Männer ihren wartenden Frauen zur Versöhnung einen Blumenstrauß mit, was die langen Öffnungszeiten erklärt.
Michael Thuman hat uns mit seinem umfangreichen Wissen aus 30jähriger Erfahrung als Journalist der ZEIT durch Winkel und Gassen russischer Politik geführt, besonders faszinierend war die Geschichte von Roman Ungarn-Sternberg.
Die Unverdrossenen führte unser Reiseleiter Wolfgang durch die nächtliche Altstadt mit ihren romantisch illuminierten Häusern, ein schöner Abschluss für den letzten Sommertag 2021.

~ Cornelia Siebenbürger, ZEIT REISENDE

Tag 17: 23. September, Tallinn – Fährüberfahrt nach Helsinki Finnland – Kotka – Lappeenranta – Imatra

Heute ist Herbstanfang und wir haben einen wunderbaren Blick aus der 15. Etage auf den Hafen und die Lichter der Stadt. Langsam geht die Sonne auf und das alles vom Bett aus – Blick in den Horizont. Aber: hinter dem Horizont gehtˋs weiter. :-). An diesem Morgen gibt es ein besonderes Frühstück mit Blumen, Geschenken und einer Geburtstagskarte mit allen Unterschriften und Glückwünschen aus der Gruppe (Danke!) Der kleine nette Pinguin Anstecker aus der Karte wird uns künftig begleiten – heute geht es mit der Fähre nach Finnland und es wird ja bestimmt noch kälter und dann passt er perfekt zu uns.
Wie immer starten wir pünktlich (wirklich gut unsere Fahrgemeinschaft) In der modernen digitalen Welt hier gab es jedoch kurz vor der Fähre eine Art Wasserloch und das obwohl der Datenschutz hier kein Thema ist. Knapp drei Stunden auf dieser grossen Fähre mit 12 Decks… eine eigene angenehme Welt…. wir gleiten nach Finnland.
An dem (wunderbaren) Frühstücksbüffet gab es heute u.a. auch wieder Kama bzw. Rukkikama. Wir googeln hinterher und wissen jetzt, daß dies typisch estnisch ist und in Finnland Talkkuna heißt und etwas anders zubereitet wird. Wir werden die Augen offen und den Löffel bereit halten.
Auf der Weiterfahrt macht uns Wolfgang mit einem Getränk aus Moltebeeren bekannt (Cloudberry) die in Mitteleuropa sehr sehr selten und hier ein Wahrzeichen von Lappland sind. Auf der finnischen 2 Euro Münze sind sie abgebildet und als Likör im Glas schmecken sie ausgesprochen gut. Wolfgang erklärt uns das in Finnland stark ausgeprägte Jedermannsrecht und viel zu Finnland. Die Küstenlinien (1100 km) der jeweiligen Länder in Bezug auf die Ostsee sind immer wieder interessant und die Einwohnerzahl je Quadratkilometer der Fläche des Landes überraschend (18). Die “BIG 5 bis 8” hier sind der Elch, Luchs, Bär, Wolf und das Vielfrass (Gulo gulo) und darüber hinaus auch der Biber, das Rentier und wir haben noch die Stechmücke ergänzt (denen es aber zur Zeit sicher zu kalt ist um uns zu besuchen).
Bei dem Besuch der Kejserling Ffiskestuda wissen wir heute noch warum dieser Ort von Zar Alexander III und Anhang für die Entspannung und zum Angeln ausgesucht worden ist. (Sicherlich Lachse) Die “Fischerhütten-Häuschen” stehen heute noch idyllisch an einem wunderschönen Ort mit Atmosphäre. Auch die abendliche Fahrt nach Imatra hat viel Atmosphäre und die Dämmerung setzt hier früh ein. Unser Abendessenhunger auch 😉

~ Anette Lösl, ZEIT REISENDE

Tag 18: 24. September, Imatra / Finnische Seenplatte

Herbst. Es ist richtig Herbst. Das haben wir bei der Ankunft im Hotel Imatran Kylpylä in Imatra nicht so richtig mitbekommen, denn gegen 20 Uhr war es bereits finster. Am Morgen ist ein Spaziergang durch einen winzigen Teil der finnischen Seenplatte geplant und danach Zeit, die Spa-Landschaft des Hotels zu geniessen. Wir trafen uns gegen 10 Uhr vor dem Hotel und sind für die Lagebesprechung gleich wieder zurück ins warme Hotel geeilt. Dort wurde
dann alles Wissenswerte zu unseren Aktivitäten besprochen. Die finnische Seenlandschaft ist beeindruckend schön und wir befanden uns mitten in einem Geopark. Von der Größe her passt der Bodensee etwa 8 mal in die Fläche der Seenplatte. Während eines Inselrundgangs über Steine und Wurzeln erfuhren wir viel Neues über Eiszeiten, Endmoränen und Moränenfelder. Die typische Vegetation, wie Birken, Kiefern und anderes Gehölz, wurde diskutiert,
denn immer wieder ergaben sich Vergleiche zu ähnlichen Erfahrungen in unserer Reisegruppe. Im Schutze eines Waldes wurde es dann etwas erträglicher. Den Wind spürte man nicht mehr. Wir fanden Blaubeeren, Preiselbeeren und viele Pilze. Die Beeren waren lecker aber die Pilze fotogener. Wir erfuhren auch, dass getrocknete
Pilze und Feuersteine zum Feuer anzünden benutzt wurden. Daher der Ausdruck: „brennt wie Zunder“!
Es war für uns ein kurzer und leicht zu begehender Waldweg. So hatten wir Zeit, um in kleinen Gruppen über alles Mögliche zu sprechen. Trotz des kühlen Windes war offensichtlich die Seenlandschaft jetzt noch beliebt bei Wanderen und Motorbootfahrern. Im Winter scheint hier ein Paradies für Skilangläufer zu sein. Zur späten Mittagszeit fanden wir uns wieder im Hotel, wo bei einer Tasse Tee oder Schokolade die Lebensgeister wieder erwachten und erst recht nach dem Saunabesuch. Ein Rundrum gemütlicher Tag.

~ Eva und Louis Bauer, ZEIT REISENDE

Tag 19: 25. September, Imatra – Lahti – Helsinki

Heute ist “Bergfest”! Die Hälfte unserer Reisezeit ist rum mit diesem Tag. Dabei haben wir uns doch gerade erst an unsere Mitreisenden, den Bus und daran gewöhnt, dass die Umgebung täglich wechselt. –

Pünktlich um 09:00 Uhr sitzen wir im Bus. Es regnet. – Wir fahren zur Kirche Drei Kreuze, einem als bedeutend eingestuften Werk des finnischen Architekten Alvar Aalto, das im Jahr 1955 hier in einem Stadtteil von Imatra entstanden ist. An der Schwelle des 20. Jahrhunderts geboren, ist Aalto ein Künstler der Moderne. Dieser Bau ist unverkennbar vom Bauhaus beeinflusst. – Haben wir etwas anderes erwartet? Auch diese Kirche blieb verschlossen. Unser Rundgang um das Gebäude lässt uns erschrecken. Von aussen ist die Kirche in ziemlich desolatem Zustand: der Putz bröckelt grossflächig ab, ablaufendes Regenwasser führt zu kräftigem Algenbewuchs. –

Nach knapp zwei Stunden Fahrzeit erreichen wir Verla, wo uns eine historische Holzwerkstoff- und Kartonagenfabrik erwartet. Die im Jahr 1872 gegründete Fabrik, gebaut aus rotem Backstein, lässt erahnen, wie ein “Industriebaron” mit seinen Arbeitern vor rund 150 Jahren die zur Verfügung stehenden Rohstoffe genutzt und einen gewissen Wohlstand in die ziemlich abgelegene Region gebracht hat…

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Weiter geht es in Richtung Lahti. Unterwegs sehen wir Brandspuren an den Bäumen. Die Bäume haben geschwärzte Stämme. In den letzten heißen Sommern wird es hier heftig gebrannt haben.

Um 13:15 Uhr parkt Jens den Bus in Lahti am Fuss der drei Großschanzen. Vier weitere kleine Anlagen, nach Größe gestaffelt, warten auf Kinder und Anfänger. Wir sind beeindruckt. Aber, kann man da hoch? Ja, auf die mittlere der Großanlagen führt eine Treppe. Einige Mutige wagen sich ganz nach oben. Unser Respekt vor den Skispringern, die von dort locker ihren Sprung angehen, ist nahezu grenzenlos. – Belohnt werden wir mit einem Imbiss aus Würstchen und Bier, den Jens für uns vorbereitet hat.

Jetzt stehen wir – es ist kurz vor 16:00 Uhr – auf dem Senatsplatz in Helsinki. Unsere Stadtführerin Maiea, übersetzt heißt das Maiglöckchen, begrüßt uns und erzählt, dass der Zar Alexander I die damals nur gut 4000 Einwohner zählende Stadt im Jahr 1812 zur neuen Hauptstadt bestimmte. Den deutschen Architekten Carl Ludwig Engel beauftragte er mit der Gestaltung des Zentrums der Stadt. Alles überragt der Dom, das “weisse Zentrum” der Stadt. Markt und Markthalle zu Fuß, weiter mit dem Bus, weil Helsinki recht weit ausgedehnt ist. Eleganten Schwung zeigt die neue Nationalbibliothek. Und dann die Konzerthalle von Alvar Aalto. Sie wird gerade wieder renoviert. Schon zwei Mal musste der Carrara-Marmor ausgetauscht werden, weil er offenbar mit dem finnischen Klima nicht harmoniert. – Hatten wir nicht schon heute Morgen einen Bau von Aalto, dessen Außenhaut sich nicht unbedingt wetterbeständig zeigte? – Wir halten am Denkmal der bedeutendsten finnischen Komponisten Jean Sibelius: ein “Baum” aus senkrecht gehängten Metallröhren. Und plötzlich bricht die Sonne durch und taucht alles in strahlendes Licht. Ganz anders als die Musik von Sibelius, die eher voll finnischer Melancholie ist. – Die Felsenkirche wollten wir noch sehen. Sie sei geschlossen, sagt Maiea. Doch die Tür war offen! Ein Konzert soll heute Abend stattfinden, sagte ein Mann an der Abendkasse. Und spontan entschieden sich 10 unserer Mitreisenden, für diesen Genuss auf das Abendessen zu verzichten.

~ Roland Turowski, ZEIT REISENDER

 

Tag 20: 26. September, Helsinki – Pori

Bei Sonnenschein brechen wir pünktlich um 9 Uhr auf und verlassen Helsinki, was wir leider nicht wirklich kennenlernen konnten.
Erstes Ziel ist in 160 km die ehemalige finnische Hauptstadt Turku . Wir fahren vorbei an nicht enden wollenden lichten Birken- und Kiefernwäldern, die in hellem Gelb leuchten. Immer wieder tauchen hohe Felswände aus rotem (schwedischem) oder dunkelgrauem (finnischen) Granit auf, an denen man erkennen kann, wieviel uraltes Gestein für diese Straße zerkleinert werden musste. Manchmal war es auch einfacher, unterschiedlich lange Tunnel durch den Felsen zu bohren.
In Turku besuchen wir die mächtige Burg aus dem frühen 13.Jahrhundert. Sie wurde als Trutzburg angelegt, es kam aber nie zu einer Belagerung. Die teilweise 2 Meter dicken Mauern wurden aus Lesesteinen -mit Mörtel verbunden- aufgebaut. Im 16./17.Jahrhundert wurde die Burg erweitert um einen Pulverturm und einen zweiten Burghof. Heute wird sie als Stadtmuseum genutzt.
Auf dem ehemaligen Wall leuchten die Blätter von älteren Ahornbäumen in den schönsten Herbstfarben. Das herumliegende Laub verlockt zum Sammeln, so dass einige dieser Blätter mit uns weiterreisen.
Die Kaffeepause verbringen wir in Rauma, ca.70 km südlich von Pori. Die Altstadt von Rauma besteht aus über 600 Holzhäusern. Dieser Holzhauskomplex besteht seit 1682 und ist deshalb so gut erhalten, weil er von Bränden verschont geblieben ist. Seit 1991 steht diese Anlage auf der UNESCO Liste des Weltkulturerbes.
Wir nutzen die Zeit und genießen den leckeren Kaffee und Kuchen. Die warme Sonne blendet geradezu.
Die letzten Kilometer legen wir schnell zurück und erreichen gegen 15:40 Uhr unser Hotel in Pori. Dank der frühen Ankunft ergibt sich die Möglichkeit, noch einen Bummel durch die alte Hafen- und Industriestadt am Fluss Kokemäenjoki zu machen.
Bei allem Interesse an unserem Reiseziel schwirrt doch den ganzen Tag ein anderes Thema im Kopf herum: die Bundestagswahl in Deutschland. Da wir alle schon vor der Abfahrt gewählt haben, möchten wir jetzt endlich das Ergebnis erfahren. Nach dem Abendessen werden die Internetdrähte sicher heiß laufen.

~ Ilona und Günter Haß, ZEIT REISENDE

Tag 21: 27. September, Pori – Vaasa

Bäume zeigen heut ihr Herbstkleid,
wechseln zart die Farbenpracht.
Manche sind schon etwas kecker,
haben sich sehr fein gemacht.
Glühend gelb wie 1000 Sonnen,
auch noch grün zum Herbstbeginn,
strahlen sie vor lauter Wonnen,
ziehn vor unseren Fenstern hin.

Birken in den weißen Strümpfen
Glühn in Gelb und in Orange.
Ihre Füße in den Sümpfen
Und so werden sie nicht krank.
Pendeln sanft im Ostseewinde,
sind so rührend anspruchslos.
Kommt der Winter angeschlichen,
lassen sie die Blätter los.
Tannen dämpfen leis das Glänzen,
stehen schüchtern dicht an dicht.
Mücken taumeln wie zu Tänzen,
brauner Boden dämpft das Licht.
Deckt sich zu mit Rentierflechten.
Weiße Schwäne picken Saat.
Schaun nach links und nach dem rechten,
und so werden alle satt.

Bunte Häuser stehn im Felde,
sind gebaut aus Fichtenholz.
Sind der Nordländer Bewohner
Heiße Lieb`und ganzer Stolz.
Ebereschen bieten Speise
Für die große Vogelschar,
diese zupfen rote Beeren,
lassen übrig nur ein paar.
Nur der Elch lässt auf sich warten,
traut sich nicht aus seinem Nest.
Wenn wir ihn dann mal erspähen,
feiern wir ein großes Fest.
Für 3 Schwimmer aus der Gruppe
Lädt die Ostsee noch zum Bad.
außen steht die ganze Gruppe,
springt nicht rein. Das ist doch schad!

Sonnentrunken geht`s nach Vaasa,
Dort neigt sich der Tag zur Ruh.
Gutes Essen stärkt die Geister,
müde Augen fallen zu.

~ Connie Siebenbürger, ZEIT REISENDE

Tag 22: 28. September, Oulu

Weiter geht die Suche nach dem Polarlicht gen Norden. Heute wollen wir 350 km strikt Richtung Norden schaffen, um endlich dem Phänomen des grünen mystischen Lichtes ansichtig zu werden.
Hier im Norden häufen sich jetzt eigenartigerweise die sogenannten URP (ungeklärte Reisephänomene). Uns begegnen hier gerade zwei besondere Phänomene, die dringend mindestens wissenschaftlicher Aufklärung bedürfen; das eine ist technischer und das andere eher physikalischer Natur.
Beide haben mit unseren Hotels zu tun. Das erste liegt an unsere Fahrtstrecke. Wir fahren heute nämlich von unsrem Hotel Sokos Vaakuna zu unsrem neuen Hotel. Es heisst ebenfalls Sokos. Und gestern waren wir auch im Sokos Vaakuna. Wie die Finnen es schaffen, in nur ca. 5-8 Std unserer Fahrzeit ein ganzes Hotel abzubauen und an einen anderen Ort zu transportieren und dort wieder funktionsbereit aufzubauen, ist ein technisch vollkommen ungeklärtes Phänomen. Hinzu kommt das zweite URP. Als wir in Tallinn im Süden übernachtet haben, war die Zimmergröße im Sokos Vaakuna gefühlt noch ca. 2,5 x 3 m, mittlerweile sind wir fast auf Suitengröße angelangt. Normalerweise müssten aus physikalischer Sicht die Zimmer aufgrund der kälteren Temperaturen im Norden eigentlich schrumpfen, weil sich Material bei niedrigen Temperaturen in seinem Volumen verkleinert. Die Erforschung dieses Phänomens ist bestimmt nobelpreiswürdig. Wir fahren ja auch bald nach Stockholm, bis dahin sollten wir das geklärt haben.

Bei uns im Zimmer gab es heute noch ein praktisch schnell gelöstes URP. Unser Wecker hat um 05:30 Uhr geklingelt, obwohl wir erst um 08:00 Uhr losfahren wollen. Für 5×5 qm kann man gar nicht so viel Zeit brauchen zum Aufräumen, aber das lag wohl eher an Claudias Herausforderung, der einstündigen Zeitumstellung Herr/Frau zu werden…

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Nun ja, wir sind damit auf jedem Fall unsrem Ruf der pünktlichsten Reisegruppe (sagt unser Reiseleiter Wolfgang) wieder gerecht geworden und pünktlich um 08:00 Uhr gestartet. Auch nach meiner persönlichen Erfahrung mit meinen bisherigen Reisen sind wir als Gruppe insgesamt eindeutig unter den ersten Drei. Ich habe bisher drei Gruppenreisen gemacht. Aber Spaß beiseite, wir müssen eigentlich die allerbeste Reisegruppe sein, denn wir werden auch heute wieder mit einem Wetter belohnt, was dem Anspruch „ wenn Engel reisen…“ nur gerecht wird. Die Temperaturen beginnen am Morgen bei nur 3 Grad und die Landschaften zeigen erste nordländische Bodennebel.

Bei Temperaturen von dann mehr als 15 Grad am Mittag gilt das hier in der Nähe des Polarkreises als Hochsommer und das gleichzeitig bei blauem Himmel der schönsten Art. Das Licht zaubert alle wunderschönen und romantische Stimmungen in unseren Seelen, die es hier im Norden überhaupt nur erzeugen kann. Bei Musik von Edvard Grieg genießen wir die Landschaft und die stimmungsvolle Musik im Einklang, nur unterbrochen von Lauter- und Leiserrufen der MitfahrerInnen.

Durch bunte, farbdurchtränkte Wälder aus Birken und Nadelhölzern, mit Rentierflechten und vielen Endmoränensteinen geht es voran nach Norden. Man hat das Gefühl, als ob im diffusen Licht der Wälder nicht nur Elche und Rentiere ihr Zuhause finden, sondern auch überall Trolle, Elfen, Berggeister, Meerjungfrauen und sonstige Licht- und Wasserwesen ihre Heimat gefunden haben und wahrscheinlich würden uns auch Odin, Freija, Wotan und Co. im Wald begegnen. Und wenn das Licht am Nachmittag immer noch nicht reicht, hilft unserer Seele nach der Mittagspause flüssiges goldiges Licht aus einem kleinen Gläschen mit Moltebeeren“sirup“.

Vor der Pause haben wir im Bus noch per Video die wissenschaftlichen Hintergründe der Polarlichter kennengelernt und wissen jetzt auch um die mystische Bedeutung. Aber nichts kann die Realität ersetzen, also weiter geht es nach Norden. Jens hat den Bus geputzt, sodass später unser finnischer Fahrer für 3 Tage übernehmen kann. Jens erst einmal ein riesiges Dankeschön für bravouröses und sicheres Fahren bis hier in den Norden.

Um Punkt 14:00 Uhr Ankunft im Sokos. Dieses Mal sind die Zimmer nicht größer geworden dafür aber das Hotel größer und vor allem älter.

Für mich ist die Ankunft in Oulu ein kleiner Flashback. Zum ersten und einzigen Mal bisher war ich in Oulu (vor mehr als 20 Jahren) zu einem Geschäftsgespräch mit dem damaligen Telekommunikationsgiganten NOKIA. Meine Abreise damals im April von Frankfurt bei ca. 25 Grad mit leichtem Businessanzug und Handgepäck, Ankunft in Oulu bei -10 Grad und ca. 1 m Schnee. Alle Menschen in dicken Jacken und Mützen haben sich gewundert wie ein junger Mann mit leichter Anzugsjacke so lange bei Wind und Wetter auf dem Taxistand warten kann. Heute dagegen kommen wir bei 15 Grad und strahlend blauem Himmel an, in Deutschland Regen und 17 Grad und wer ist NOKIA? Die Zeiten ändern sich, Klimaveränderung und als Folge „Baden in der Ostsee“ im Sept/Okt. am Polarkreis. Nur etwas für Hartgesottene (siehe Bild).

Am Abend dann wie immer Essen mit uns von der Gruppe und sonst keine Finnen oder ähnliche sichtbar… Und dann um 22:00 : Claudia und ich waren in einem netten Restaurant in der Nachbarschaft unseres Hotels und haben ein schönes Abendessen genossen und dabei 4 junge PTA Praktikantinnen aus Hamburg getroffen, die an der Uniklinik in Oulu ein längeres Praktikum machen und uns auf Nachfrage sofort mit ihrer Aurora App bestätigt haben, dass heute um 22:00 Chancen für Polarlicht gegeben sind. Auf dem Rückweg – nachdem wir nichts gesehen haben – haben uns dann Günter und Ilona überredet, noch einen Beobachtungsversuch zu machen. Und wir haben dann tatsächlich mit mehrfachen Zeugen grüne Polarlichter am nördlichen Horizont erkennen können, zwar schwach aber eindeutig. Das war für mich eines der großen Ziele der Reise: erfüllt!

~ Manfred Kennel, ZEIT REISENDER

 

Tag 23: 29. September, Oulu – Rovaniemi: Tag der Zufälle und Überraschungen

Das nordische Phänomen Polarlichter am nächtlichen Sternenhimmel zu sehen, hat seinen ganz besonderen Reiz. Wann, wie lange und mit welcher Intensität man es sehen kann, lässt sich nur vage vorhersehen. Der Zufall spielt hierbei eine ganz große Rolle – und natürlich müssen auch die Sonnenwinde, die auf das Magnetfeld unserer Erde treffen, mitspielen. Die Wetterlage stimmte: Klarer, wolkenloser Himmel, ein freier Blick nach Norden zum Horizont ohne störende Bebauung, Schmutzlichter und grell leuchtende Autoscheinwerfer oder Straßenlaternen. Mein Tag begann somit um 0:15 Uhr. Mutterseelenallein stand ich bei moderaten Temperaturen um die 8° C. am nächtlichen Ostseestrand von Oulu. Kamera gezückt, Verschlusszeit auf 6.500stel eingestellt, hieß es nun warten, warten, warten. Dann ein grünlicher Streifen knapp über dem Horizont. Das Naturschauspiel nahm seinen Lauf. Die Grünfärbung wurde langsam intensiver. Das Sternbild des Großen Bären (Ursa Major), oder auch unter dem Namen Großer Wagen bekannt, war deutlich sichtbar. Fotografieren aus freier Hand, denn ein hilfreiches Stativ hatte ich nicht dabei, war nun angesagt. Luft anhalten oder besser langsam ausatmen, die Scharfeinstellung manuell regulieren, den Auslöser der Kamera betätigen und gleichzeitig das Wechselspiel des Polarlichts am schwarzen Nachthimmel im Auge zu behalten – alles geschah gleichzeitig. Mal verblasste das ersehnte Polarlicht fast gänzlich, dann wieder nahm die Grünfärbung leicht zu. Ich vergaß die Zeit um mich herum. Um 1:45 Uhr kehrte ich schließlich in mein Hotelzimmer zurück. Müde aber glücklich fiel ich ins Bett. Der Wecker um 6 Uhr holte mich aus meinen Träumen wieder in die Realität zurück…

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Frühstück – Check-out – Weiterfahrt im Bus von Oulu nach Rovaniemi. Heute steuerte Leo, ein deutsch-finnischer Busfahrer unseren Bus, denn unser Fahrer Jens musste seinen gesetzlich vorgeschriebenen, freien Tag einhalten. Der nächste Zufall trat gleich hinter Kipinä ein. Mitten auf einer Rodungsfläche stand ein Elch. Zwar ein Jungtier, aber immerhin ein freilebender, echter und lebender Elch. Die Population von Elchen ist gar nicht so gering, man sieht sie nur nicht. Jährlich werden rund 65.000 Tiere in Finnland zum Abschuss freigegeben. Doch die stattlichen Tiere verstehen es sich gut zu verstecken, tarnen sich im Lichterspiel der Birkenwälder bzw. man erkennt sie nicht im Hell-Dunkel der Wälder oder hält sie, wenn sie im Gras liegen, für Steine. Dann taucht Zufall Nummer drei auf: Das erste Straßenschild weist auf den Wildwechsel von Rentieren hin. Nur kurze Zeit später sehen wir unweit der Straße fünf Tiere, dann nochmals zwei und dann eine Gruppe von etwa zehn Rentieren. Polarlicht, Elch, Rentiere – was begehrt das Herz eines Nordlandfahrers mehr?

Am frühen Nachmittag erreichen wir schließlich den Polarkreis. 66°33‘55‘‘ beträgt dieser Breitenkreis. Doch wir lesen vor Ort auf dem Boden 66°32‘35‘‘. Was soll denn dies? Ein Schreibfehler in dem durch die Pisa-Studie bekannten Finnland? Wo liegt hier der Fehler? Lösung: Da sich die Neigung der Erdachse langsam ändert, verlagert sich auch der Polarkreis um 14,449 Meter pro Jahr in Richtung Nordpol. Man hat hier nur nicht die für Touristen optisch eindrucksvolle Kennzeichnung angepasst. Knapp 100 Meter weiter nördlich wäre eigentlich der richtige Standort gewesen. Hingegen entwickelt sich der touristische Rummel um den Weihnachtsmann – nicht den heiligen Bischof Nikolaus aus Myra, sondern die rot-weiße Gestalt mit Rentierschlitten, von einem weltweit bekannten Getränkekonzern ins Leben gerufen – immer weiter.

Wir feiern unseren Schritt über den nördlichen Polarkreis und somit den offiziellen Eintritt in die Polarregion mit einem Eisbonbon. Rund 8 km weiter nördlich auf einem idyllisch, an einem See gelegen Grillplatz, stoßen wir mit Sekt auf dieses Ereignis an. In dem aus Holz errichteten Tipi brennt das offene Holzfeuer und an den selbst zugespitzten Zweigen brutzelt die Bratwurst. Eine tolle Stimmung! Wir sitzen oder stehen am wärmenden Feuer, gesättigt und rundum zufrieden. Einige Stimmen regten sogar an, ob man nicht das geplante Abendessen nach hier legen sollte. – Und da soll noch jemand sagen, dass man in der Polarregion friert und nur Entbehrungen auf sich nehmen muss. ZEIT-Reisen kann ja mal eine Gruppenreise zum Nordpol andenken; es sind ja schließlich nur noch 2.600 km bis dorthin. Lediglich die Anreise mit dem Bus könnte sich als Problem herausstellen. Aber auf dem Landwege zum Nordkap sind es nur noch 700 km. Einige aus unserer Gruppe würden diesen „Abstecher“ direkt umsetzen. Stattdessen kehren wir nach Rovaniemi zurück und freuen uns auf den weiteren Verlauf der Reise rund um die Ostsee in den kommenden zwei Wochen.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

 

Tag 24: 30. September, Rovaniemi-Tornio-Lulea-Skelleftea

Heute bleiben die Autoscheinwerfer im Leuchtmodus – der Himmel ist tief verhangen, als wir nach einem schönen Frühstück mit Moltebeeren Marmelade gestärkt und bereit für den Tag zu unserem Gastfahrer Leo in den Bus steigen und den nördlichsten Punkt unserer Reise verlassen.
Leo, der Schwarzwälder, der seit über 30 Jahren in Finnland lebt, berichtet Erstaunliches aus seinem Alltag. Momentan hat er einen begehrten Fahrereinsatz für die 1.000-2.000 Thailänder, die jedes Jahr für 2-3 Monate inklusive ihrer eigenen mitgebrachten Verpflegung eingeflogen werden, um Beeren zu sammeln. Da hier das „Jedermanns-Recht“ greift, dürfen sie dies steuerfrei überall im Lande tun und damit, für ihre Verhältnisse, gutes Geld verdienen. Den Finnen ist die Ernte wohl zu mühsam geworden, wie Leo meint. Das kommt mir alles sehr bekannt vor, wenn ich an Erntehelfer in Deutschland denke.
Wobei sich die Ernte lohnt: Pro kg Preiselbeeren werden 1-2 Euro umgesetzt, für die seltene Moltebeere 20 Euro pro kg. Ein Bekannter habe wohl gerade 250 Eimer gefüllt…
Nachdem wir noch gestern von einem durchreisenden deutschen Paar von ihren besonderen Erlebnissen gehört haben und sich darunter eine spannende Beschreibung von abenteuerlichen Stromschnellen befand, steuern wir diese überraschend genau in diesem Moment am Fluss Tornionjoki an. Der Fluss ist in wilder Bewegung und alleine vom Anblick der baufällig wirkenden Stege wird mir schwindelig. Hier, bei Kukkolankoski, der größten und berühmtesten Stromschnelle des Flusses, sollen sich täglich Fischer mit ihren Angeln, Reusen und Netzen aufhalten – aber wir sehen keine. Vorerst. Nach einigen Minuten nähert sich ein Jeep und ein wetterfest eingekleideter Finne eilt zum Wasser. Einst Vizepräsident eines großen finnischen Stahlbetriebes, wie er mir redselig erzählt, hat sich als Rentner dem Fischen verschrieben. Und nun verfolgen wir das Spektakel des traditionellen Neunaugen-Fanges. Normalerweise befinden sich 100-500 der aalförmigen Neunaugen in der Reuse, heute sind es drei. Aber wir staunen trotzdem so ein bisschen sensationslüstern, als der Fischer die Tierchen auf die Handrücken unserer Mitreisenden legt. Sofort saugen diese sich mit weit geöffnetem Maul auf der Haut fest. Diese lebenden Fossilien sind vom Anblick her sehr gewöhnungsbedürftig, aber extrem beliebt bei den Einheimischen, wie mir der Finne versichert. Die Restaurants und Händler würden ihn täglich anrufen, um eine neue Verkaufsquote mit ihm zu vereinbaren…

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Nun ist Wolfgang wieder am Zuge, um uns zu ködern. Sein Thema: Struve. Wer ist Struve? Der deutsch/baltische Astronom Struve (1793-1864) hat aufgrund seiner Vermessungsarbeiten von Hammerfest bis ans Schwarze Meer mit einem Sextanten und mithilfe der Triangulation (Dreiecksvermessung) erstmals gezeigt, dass die Erde nicht einfach komplett gerundet, sondern an den Polkappen abgeflacht ist. Damit waren auch Newtons ehemaligen Vermutungen bestätigt. Diese fast 40 Jahre währende Arbeit mit ihren Vermessungspunkten ist heute ins UNESCO-Erbe aufgenommen und wird als Meridian- bzw. Struve-Bogen bezeichnet. Der heutige Vormittag steht im Zeichen Struves, denn der nächste Haltepunkt ist die Kirche Alatorneo in Tornio, deren Kirchturm als einer der Referenzpunkte (65°49`48“N und 24°09`26“O) für Struves Vermessungsnetzwerk gilt. Automatisch zählt daher auch die Kirche zum Naturerbe. Es erscheint wie ein kleines Wunder, dass wir durch das Umkleidezimmer des Pfarrers in das Gebäude eintreten können, denn bisher waren wir gewohnt, stets vor verschlossenen Türen zu stehen. Eine kleine Bandaufnahme auf Deutsch bringt uns ihre Geschichte näher. So bewundern wir die Uhr, die keine Stunden zählt, dafür aber alle 15 Minuten schlägt, die beiden Orgeln, von denen nur noch eine funktioniert oder den kleinen Altar, der extra für Kinder in voller Ausrüstung mit Messbecher und allem Drum und Dran nachgebaut wurde und den diese zum spielen frei nutzen dürfen, wenn es ihnen während des Gottesdienstes zu langweilig wird. Genau so wird Manfred und mir dies auf Nachfrage erzählt.

Nur wenige Kilometer später verabschieden wir Leo schon wieder dankend für seine guten Dienste und lassen Jens ans Ruder oder einfach Lenkrad. Dieser passiert wenig später die schwedische Grenze. Wir hätten das kaum bemerkt, wenn nicht bereits von weitem ein weltweit bekanntes Möbelhaus mit weit leuchtenden gelben Buchstaben auf blauem Gebäude auf seine schwedische Herkunft hingewiesen hätte. So, und nun die Uhren bitte wieder um eine Stunde zurückdrehen, damit wir auf dem gewohnten mitteleuropäischen Stand sind. Die sich links und rechts des Busses unendlich ausdehnenden Birkenwälder mit den schmalen Baumsilhouetten in ihrem goldgelben Herbstkleid verlocken während des Vorbeirauschens, sich einem einwiegenden meditativen Bewusstseinszustand hinzugeben – also setze ich schnell mal meine In-Ear-Ohrhörer ein und lausche mediterranen Rhythmen von L´Appregiata, die eine ganz andersartige Sogwirkung entfalten, aber wach halten. Stund um Stunde rollen wir dahin. Es ist schön, sich so in der Unendlichkeit der fast leeren Straße zu verlieren.

Bei einem kurzen Fotostopp in einer unscheinbaren kleinen Hafenanlage irgendwo bei Lulea betrachten wir verständnislos eine hütchenförmige gelbe Tonne, die im Bottnischen Meerbusen verankert ist. Ahhh, kurze Erklärung von Jens: wir befinden uns am nördlichsten Punkt der Ostsee! Kleines Hütchen, große Wirkung. Dass wir nun nach weiterer Fahrtstrecke erneut eine Weltkulturerbe-Stätte in Gammelstad anfahren, habe ich nicht erwartet – eigentlich hörte ich zuvor im Hintergrund nur das Wort „Kirche“ und meine Ohren klappten zu. Geschlossene Kirchentüren werden langsam zum Albtraum. Dass es aber so unerwartet interessant werden würde, ist eine wunderbare Überraschung. Schweden hat von ehemals 71 existierenden Kirchstädten noch 16 erhaltende. Und Gammelstad ist mit 408 Häuschen die größte und am besten erhaltene Kirchstadt. Aber was ist das wohl, eine Kirchstadt? Traditionell haben sich rund um eine Kirche (in diesem Fall seit mindestens dem 16. Jahrhundert) kleinste Häuschen angesammelt, um Kirchbesuchern quasi ein „Feiertagswohnen“ zu ermöglichen. Die Wege im weit zersiedelten Norden waren weit und so manches dichte Schneetreiben hat wohl eine Heimkehr nach dem Kirchgang so stark behindert, dass Lösungen geschaffen werden mussten. Wie das Leben so spielt, hat im fast menschenleeren Gammelstad gerade der Besitzer eines der Häuschen sein Auto vollgepackt, um für diesen Herbst wieder in heimatliche Gefilde zurückzukehren und die vier Wände hier bis zum nächsten Jahr abzuriegeln. Auch diesmal bin ich von der ausgeprägten Freundlichkeit der nordischen Bewohner überrascht. Als er unsere neugierigen Gesichter durchschaut, bietet er sofort an, einen Blick in seine Räumlichkeiten zu werfen. Bleiben wir doch in der Einzahl, denn es handelt sich um ein kleines Bett inmitten eines einzelnen Zimmerchens mit einfachem Tisch und 2 Stühlen. In der Ecke steht ein Kamin, in den 2 elektrisch betriebene Herdplatten eingeschoben sind. Ein schmaler Schrank vollendet das Interieur. Auf die Frage nach seinem Bad dreht er sich um und weist auf die Gemeinschaftsdusche und die gemeinsamen Dorftoiletten im Gebäude schräg gegenüber. Das ist dann alles. Und genau so oder in leicht abgeänderter Form sind auch alle restlichen falunrot gefärbten Holzhäuser ausgestattet. Sehr klein und sehr bescheiden leben oder lebten hier seit Jahrhunderten ganze Familien, um der wunderschön ausgestatteten Kirche ihre Ehre zu erbieten. Auch sie steckt voller Überraschungen (wie z.B. das Stundenglas auf dem Altar, das den Pfarrer mahnt, auf seine Zeit während der Predigt zu achten), aber diese aufzuzählen würde hier den Rahmen sprengen. Nachdem uns Jens erneut mit einem kleinen Imbiss am Bus versorgt hat (Thüringer Würstchen aus seiner Heimat), nähern wir uns langsam unserem Ziel Skelleftea. Die Strecke wird durch einen kleinen Film über das Land verkürzt und so sehen wir das, was wir auf dieser Reise leider nicht erleben werden: die diversen typischen Sommersonnwendfeste, die Sommervergnügungen an Land und zu Wasser, die schwedische Gelassenheit und vieles mehr. Aber er ergänzt das Bild zu diesem schönen Land.

~ Claudia Kennel, ZEIT REISENDE

 

Tag 25: 1. Oktober, Skellefteå – Sundsvall

Bei der Abfahrt werfen wir einen letzten Blick auf das Sara Kulturhus, in dem wir gestern unverhofft und überraschend eine private Führung bekamen.
Mit 20 Stockwerken und 80 Metern Höhe ist es eines der höchsten Häuser der Welt, dessen Struktur zur Gänze aus Holz besteht. Es beherbergt ein Theater mit 1200 Sitzplätzen, ein Museum, eine Galerie, die Stadtbücherei und ein 200 Zimmer Hotel mit drei Restaurants.
Dank neuer Holzversiegelungstechniken kann man solche Häuser bauen, da im Falle eines Brandes nur die oberste Holzschicht verkohlt und dann die unteren Schichten vor der Hitze schützt.

15.000 Bäume aus der Region wurden für diesen Bau verwendet und es wurde die gleiche Anzahl wieder aufgeforstet.
Vor uns liegt heute eine Strecke von ca. 460 km. Wir fahren über die E 4, die Durchgangsstraße von Nord- nach Südschweden. Von der Ostsee sehen wir zunächst mal gar nichts. Der Himmel ist grau, die Luft feucht und kalt: 9 Grad!
Nach der Kaffeepause öffnet Wolfgang seine Gesteinskiste und lässt uns seine Schätze schauen. Es sind alles Gesteine, die hier in dieser Gegend zu finden sind: Schiefer, Stromatolit, Pyrit, Bleiglanz. Wir reichen sie durch die Reihen und wundern uns über den Glanz und das Gewicht. Seine Goldklumpen hat Wolfgang allerdings nicht hervorgeholt!

Plötzlich passieren wir eine große Straßenbaustelle. Mitten in der geplanten Trasse liegen haushohe Findlinge. Manche sind angebohrt und mit roten Trichtern bestückt. Die sollen wohl gesprengt werden. Günter ist immer wieder enttäuscht, dass er von dieser Findlingsansammlung nicht einen einzigen mitnehmen kann.

Die Landschaft ändert sich plötzlich: Bei Örnsköldsvik beginnt die reizvolle Högakusten. Diese Küste hat sich seit der letzten Eiszeit um 286 m angehoben und es sind Berge, Grotten und Höhlen entstanden. Auch heute hebt sie sich immer noch. Das Gelände ist abwechslungsreich und hügelig, und wir können teilweise weit in die Landschaft gucken. Unser nächster Stopp ist bei einer der längsten Hängebrücken der Welt, die mit 1800 m das Mündungsdelta des Angerman Älv überspannt.

Die letzten Kilometer legen wir schnell zurück und erreichen Sundsvall.
Diesen langen Reisetag beendet Günter gerne mit einer Ganzkörpermassage zur Entspannung.

~Ilona und Günter Haß, ZEIT REISENDE

Tag 26: 2. Oktober, Sundsvall – Uppsala – Stockholm

Der Tag stand ganz im Zeichen des berühmten Botanikers Carl von Linné (1707-1778). Wir „entwickelten“ uns aus der engen Kapsel, sprich Einzelzimmer im Hotel in Sundsvall, und konnten uns dann wieder so richtig in unserem Bus entfalten. Nach einem kleinen Zwischenstopp in der Altstadt von Gävle mit seinen typischen, gut restaurierten Holzhäusern, die durch die Mixtur von weniger schönen Wohn-Zweckbauten und historischer Bebauung nicht in die UNESCO-Weltkulturliste aufgenommen wurde, war unser Hauptziel des Tages Uppsala. In der Universitätsstadt pulsierte das Leben. Durch enge Straßen navigierte unser Fahrer Jens den Bus zum vorgesehenen Parkplatz. Wir waren der einzige Bus auf dem maximal für zwei Busse vorgesehen Parkplatz. Glück gehabt! Normalerweise reihen sich hier Bus an Bus. Eine positive Auswirkung der Corona-Pandemie !?. Wir waren am Ziel: Die Stadt mit ihrem wohl berühmtesten Bürger, Carl von Linné. Ich war zwar nicht Student aus Uppsala sondern nur aus Bochum, doch auch an der Ruhr-Universität wurde ich damals als angehender Biologe bereits mit Linné konfrontiert. Seine berühmte, von ihm entwickelte binäre Nomenklatur in der Botanik und der Zoologie gilt bis heute. Den Inhalt seines Buches „Systema Naturae“ begleitete mich durch das ganze Studium. Kein Bestimmungskurs ohne die international anerkannte und umgesetzte Taxonomie. Klasse, Ordnung und Familie führten zu der zu bestimmenden Pflanze. Gattungs- und Artname machen sie absolut eindeutig. Schon unterwegs habe ich die Mitreisenden darauf eingestimmt. Betula pendula, die Hänge- oder Weißbirke, Pinus nigra, die Wald- oder Schwarzkiefer und auch die Gemeine Fichte, Picea abies, sind uns zu vertrauten Weggefährten geworden. Die von ihm erstbestimmten Pflanzen und Tiere werden nach dem Artnamen mit einem „L.“ (L = Linné bzw. Linnaeus) gekennzeichnet. Im imposanten Dom, direkt nahe des Eingangsbereiches, fanden wir Linnés letzte Ruhestätte: Eine schlichte Bodenplatte mit eingraviertem Namen. Hier ruht also Carl Nilsson Linnaeus, der später geadelte Carl von Linné…

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Im prunkvoll gestalteten Dom im gotischen Stil gab es noch zwei weitere, bedeutende Grabstätten: die von König Eric und die von König Gustrav Wasa. Der Dom leerte sich mit einem Mal von den Durchgangsbesuchern, denn ein einstündiges Orgelkonzert war angesagt.

Ich nahm meinen Weg wieder auf, um auf den Spuren Linnés weiter zu wandeln. Sein ehemaliges Wohnhaus beherbergt heute ein kleines Museum, das jedoch geschlossen hatte. Ebenso konnte man nur durch das verschlossene Eisentor einen Blick in den historischen Linné-Garten werfen. Aber eine sehr angenehme Alternative tat sich vor mir auf. Im gegenüber liegenden Café Linné stimmungsvoll ein Heißgetränk einnehmen. Ich stand vor der botanischen Wahl einen Coffea arabica L. aus der Familie der Rötegewächse oder eine „Götterspeise“ Theobroma cacao L. aus der Familie der Malvengewächse zu bestellen. Ich entschied mich für das letztere. Wohl gelaunt, kehrte ich zu unserem Bus zurück und weiter ging die Fahrt über Schloss Drottningholm, Wohnsitz der königlichen Familie, nach Stockholm.

Was wäre aber der Abend in Stockholm ohne … Ja natürlich, Linné fehlte noch. Nach dem Abendessen spazierte ich entlang des Mälarsees bis zum Stadthus und weiter auf die Insel Riddarholmen mit der gleichnamigen Kirche. Vor mir lag die Altstadt Gamla stan. Durch die nächtlichen Gassen erreichte ich bald das königliche Stadtschloss. Die Rückseite war aufgrund von Renovierungsarbeiten durch riesige Gazetücher verhangen. Auf der anderen, bereits renovierten Längsseite des Schlosses, sah ich ihn endlich. Als 3 m hohe Figur aus Sandstein gemeißelt, steht Carl von Linné in einer Nische und schmückt zusammen mit fünf weiteren, namhaften schwedischen Persönlichkeiten die Schlossfassade. Jetzt konnte ich beruhigt den Rückweg zum Hotel antreten.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

 

Tag 27: 3. Oktober, Stockholm

Nach einem tollen Erlebnis am Abend zuvor: dem Besuch im Stampen – dem ältesten Jazzkeller Stockholms – ist das Erwachen am Morgen besonders fröhlich.
Das Frühstück in unserem Hotel bietet leckere Speisen in gastlichem Rahmen. So gefällt uns die Reise.
Das war in den vergangenen 26 Tagen nicht immer so. Oft waren wir nicht nur vom Frühstücksangebot sondern von der ganzen Hotelqualität mehr als enttäuscht. Manchmal konnte man nur über einen 30 cm breiten Durchgang unter dem Wandfernseher hindurch ins Bett kommen. Schön wäre es auch gewesen, wenn die Hotels mehr im Zentrum lägen. Bei den oft sehr kurzen Aufenthalten wäre es dann möglich, die Städte bei einem kleinen Abendbummel etwas kennen zu lernen. (Kommentar der Redaktion: Die Kritik an der Auswahl der Hotels wurde zur Kenntnis genommen und wird bei der Überarbeitung dieser Pilotreise für kommende Touren berücksichtigt)

Um 10 Uhr treffen wir heute unsere sehr kompetente Stadtführerin Birgitta. Bei regnerischem, stürmischem Wetter zeigt sie uns ihre Stadt auf all den Inseln im Mälarsee. Zunächst besuchen wir das Stadshuset, das Rathaus, das von dem Architekten Ragnar Östberg in Anlehnung an venezianische Paläste gestaltet wurde. Trotz der vielen Natursteinsäulen entstand kein südländisches Flair, denn die Wirkung des Ziegelmauerwerks war wesentlich stärker. Die bei den Ausgrabungen der Burg gefundenen Ziegel waren Grundlage und Muster für die 8 Millionen neu zu backenden Steine.
Leuchtend prangen drei goldene Kronen auf dem 106m hohen Turm als Symbol für die drei skandinavischen Staaten.
Bei der weiteren Stadtrundfahrt fallen viele gut gestaltete Bauten aus Back- und Natursteinen auf.
Deutlich können wir sehen, dass die Stockholmer ihr Wasser lieben. Neben den zahlreichen Ausflugsbooten sind so viele Segel- und Motorboote zu sehen, dass man vermuten kann, jeder Stockholmer ist ein Freizeitkapitän.
Das schlechte Wetter heute hat auch eine positive Seite: können doch bei diesem Wind keine Kreuzfahrtschiffe anlanden. So können wir ungestört unsere Führungen genießen – obwohl wir ja selber auch zu den Touristen gehören, die die Städte überlaufen…

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Immer wieder begegnet uns auf unserer Tour Alfred Nobel in der Stadt: Da ist das Nobel-Haus, in dem die Ehrungen und Festlichkeiten für die Preisträger stattfinden, da ist, die Nobel-Ehrentafel im Rathaus, auf der alle fünf Preise dargestellt sind: Medizin -Physik – Chemie – Literatur – Friedensbemühungen und da sind auch die Baustellen in der felsigen Stadt, die durch seine Erfindung (Dynamit) große Erleichterung erfahren. Leider wurden mit Dynamit auch erhaltenswerte Gebäude aus der Stadt entfernt, wie Birgitta anmerkt.

Von Birgitta erfahren wir auch, dass in Stockholm grundsätzlich beide Elternteile arbeiten gehen. Die Geburtenrate ist sehr hoch, nämlich 2 Kinder pro Frau, und die meisten Geburten sind im August/September. Aber auch Hunde profitieren im Sozialstaat von der Fürsorge. Es ist verboten, Hunde tagsüber alleine in der Wohnung zu lassen, Deshalb gibt es Hundetagesstätten und Hundesitter für ca. 300-400 Euro im Monat. Von den vielen Kunstwerken und Skulpturen, die wir in der Stadt gesehen haben, soll hier nur eine erwähnt werden: Es handelt sich um die kleinste Skulptur in der Stadt. Sie befindet sich hinter der finnischen Kirche. Hier ist ein kleiner Junge abgebildet: Järnpojke, der Junge, der auf den Mond sieht. Wir haben dazu unseren größten Fotografen und Reiseleiter abgelichtet. Den krönenden Abschluss unserer eintägigen Tour durch Stockholm erleben wir im Vasa-Museum. Ein großes Glück für die Nachwelt und damit auch für uns war das Versagen der Schiffbauer, ein seetüchtiges Schiff zu bauen.

Unvorstellbar ist es, dass ein solch hölzerner Koloss aus 1000 Eichstämmen mit der damaligen Handwerkskunst gebaut werden konnte. Besonders mit den damals nur vorhandenen einfachsten Gerätschaften. Aber die ganze Pracht konnte nur 1300 Meter weit schwimmen. Dann blies ein Wind, beendete die Fahrt, und das Schiff sank auf den Meeresgrund, wo es 333 Jahre ruhte. Dann kamen andere Techniker mit Tauchern und Schwimmdocks, hoben das Schiff und ermöglichten die Rückfahrt in den Hafen. Ein prächtiges Museum wurde um das Schiffswrack gebaut. Für uns ist es der gelungene Abschluss unserer Stadtbesichtigung.

Weil unser Hotel wieder einmal etwas außerhalb liegt, muss zum Abendessen in der engen Altstadt der Bus bewegt werden. Die zeitliche Begrenzung lässt eine entspannte Atmosphäre nicht wirklich aufkommen. Das hätten wir uns für Stockholm – zumal am Tag der deutschen Einheit – anders gewünscht.

~ Ilona und Günter Haß, ZEIT REISENDE

 

Tag 28: 4. Oktober, Stockholm – Kalmar: Am Zimtschneckentag durch Astrid Lindgrens Småland

Zimtschneckentag! In der Tat, jedes Jahr am 4. Oktober wird in Schweden der sog. Zimtschneckentag gefeiert. Dann gibt es überall in den Bäckereien diese leckere Backware mit Zimt und Hagelzucker zu kaufen. Einfach köstlich! Meist bleibt es nicht nur bei einer Zimtschnecke. Gut gestärkt – leider am Frühstücksbuffet noch ohne Zimtschnecken – geht es bei regnerischem Wetter in Richtung Norrköping. Südlich der Stadt überqueren wir den Göta-Kanal. Dieser 190,5 km lange, künstliche Wasserweg wurde 1832 eröffnet. Rund 58.000 schwedische Soldaten haben von Hand mit Schaufeln, Spitzhacken, Hammer und Meißel diese Wasserstraße durch Südschweden von Hand gegraben. Eine bautechnische Herausforderung und eine menschliche Meisterleistung. 58 Schleusen muss man heute passieren und dabei einen Höhenunterschied von 91,5 m überwinden, will man von der Ostsee bei Söderköping an den Kattegat bei Göteborg gelangen.
Das Wetter wird besser. Blauer Himmel lässt sich blicken und die Sonne schein. Ein herrlicher Herbsttag. Wir entscheiden kurzerhand unsere direkte Fahrstrecke mit einem kleinen, aber lohnenden Umweg von 80 Kilometern zu versehen. Wir folgen der Autobahn bis Mjölby. Von dort aus geht es fast immer parallel zum Göta-Kanals bis zur Schleusenanlage von Borenshult. Zwar findet zu dieser herbstlichen Jahreszeit kein Schiffsverkehr mehr statt, aber die fünf Schleusenstufen sind allemal sehenswert. Nächster Stopp ist dann die mächtige Schlossanlage von Vadstena mit ihrem rund umlaufenden Wassergraben. Auf der gegenüberliegenden Seite unseres Busparkplatzes hat ein Café geöffnet. Natürlich muss ich hier die erste Zimtschnecke des Tages probieren. – Es ist ja schließlich der offizielle Zimtschneckentag! Das süße Backwerk lässt sich bezüglich des Zuckergehaltes nur noch von der Polkagris aus Gränna toppen. Hier produziert man die bekannten rot-weiß gebänderten Zuckerstangen, die die Schweden sich gerne zu Weihnachten in den Weihnachtsbaum hängen oder in ein weihnachtliches Blumengesteck stecken. Inzwischen gibt es die Zuckerstangen in allen Geschmacks- und Farbvarietäten. Ob da ein stilles Abkommen mit zwei bekannten europäischen Konzernen in Ludwigshafen am Rhein und Leverkusen besteht? – Ich bleibe lieber bei den Zimtschnecken…

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Weiter geht es durch die leicht hügelige Landschaft des Smålandes. Kleine Ackerfluren wechseln sich ab mit Weideland und Waldgebieten. Dazwischen immer einzelne Gehöfte oder kleinere Hausansammlungen in dem typischen Falun-Rot. Ein idealtypisches Landschaftsbild von Südschweden! Hier erwartet man förmlich, dass gleich der vorwitzige Kater Findus und der alte, etwas schrullige Bauer Pettersson aus den herrlich illustrierten Kinderbüchern von Sven Nordqvist aus dem Wald treten, um uns zu begrüßen. In dieser Region, genauer gesagt in Vimmerby, ist die Schriftstellerin Astrid Lindgren geboren. Ihre Kinderbücher von Pippi Langstrumpf, die Kinder von Bullerbü und dem Michel aus Lönneberga sind weltweit bekannt. Einige Geschichten sind auch verfilmt worden. Wir fahren einen ehemaligen Drehort bei Mariannelubnd an. Leider sind alle Einrichtungen und Kulissen geschlossen bzw. demontiert. Aber die Landschaft drumherum ist schon faszinierend. Wege und schmale Trampelpfade führen durch die Kiefern- und Fichtenwälder mit ihren auffallend hohen, schlanken Stämmen. Im Unterholz wachsen Preiselbeeren und Rentierflechten. Die größere Lichtungen werden von kleinere Seen mit Teichrosen, gesäumt von einem Schilfgürtel, eingenommen.

Wir fahren weiter durch die verträumte, kleine Ortschaft Lönneberga, vorbei an Bullerbyn, und gelangen nach einem kleinen Regenschauer mit Regenbogen und einem blutroten Abendhimmel am frühen Abend nach Kalmar, unserem Übernachtungsstandort für zwei Tage. Die Geschäfte in den schmalen Straßen der Innenstadt auf der Insel Kvarnholmen sind noch geöffnet. In den Cafés und Konditoreien werden die letzten Zimtschnecken verkauft. Auch ich habe noch eine erwischt. Sie müssen ja nicht bis zum 4. Oktober des nächsten Jahres liegen bleiben. Dann wären sie steinhart und nicht mehr so lecker. – Dieses „Opfer“ bin ich gerne eingegangen.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

 

Tag 29: 5. Oktober, Kalmar

Kalmar, wo oder was ist das? Wer hat schon je davon gehört?
Ist das ein Örtchen im Badischen?

Nun, wir werden das heute rausfinden. Aus der Metropole Stockholm hat es uns an den Öland-Sund verschlagen. Gestern kamen wir spät im Dunkeln an und haben nach dem Abendessen nur noch die Füsse hochgelegt.

Unsere Stadtführerin Mia erwartet uns pünktlich um 10.00 Uhr am Hotel.
Wolfgang begrüßt sie mit den Worten: “Ich habe gestern und heute früh ganz oft versucht, Dich telefonisch zu erreichen, das hat aber nicht geklappt.” “Dann zeig mir doch mal die Nummer, die Du angerufen hast! Da ist ja eine 0 zu viel!”
Ja sowas, wer hat denn da eine Null eingeschmuggelt!

Im Roadbook hat Wolfgang ja bereits wichtige Daten und geschichtliche Hintergründe beschrieben. Zu ergänzen ist noch, das Kalmar zu Smaland gehört, das wir ja gestern mit dem Bus durchfahren haben.
Mia beschreibt uns sehr anschaulich, dass es vor dem jetzigen Kalmar schon ein älteres Kalmar gab. Die vielen Kämpfe zwischen den Dänen und den Schweden haben jedoch dazu geführt, dass “alte” Kalmar aus strategischen Gründen dem Erdboden gleich gemacht wurde. Die Stadt wurde verlegt und als “neues” Kalmar
(Kalmar = Mühleninsel) in der Zeit von ca. 1650- 1700 neu aufgebaut. Wichtige Utensilien (z.B. Taufbecken..) und wertvolles Baumaterial wurden übernommen und weiter verwendet.
Unser Weg führt uns durch verschiedene Straßen Richtung Marktplatz. Es hat vor nicht so langer Zeit mal eine Befragung bei den Kalmariten gegeben. Sie sollten die schönsten Gebäude der Stadt benennen, gewonnen hat das Haus von Christian Carsten (1667), am zweiten Platz landete “Tripp Trapp Trull”.

Am Marktplatz dominiert das Rathaus und der Dom, er hat erstaunlicherweise keinen Turm….

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Im August findet hier auch der Ironman statt, ein sportlicher Wettbewerb mit drei Disziplinen: Laufen, Schwimmen und Fahrrad fahren. Durch Medien besonders bekannt ist der Ironman von Hawai, der für die teilnehmenden Sportler die Krönung ihrer sportlichen Karriere bedeutet. Jedenfalls startet und endet dieser schwedische Ironman jeweils hier auf dem Marktplatz und die Kalmariten sind stolz darauf.

Wir stehen vor dem Wasa-Brunnen mit David und Goliath als Figuren obenauf. Es wird die Geschichte von Gustav Wasa und Christian von Dänemark geschildert und wie es zu dem bekannten Wasa-Lauf kam, der noch heute regelmäßig am ersten Wochenende im März stattfindet. Der Wasa-Lauf war eine Idee des Zeitungsredakteurs Anders Pers. Damit wollte er auf die historische Flucht von Gustav I Wasa auf Skiern vor den Soldaten des dänischen Königs Christian II im Jahr 1521 erinnern. Wer mehr Informationen will: Wikipedia….

Wir kommen noch an einem schönen weißen Gebäude vorbei. Eigentlich sollte es ein Hotel werden, weil der Blick von dort aus auf das Schloss und die Ostsee besonders schön ist. Aber es ist das Gefängnis von Kalmar.

Und jetzt kommen wir zum Schloss: Das Schloss war lange Zeit eine starke Verteidigungsanlage, die Grenze zu Dänemark verlief damals südlich von Kalmar. Bereits 1180 wurde an der Stelle, wo heute das Schloss steht, ein Verteidigungsturm errichtet. Er wurde zum Schutz gegen Seeräuber und andere Feinde gebaut. Das wichtigste politische Ereignis war die Bildung der Kalmarer Union zwischen Schweden, Norwegen und Dänemark im Jahre 1397. Unter der Federführung von Königin Margarete vereinten sich die Länder unter einem gemeinsamen Regenten und einer gemeinsamen Außenpolitik. Damit bildeten sie ein Gegengewicht zur deutschen Hanse.

Das jetzige Ausgestaltung des Schlosses fand unter den Wasakönigen Gustav I, Erik XIV und Johann III statt. Nach 1658 ( Frieden von Roskilde) verlor das Schloss seine strategische Bedeutung. Heute werden im Schloss Hochzeiten gefeiert, es gibt eine wunderschöne Schlosskapelle. Auch finden hier Konferenzen, feierliche Abschlüsse, Feste, Vorlesungen und Konzerte statt. Wir haben uns verschiedene Räume angeschaut. In einem war für uns schon der Tisch für ein königliches Abendessen gedeckt. Alles ist da, ein wunderbarert Schwan in der Mitte, Pfaue als Dekoration, Fleisch und Fisch in rauhen Mengen. Und ebenfalls ein Kuchen, der so gebacken ist, dass kurz vor dem Auftischen die oberen Schichten abgenommen werden und lebendige Vögel heraus fliegen.

Wir gönnen uns noch einen Spaziergang durch das “alte” Kalmar und lassen unsere Phantasie spielen, wie es hier früher wohl ausgesehen hat. Eine Original-Straße ist ausgegraben worden und für alle sichtbar.

Nun wartet schon Jens mit dem Bus auf uns und will uns über die Brücke nach Öland fahren. Die Brücke ist 6072 m lang und verbindet Öland mit dem Festland. Öland selbst ist eine schmale Insel, 137 km lang und maximal 16 km breit.

Leider regnet es, die Ostsee ist kaum zu sehen und auch sonst ist die Saison vorbei. Es wird beschrieben, dass Öland eine Insel ist, auf der man ständig den Hauch der Geschichte spüren kann. Es gibt frühgeschichtliche Burgen, Grabsetzungen, Kulturlandschaften und Windmühlen. Aber das schauen wir uns vielleicht nochmal im Sonnenschein an. Jedenfalls an herzliches Dankeschön an Jens, dass er diese Zusatzfahrt für uns machte.

~ Ingeborg Turowski, ZEIT REISENDE

 

Tag 30: 6. Oktober, Kalmar – Kopenhagen: Das etwas andere Süd-Skandinavien

Von der Provinz Blekinge geht es heute weiter durch die Provinz Skåne, der südlichsten Region Schwedens. „Skåne“ geschrieben – wird aber „Schone“ bzw. „Schonen“ gesprochen“. Doch noch sind wir in Karlskrona. Unser Städteguide erzählt uns viel über die Stadtentwicklung und deren historische Hintergründe. So richtig spannend wird es erst als das Thema Marinestützpunkt angesprochen wird. Karlskrona ist der Hauptsitz der schwedischen Marine und der Marine-Akademie. Kurioserweise besitzt bzw. besaß die Stadt eine U-Bahn. Zwar fuhr hier nur eine einzige Linie und das auch nur über eine Gesamtlänge von 1,4 Kilometern, doch wurde sie immerhin drei Jahre genutzt. Die Bahn, dessen Gleisbett und Gleise heute noch zu sehen sind, galt in erster Linie zur Versorgung der Marine und der bequemeren Anbindung der militärischen Einrichtung an den zentralen Platz der Stadt. Fotografieren des weitläufigen Militärkomplexes natürlich verboten. Einzige Ausnahme: eine kleine Bronzefigur des Kleinen Nils Holgersson aus dem Roman von Selma Lagerlöf, der ersten Frau, die den Literatur-Nobelpreis erhielt. In diesem Roman „Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ wird schwedische Heimatkunde betrieben. Man kann auch sagen, dass in erzählerischer Form eine Luftbildinterpretation stattfindet. Alle Regionen und die Morphologie Schwedens werden hier genau beschrieben und mit ihren Besonderheiten dargestellt. Nur 100 Meter weiter treffen wir auf die Holzfigur des alten Rosenbohm. Er steht vor der Admiralitätskirche und hat auch seinen Stellenplatz in Lagerlöfs Erzählung vom kleinen Nils. Eigentlich ist diese skurrile Figur eine größere Spendensammelbüchse. Hebt man den Hut vom alten Rosenbohm an, dann kann man hier eine kleine Geldspende einwerfen. Wer davon profitiert ist mir unklar: die Kirche, die Militärakademie, die Stadt Karlskrona, der Künstler … oder, oder, oder…

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Im naheliegenden Marinemuseum warten interessante Exponate auf uns. Natürlich gibt es hier Galionsfiguren und Schiffsmodelle sowie zahlreiche Objekte der christlichen Seefahrt zu bestaunen. Aber ein Original U-Boot, welches auch noch begehbar ist, stellt für mich etwas Besonderes dar. Zwar tauche ich nicht in die Ostsee ein, zumindest aber unter, in den engen Schlauch dieses Wasserfahrzeuges.

Weiter führt uns die Fahr nach Malmö. Die drittgrößte Stadt Schwedens beherbergt Bürger aus rund 120 verschiedenen Nationen. Eine multikulturelle Stadtlandschaft ist sozusagen vorbestimmt. Natürlich gibt es hier auch schöne Giebelhäuser, Backsteinkirchen und Fachwerk, Brunnen und Skulpturen. Für mich aber immer wieder interessant ist der weiß strahlende „Turning Torso“. Dieses 54-stöckige und 190 Meter hohe Gebäude ist einem verdrehten menschlichen Körper nachempfunden. Der spanische Architekt Santiago Calatrava hat es so empfunden und sich und ganz Skandinavien ein Denkmal gesetzt. Bei entsprechender Betrachtung aus der Froschperspektive steht das Hochhaus ganz allein im grünen Umfeld. Erhebt man sich, dann sieht man auch die vielen, neuen Büro- und Wohnblöcke, die zusammen mit dem „Turning Torso“ den Stadtteil Westhafen prägen.

Ebenfalls eine architektonische Meisterleistung ist die Öresundbrücke. Am 1. Juli 2000 eröffnet, ist sie mit 7.845 m Länge die längste Schrägseilbrücke der Welt. Mit dem Befahren dieser Brücke, und somit der Überquerung des Öresunds, gelangen wir nach Dänemark. Ziel ist die dänische Hauptstadt Kopenhagen auf der Insel Seeland. Dänemark gilt als ein Land der architektonischen Kreativität und des Designs. Schließlich hat ja auch ein dänischer Architekt das heute berühmte Opernhaus in Sydney geplant. Über explodierende Kosten, Ruhm, Schmach und Schande, die über den Architekten Jørn Utzon (1918-2008) hereinbrach, sei an dieser Stelle geschwiegen. Unser innenstadtnahes Hotel ist auch eine mentale Herausforderung. Als Designer-Hotel setzt es gestalterische, innenarchitektonische Zeichen, die nicht immer verstanden werden. Baustellencharakter als Kunst? Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Was zeichnet ein 4-Sterne-Hotel aus? Wie viele Hotelsterne sind hier gerechtfertigt? Fakt ist, dass einige Zimmer wirklich sehr beengt sind. Ist es vielleicht auch eine Art von Kunst auf engstem Raum für einen begrenzten Zeitraum zu wohnen?

Wir gehen am Abend in die lebhafte Innenstadt von Kopenhagen, genießen unser Abendessen in einem traditionellen Restaurant und freuen uns auf den nächsten Tag mit den Sehenswürdigkeiten, die wir per Bus und zu Fuß ansteuern wollen.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

 

Tag 31: 7. Oktober, Kopenhagen

Ein Tag in Kopenhagen liegt vor uns, große Freude kommt auf. Der Himmel war wolkenlos und die Sonne gab alles an diesem schönen Herbsttag. Stadtführerin Christa , gebürtig aus der Schweiz, lehrte uns das Sehen und Verstehen in dieser lebendigen Stadt.
Was mir auffiel und gefiel:

Drei Drachen, gezwirbelt zu einer langen Turmspitze auf Schloß Christiansborg sollte Unheil vom Palast fernhalten.

Im großen Saal im Schloß faszinierten farbenkräftige wandgroße Gobelins, die die Königin zum 50. Geburtstag geschenkt bekam. Als Vorlage dienten Skizzen von Björn Nörgaard, gewebt wurde in Paris. Zum 60. Geburtstag waren die Teppiche fertig und konnten im Schl0ß aufgehängt werden.

Björn Nörgaard gestaltete auch die neue Meerjungfrau, eine verunstaltete Bronzefigur, die uns mehr als die bekannte Dame auf dem Stein zum Nachdenken anregte.
Er formte auch frech-drollige Metallgebilde im Brunnen zwischen den beiden Meerjungfrauen gelegen, denen er Namen gab, die wiederum unsere Fantasie beflügelten.

Wir lernten 2 Gewächse kennen, die sorbische Eberesche mit ihren glühend roten Beeren und den Breiapfel, der an einem olivenbaumähnlichen Gewächs hängt.

Den Nachmittag verbrachte jeder nach seinem Gusto, die Sonne schien heiß und ließ die bunten Häuser am Ny Haven leuchten, manche besahen sich die Stadt auf einer Bootsrundfahrt und stillten dann ihren Hunger bei einem köstlichen Smörrebröd.

Leider kam am Nachmittag der jähe Befehl, das Zimmer wegen Hotelwechsels zu räumen, der weitere Pläne an unserem freien Nachmittag zunichte machte.
Das war sehr schade…

~ Connie Siebenbürger, ZEIT REISENDE

Tag 32: 8. Oktober, Kopenhagen nach Göteborg

Nebel über Kopenhagenkeinzige der fünf Auszeichnungen, die in Oslo verkündet und verliehen wird. Nach dem Willen von Alfred Nobel soll der Preis an die Person vergeben werden, die in den vergangenen 12 Monaten am meisten für den Frieden in der Welt getan hat.
Nur, wer entscheidet, wer das ist?
Das norwegische Parlament bestimmt fünf verdiente Persönlichkeiten für sechs Jahre. Dieses Gremium legt dann fest, wer von den Nominierten den Preis bekommen soll. Vorschläge können nur von demokratisch gewählten oder habilitierten Personen gemacht werden. In diesem Jahr waren 329 Kandidaten nominiert.
Am Todestag von Nobel, am 10. Dezember, wird der Nobelpreis verliehen, heute soll er verkündet werden.
In Helsingör taucht im Nebel vor uns das Schloss Kronborg auf. Wir machen kurz Stopp, um diese historische Kulisse für Shakespeares Tragödie „Hamlet“ von außen zu besichtigen.
Eine kurze Fährfahrt bringt uns von Helsingör/Dänemark nach Helsingborg und damit zurück nach Schweden.

Dann wird es richtig spannend: Über sein Handy verbindet uns J.Bittner mit Oslo, wo wir vor der Tür des großen Saales im Nobelinstitut auf die Verkündung warten. Es ist richtig aufregend. Nach 11 Uhr vergehen noch einige Minuten, ehe die Tür geöffnet wird. Dann erfahren wir life, dass der diesjährige Friedensnobelpreis an die beiden Journalisten Maria Ressa von den Philippinen und Dmitri Muratow aus Russland verliehen wird. Beide bekommen den Preis für ihre Bemühungen um die Wahrung der Meinungsfreiheit, die eine Voraussetzung für Demokratie und Frieden sei, so sagt die Vorsitzende des Komitees bei der Verkündung. Gerade jetzt sei es wichtig, die Pressefreiheit zu stärken, Fake News und Manipulation seien eine Gefahr für die Menschheit.
Dies so life im Bus mitzuerleben, auf dem Weg nach Oslo, ist für uns alle ein ganz besonderes Erlebnis…

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Nach einer kurzen Besinnungspause stellt uns J.Bittner das neue Ressort „Streit“ bei der Zeit vor. Es soll eine Bühne sein für Menschen, die sich hart aber fair und sachlich auseinandersetzen möchten. Der Shitstorm in den sozialen Medien führt oft dazu, dass Menschen sich scheuen, offen ihre Meinung zu vertreten. Dabei ist es für die eigene Urteilsfähigkeit wichtig herauszuarbeiten, worin genau die Unterschiede und der Dissens liegen. Diese Chance soll das neue Ressort bieten und J.Bittner bittet um Vorschläge für interessante Streitthemen. Der nach diesen Ausführungen einsetzende Redebedarf zeigt deutlich, wie groß in unserer Gruppe der Wunsch nach konstruktivem Gedankenaustausch ist.

Mit dem Gedicht von Heinz Erhardt meldet sich Wolfgang zu Wort: Das Meer ist weit, das Meer ist blau, im Wasser schwimmt ein Kabeljau. Da kömmt ein Hai von ungefähr, ich glaub‘ von links, ich weiß nicht mehr, verschluckt den Fisch mit Haut und Haar, das ist zwar traurig aber wahr. Das Meer ist weit, das Meer ist blau, im Wasser schwimmt kein Kabeljau.

Er erzählt uns, dass Dorsch und Kabeljau den gleichen Fisch bezeichnen, ein Dorsch ist ein alter Kabeljau. Er hat 128 Knochen, das weiß Wolfgang genau, musste er im Studium doch einen zerlegen. Besonders in Norwegen wird der Dorsch gerne zu Stockfisch verarbeitet. Dazu wird der Kopf abgeschnitten, der Bauch aufgeschnitten und der aufgeklappte Fisch auf Stöcke gespannt. Im Wind getrocknet wird er so haltbar gemacht.

Bei der Einfahrt nach Göteborg informiert uns J.Bittneer noch über den besonderen Weg, den Schweden in der Pandemie gegangen ist. Nach diesen Ausführungen sind wir zutiefst befriedigt, endlich in den Genuss der Experten-Begleitung gekommen zu sein. Das war für uns immer mit ein Grund, uns für eine ZEIT-Reise zu entscheiden.

Am späten Nachmittag führt uns eine Stadtführerin durch ihre lebendige Stadt Göteborg. Wir blieben gerne in dem alten Stadtteil Haga, wo früher nur jemand wohnen durfte, der nicht rauchte und ordentlich war. Es gibt aber noch so viele beeindruckende Gebäude, Straßen und Plätze zu sehen, dass wir weiterziehen müssen.

Nach dem Abendessen gönnen wir uns noch einen Cocktail in der Bar des „Alte Post Hotels“ und sind sehr angetan von der Gastlichkeit und prunkvollen Ausstattung dieses Hauses.

~ Ilona und Günter Haß, ZEIT REISENDE

 

Tag 33: 9. Oktober, Göteburg – Uddevalla – Tanumshede – Oslo

Was ist denn heute los? Jens, die Zuverlässigkeit in Person, ist mit dem Bus zur verabredeten Zeit nicht am Hotel. Aber es ist nicht der Verkehr, heute ist Samstag und so früh sind die Schweden nicht unterwegs, nein, die Baustellen haben ihm immer wieder die Anfahrt vom Parkplatz zum Hotel versperrt. Überhaupt, so kommt es uns vor, bauen die Schweden in allen Städten, die wir besuchten, wie die Weltmeister. –

Mit moderater Verspätung machen wir uns auf den Weg weiter nach Norden. Die gespannte Aufmerksamkeit im Bus nutzt Jochen Bittner, um das Thema Migration anzusprechen. Im Vergleich zu dem, was wir aus Deutschland kennen, hat Schweden wohl ein paar Besonderheiten. Bezogen auf die Zahl der Einwohner hat das Land dreimal so viele Migranten aufgenommen wie Deutschland. Alle wurden zuvorkommend betreut und kamen in den Genuss der schwedischen Sozialleistungen. Doch zeigten sich Probleme, die so nicht vorauszusehen waren. Der stark regulierte Arbeitsmarkt erwies sich als kaum überwindbare Hürde, die zugewanderten Menschen in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Das scheiterte vor allem an fehlenden Sprachkenntnissen und an der damit verbundenen Unfähigkeit, sich schriftlich ausdrücken zu können. Hinzu kamen mangelnde Kenntnisse im Umgang mit Computern. Experten schätzen, dass es 7 – 9 Jahre braucht, um Migranten so auszubilden, dass sie ihren Lebensunterhalt verdienen können. Dies ist eine so lange Zeit, dass sie das Durchhaltevermögen vieler Zugewanderter übersteigt. Wenn dann noch eine gewisse Gettobildung hinzukommt, dann ist der Weg in die Kriminalisierung nicht weit. Rivalisierende Banden bilden sich, die auch vor Mord nicht zurückschrecken. In Göteborg beispielsweise hat es schon eine Serie von Bombenanschlägen gegeben. In der politischen Diskussion werden viele der aktuellen Probleme auf die Migration zurückgeführt. –

Ein spannendes Thema, das durchaus Parallelen zur Situation in Deutschland aufweist. In Schweden sind es die “Schwedendemokraten”, die am politisch rechten Rand erstarkt sind. – …

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Meinte Herr Bittner wohl eine nachlassende Aufmerksamkeit zu spüren? Keinesfalls war dies so, wie die folgende Aussprache zeigte. Dennoch pries er uns eine Droge an, der er die Wirkung von drei doppelten Espressi zuschrieb: ein Kautabak namens Snus. Er reichte uns eine Dose “Kaliber Plus”, doch niemand griff zu. Allein schon der Geruch war kaum zu ertragen!

Wir erreichen die Welterbestätte der Felszeichnungen von Tanum. Hier wurden in der Bronzezeit vor gut 3000 Jahren Bilder in die dort anstehenden flachen Granitfelsen geritzt. Boote, mit Speeren jagende Männer und Tiere mit Geweihen sind zu erkennen. Die meisten Bilder sind mit einer rötlichen Farbe hervorgehoben, doch es gibt auch “naturbelassene”.

Die Weiterfahrt nach Oslo, beim Grenzübertritt bleiben wir unbehelligt, nutzt Herr Bittner, um uns mit der Aquavit Allianz bekannt zu machen. Letztlich geht es um das “unmoralische” Angebot der nordischen Staaten unter Führung von Norwegen an Deutschland, sich stärker diesen Staaten zuzuwenden und dafür die Beziehungen insbesondere zu Frankreich und Italien zurück zu fahren. –

Gegen 15:00 Uhr beziehen wir die Zimmer in unserem Hotel und machen uns auf eigene Faust auf zum ersten Stadtrundgang in Oslo. Der Weg führt zum Hafen mit seiner Serie historischer Segelschiffe, zur Festung, zum Rathaus und zum Norwegischen Nobel Institut.

Eine negative Überraschung bringt das Abendessen. Offenbar hat die Rezeption es versäumt, unsere Gruppe der Küche zu melden und die mit Wolfgang abgesproche und ihm bestätigte Zeit mitzuteilen. Jedenfalls waren wir nicht “vorgesehen” und dementsprechend dürftig war das Angebot. Noch an keinem Abend zuvor waren wir so schlecht versorgt wie an diesem! –

Die Anwesenheit von Herrn Bittner, der am morgigen Sonntag abreist, nutzen wir gerne noch zu einer Dikussion diverser politischer Themen in grosser Runde in einem separaten Raum.

~ Roland Turowski, ZEIT REISENDER

 

Tag 34: 10. Oktober, Oslo

Gestern hat uns Oslo mit strahlenden Sonnenschein empfangen. Heute haben wir die „Große Oslo-Stadtrundfahrt“ mit Jens und der Sadtführerin Agnes aus Montabaur im Westerwald. Los geht es um 10 Uhr bei bedecktem Himmel. Es ist kälter als am Vortag. Unser erstes Ziel bist der Viegelandpark. Er liegt nicht weit von unserem Hotel. Hier sind über 200 Skulpturen des Bildhauers Vigeland in zu sehen. Der Park wurde nach Entwürfen von Viegeland angelegt. In ca. 40 Jahren wurden diese Skulpturen aus Granit und Bronze erschaffen. Es handelt sich hierbei um lebensgroße menschliche Figuren von der Kindheit bis zum hohen Alter. Der Zyklus des Lebens wird hier dargestellt. Erstaunlich ist die Detailgenauigkeit der Figuren. Alle Figuren sind nackt um sie zeitlos wirken zu lassen.
Dann geht es zum Holmenkollen. Die Sprungschanze empfängt uns im leichtem Nebel. Sie liegt 300 Meter über der Altstadt von Oslo. Hier erfahren wir, das Isabelle, ein 13jähriges Mädchen heute Geburtstag hat. Inge und Rohland lassen sie mit einem spanischen Brandy hochleben. Salut Isabell und Prost.
Weiter geht es mit dem Bus zurück in die Innenstadt zum Rathaus der Stadt Oslo. Hier finden Feierlichkeiten statt, so das wir nur einen kurzen Blick in die große Halle werfen können. Hier wird alljährlich am 10. Dezember der Friedensnobelpreis durch den norwegischen König vergeben.
Heute tragen viele der Personen, welche an den Feierlichkeiten, einer Konfirmation, teilnehmen ihre traditionelle Tracht. Die Stadtführerin erklärt uns, das die Trachte von Dorf zu Dorf und von Familie zu Familie verschieden sind. Nur in Norwegen Geborene tragen diese Trachten. Zugezogene machen das nicht.
Durch die Innenstadt geht es zu unserer letzten Etappe, dem Opernhaus. Gebaut aus weißem Marmor und norwegischem Granit liegt es wie eine Eisscholle im Fjord von Oslo. Begehbar von innen und außen und von der Plaza bis aufs Dach. Viele schiefe Ebenen welche man problemlos begehen kann. Innen wurde viel Holz verbaut. Ein erstaunliches, wunderschönes Opernhaus.
Dann ist die Stadtführung zu Ende und mittlerweile regnet es in Strömen.
Die neue Bibliothek gleich neben dem Opernhaus ist einen Besuch wert. Heute ist Sonntag aber trotzdem ist das Haus voll. Studenten, die in kleinen Nischen recherchieren und lernen, Familien mit Kindern die in Büchern schmökern und Besucher, die sich einen Kaffee gönnen sind hier zu finden.
In der Innenstadt von Oslo finden sich viele Geschäfte mit skandinavischenm Design. Vieles findet man hier, was es in Deutschland nicht gibt. Elegant, schlich und schön. Gerne würden wir hier einkaufen aber die Koffer sind voll. Leider und Gottseidank.
Auf dem Weg zu unserem Hotel begegnen wir Winston Churchill. Er steht im Regen und ist nass. Aber das kennt er, der Mann ist aus England.
Mittlerweile sind wir auch nass bis auf die Haut und es empfiehlt sich unser Hotel aufzusuchen.
Das Abendessen wurde heute vom Hotel nicht vergessen. Es gibt reichlich zu essen aber über den Geschmack lässt sich streiten.

~Delia und Erich Biemer, ZEIT REISENDE

Tag 35: 11. Oktober, Oslo-Langesund-Hirthals-Aarhus

Heute gibt es zwei Ereignisse. Freudig und traurig. Am Morgen haben wir etwas Schönes zum Feiern: Gerhard hat Geburtstag und trotz der knappen Zeit war es ein schönes Frühstück, auch ein bischen feierlich.

Wir müssen heute früh los und haben leider auch einen kleinen Abschied am Abend vor uns: Jens wird heute zum letzten Mal den Bus fahren. Er wird uns allen fehlen und wir erwähnen gerne extra und besonders wie hervorragend er es gemacht hat, rundum und von A-Z. Schön ist, wir sehen ihn beim Abschiedsabend in Hamburg wieder.

Bei strahlendem Herbstwetter mit Sonne und Wolken und Morgennebel fahren wir heute von Norwegen nach Dänemark und das quer über Land mit wunderbarer gebirgiger Landschaft. Wir sind froh, dass Jens nicht nur die Autobahn wählt und sehen so ein richtig malerisches Norwegen. Danke. Wir starten gegen die Berufspedler, die in Richtung Oslo im Stau stehen und Ingeborg bringt uns mit dem Oktober Gedicht von Erich Kästner den Herbst noch ein bisschen näher. Die Stabkirche in Heddal erreichen wir bei 5 Grad und der leichte Nebel begleitet uns mit wunderschönen Bildern durch die Landschaft. Nachmittags erreichen wir pünktlich und problemlos die Fähre und geniessen die Fahrt. Es schaukelt doch etwas und dabei hat es anfangs nur 2.10 m hohen Wellen, später ca. 3 m (zuverlässige Quelle).

On board spielen drei von uns Bingo, zwei davon zum ersten Mal und wir haben viel Spaß dabei. Beim anschließenden Quiz sind wir mit unserem Team “Baltic Sea Bus” leider auch nicht erfolgreich, trotz Wolfgangs Unterstützung: “Wieviel Beine hat ein Schmetterling?” Selten haben wir an einem schöneren Platz das Spiel Glück versucht. In der Lounge schaukeln wir mit Sonne und Wellen in den Abendhimmel und stellen uns auf dem offenen Deck in den heftigen Wind mit Blick auf die ins Meer versinkende Sonne. Spät geht’s auf langer Fahrt von der Fähre ins Hotel. Heute kommen wir nach langer Fahrt außergewöhnlich spät an, die Küche des Hotels legt sich aber zu später Stunde noch richtig ins Zeug und serviert ein feines Abendessen. Nach einem Bier sind wir platt und schleichen ins Bett. Morgen geht es wieder früh los.

~ Anette Lösl, ZEIT REISENDE

Tag 36: 12. Oktober, Aarhus – Maribo: Dänisches Insel-Hopping

Heute sitzt der Inhaber von „de Kieler“, Christian Peschke, selbst am Steuer und fährt uns die letzte Etappe über die dänische Inselwelt zurück nach Hamburg. Er löst unseren Fahrer Jens ab, der uns nahezu die gesamte Runde um die Ostsee sicher gefahren hat. Er muss seine Bus-Lenk- und Ruhezeiten einhalten und fährt schon mal mit einem anderen „de Kieler“-Fahrzeug voraus. Wir verabschieden ihn mit großem Applaus, wohlwissend, dass wir ihn schon bald bei unserer Ankunft in Hamburg wiedersehen und dann offiziell verabschieden werden.
Wir haben im Hotel ausgecheckt und all unser Gepäck im ZEIT-Bus verstaut. Ein Prozedere, dass uns in den letzten 35 Tage zur Gewohnheit wurde. Jens und Christian führen gemeinsam noch eine Grundsäuberung im Bus durch. Es sind nämlich nicht die bekannten Kölner Heinzelmännchen, die diese Arbeit machen. Nein, es ist immer der Fahrer, der nach seiner Fahrleistung noch die Zeit aufwendet, dass der Bus für alle Gäste immer in einem gepflegten Zustand ist: Staubsaugen, Getränke in den Kühlschrank auffüllen, die Frontscheibe von Insektenresten befreien u.v.m. Wir machen uns hingegen aus dem Staub bzw. auf den Fußweg in die Innenstadt von Aarhus. Erstes Ziel ist die schöne, dänisch schlichte St. Paulus-Kirche. Vorbei an neoklassizistischen Häusern geht es weiter in die eigentliche Innenstadt mit ihren engen Straßen und den langgestreckten Wohn- und Speicherhäusern, einer Kombination aus Fachwerk und rotem Ziegelstein. Mit dem Domlatz haben wir unser Hauptziel erreicht. Der Dom im klassischen Backsteinstil errichtet, ist wesentlich prunkvoller ausgestaltet. Unser anfänglich „böses“ Ohmen verschlossener Kirchen hat sich nunmehr umgekehrt. Beide sakrale Gebäude sind geöffnet und erlauben uns einen Blick in das Innere.
All zu viel Zeit haben wir jedoch nicht. Ein Termin drängt: Der Historiker und Ur- und Frühgeschichtler Prof. Martin Krieger erwartet uns im 100 km entfernten Fredericia. Christian holt uns an der Hauptstraße beim Hafen ab, so ersparen wir uns einen längeren Fußweg zurück zum Busparkplatz beim Hotel. Zügig erreichen wir die kleine Stadt Fredericia im Südosten der Halbinsel Jütland. Prof. Krieger erwartet uns schon beim verabredeten Treffpunkt. Noch bevor wir ihn sehen, erkennt er unseren auffälligen, dunkelbraunen ZEIT REISEN-Bus mit der hellgrünen Beschriftung „de Kieler“. Die Kommunikation per Handy klappt und wir werden beim Stadttor zu einem Ausstiegs-Parkplatz gelotst. Die Begrüßung ist besonders herzlich. Bereits zu Beginn unserer Reise haben wir ihn für zwei Tage kennengelernt. Nun steht er uns abermals mit seinem Expertenwissen zur Verfügung. Bei einem kleinen Stadtrundgang erklärt es uns Vieles zur Geschichte dieser Kleinstadt.
Wir fahren weiter über den Kleinen Belt auf die Insel Fyn, durchqueren Fyn von West nach Ost und gelangen über die Große Belt-Brücke somit auf die Insel Seeland. Den Umweg über Roskilde ersparen wir uns, da wir Kirchen nun schon in genügender Anzahl gesehen haben. Stattdessen besuchen wir die ehemalige Wikingerburg Trelleborg westlich von Slagelse. Zwar sieht man nur noch Wallreste und nachgebildete Grundrisse der Häuser sowie ein Nachbau eines Wohnhauses, aber Prof. Krieger versteht es uns in seinem Fachgespräch die Wohn- und Lebenssituation der damaligen Wikinger aus dem Jahre 981 lebhaft und sehr plastisch näher zu bringen.
Wir fahren über Landstraßen weiter an das Südende von Seeland. Der herrlich sonnige Herbsttag geht zu Ende und bei der Farø-Brücke, einer 1.726 Metzer langen Schrägseilbrücke, genießen wir bei einem Fotostopp den eindrucksvollen Sonnenuntergang. Anschließend überqueren wir mit unserem Bus die Farø-Brücke, gelangen somit auf die Insel Falster, und erreichen dann zum frühen Abend unser letztes Übernachtungsquartier auf skandinavischem Boden in Maribo auf der Insel Lolland.

~ Wolfgang Pohl, Reiseleiter

Tag 37: 13. Oktober, Hamburg

Am letzten Abend der Reise wurden selbst verfasste Gedichte und Lieder von den Reisenden vorgetragen, die nun im Nachgang vorgestellt werden:

Laudatio für Wolfgang

37 Tage war Wolfgang unser Reiseleiter. Und so haben wir ihn kennengelernt:

Er sprintete
um unsere Zimmerschlüssel zu beschaffen, während wir im Bus warteten.
Meist kam er glückstrahlend zurück mit dem entsprechenden Paket und mit Infos zum Hotel.

Er sprintete
um zu prüfen, ob eine Kirche, die er mit uns besuchen wollte, offen ist.
Oft kam er mit verzweifeltem Blick zurück.

Er zitierte und rezitierte
aus seinem umfassenden Wissen zu Natur, Geologie, Geografie und Siedlungsgeschichte,
aus tiefsitzenden Erfahrungen seiner Reisen.

Er stand Rede und Antwort
zu allen an ihn herangetragen Fragen.

Er sorgte
für unsere natürlichen Bedürfnisse zusammen mit Jens, dass bei Bedarf Toiletten zur Verfügung standen.

Er blätterte in den Reiseunterlagen
und sortierte das, was ihm quasi als Meilensteine unserer “via circuito mare balticum” vorgegeben waren.

Er telefonierte,
wenn Odins und Thors Schwadronen mal wieder einen Meilenstein hatten verschwinden lassen.

Er hatte wesentlichen Anteil,
dass Thors Walküren keinen Zugriff auf unsere Busbesatzung hatten.

Und dabei verbreitete er stets gute Laune, auch wenn ihm manchmal sicher anders zumute war.
Seine grundsätzliche Aufgabe als Reiseleiter ist, das umzusetzen, was die Oranisatoren der Reise sich ausgedacht haben: und zwar so, dass die Gäste zufrieden sind. Und sind sie nicht zufrieden, weil mal etwas nicht geklappt hat, dann knurren die Gäste – und als erstes regnet die schlechte Laune auf den Reiseleiter nieder. In den meisten Fällen kann der nichts dafür und es bleibt kaum etwas anders übrig, als spät abends still in sein Kopfkissen zu weinen.
Wolfgang, wir danken dir, dass du uns in diesen 37 Tagen rund um die Ostsee so kompetent und mit frohem Mut begleitet und geleitet hast.

~ Roland Turowski

Dein Freund, der Elch

Wenn dich der Elch am Abend küsst
und du darob ganz glücklich bist,
dann musst du ihn am Barte kraulen, ansonsten fängt er an zu maulen:
“Soll ich mit dir den Elchsprung wagen,
dann musst du mir auch deutlich sagen,
dass dich meine Gestalt entzückt”.

Ich schau’ auf seine langen Beine,
mit denen er durchs Sumpfland schreitet,
auf sein Geweih, wie’s Elche tragen,
sein Haarkleid, weich und warm,
bereitet für des Winters üble Plagen.

Ich sag’ ihm ja! Das wird ein Fest.
Heut’ wagen wir des Elches Test.
Wir schlemmen, trinken, tanzen, Freude pur!
Mit Lebenslust – oft sehr vergänglich – halten wir gezielt die Spur.
Das Lebensglück, verschwenderisch gut es mit uns meint,
genieße es, der Elch, der ist dein bester Freund.

~ Roland Turowski

Song zum Abschied unserer Ostseeumrundung

Melodie: Auf der schwäb’schen Eisenbahn….

Hört Ihr Leut und lasst euch sagen,
unsere Uhr hat 12 geschlagen.
Reisezeit, die ist vorbei,
Zeitreisen gibt uns jetzt frei.

Trula, trula, trulala….
Reisezeit die ist vorbei ….

In Hamburg ging die Reise los,
Mann und Frau in Rock und Hos.
24 an der Zahl.
Der Norden Europas war die Wahl.

Refrain …

Hansestädte gibt es viele,
einige sind unser Ziel.
Lübeck, Riga und Talinn,
Danzig war besonders schön.

Refrain …

Vier Sterne waren uns versprochen,
abends hörte man Herzen pochen.
Wie wird wohl das Zimmer sein,
herrlich groß oder winzig klein.

Refrain …

Wolfgang ist der Reiseleiter,
kümmert sich um uns stets heiter.
Steine trägt er mit sich rum,
uns zu lehren Zeit und Raum.

Refrain …
Voucher hat er in der Tasche,
für die Fähren und Hotels.
Kirchen möchte er uns zeigen,
höhere Mächte verweigern es.

Refrain …

Busfahrer gibt’s sicher viele,
aber nicht einen wie diesen.
Jens, der ist ein toller Hecht,
nimmt die Kurven zielgerecht.

Refrain…

Kaffee gibt es in den Pausen,
und auch sonst stets gute Jausen.
Begrüßt uns morgens mit viel Schwung,
fährt uns dann zum nächsten Punkt.

Refrain …

Experten reisten extra an,
ihr Wissen bringen sie an den „Mann“.
Soziales, Wirtschaft und Politik,
alles haben sie im Blick.

Refrain…

2 oder 3 Gänge beim Menü,
was uns erwartet, wissen wir nier.
Lachs gab es am meisten hier,
statt zu servieren auch Rentier.

Refrain …

„Streit“ ist bei der Zeit ein Muss!
Nach Politik zu lesen mit Genuss.
Jochen Bittner klärt uns auf,
über den Diskussionsverlauf.

Refrain …

Vieles gäb‘ es noch zu sagen,
doch wir wollen uns nicht plagen.
Nehmen Abschied heute hier,
zu Hause trinken wir ein Bier

~ Ingeborg Turowksi