Glyndebourne Festival

Glyndebourne Festival

Eine Landpartie, Picknick und große Oper. Das Glyndebourne Festival ist ein Musikerlebnis britischer Art.
Der Garten ist nicht nur Kulisse. Er ist Teil der Bühne. Die Pailletten der Abendgarderobe schimmern. Anmutig stapft eine Dame über den perfekt manikürten Rasen des Geländes, hin zu gemütlich aufgespannten Gartenstühlen. Da eine Kühltasche mit Champagner oder Weißwein. Im Hintergrund: Das Blöken der Schafe. Der kleine See, der sich in die Landschaft in der Grafschaft Sussex im Süden Englands hineinzeichnet.

 

Es herrscht eine ausgelassene Stimmung, die sich auf den Gesichtern der Gäste spiegelt. Zum Glyndebourne Festival reisen Opernfreunde nicht nur wegen der hochklassigen Opern an. Hier zelebrieren die Briten Picknick in Reinkultur. Vor der malerischen Kulisse der Gärten und dem Herrenhaus aus roten Backsteinen, das aus dem 16. Jahrhundert stammt.

 

Doch nicht nur die Natur wirkt wie uraufgeführt. »Wir sind durch und durch englisch mit unserer ländlichen Umgebung und der Tradition des Picknickens, aber was wir auf der Bühne bieten, ist bezüglich Besetzung, Perspektive und Standard international«, sagt Serena Davies, Kommunikationschefin von Glyndebourne. In der Tat: Bekannt geworden ist das Festival mit legendären Mozart-Aufführungen. Mit der Produktion von Wagners Tristan und Isolde knüpfte es an die Idee des Gründers John Christie an, der ein britisches Bayreuth errichten wollte.

 

Heute bietet das Glyndebourne Festival alles, was das Opernherz höherschlagen lässt. Von Barock bis zur Gegenwart, neue Werke von Komponisten bis hin zu Repertoire-Rennern mit britischem Einschlag. Nur eines hat sich nicht geändert: Die genüsslichste Opernpause der Welt (bis zu eineinhalb Stunden), wird nonchalant auf dem grünen Rasen eingehalten.

Was Sie schon immer über das Glyndebourne Festival wissen wollten

  • 28. Mai 1934: Das erste Festival wird mit Mozarts Hochzeit des Figaros eröffnet.
  • Bis zu 90.000 Besucher strömen jährlich raus aufs Land, um beim Picknick Opern mit internationaler Starbesetzung zu lauschen.
  • 1994 wurde das Haus von dem britischen Architekten Michael Hopkins modernisiert. Es fasst jetzt bis zu 1.200 Zuschauer.
  • 2018 wurde Mozarts Der Rosenkavalier live in Kinosäle übertragen.

Ein Opernfestival der britischen Art

Nach monatelangen Probezeiten war es soweit. 1934 scharten sich um die 50 Leute in dem Saal am Landsitz Glyndebourne, um die Aufführung von Mozarts Le nozze di Figaro zu sehen. Die Vorstellung legte den Grundstein für das heutige Festival und entstand aus einer Spinnerei des Landbesitzers heraus, der gerne mit Lederhosen Aufführungen in München besuchte und nach Bayreuth pilgerte.

 

Einen Orgel-Saal hatte John Christie schon länger im Hause, aber auf das Wagnis, ein Miniatur-Opernhaus zu bauen, brachte ihn erst die Ehe mit der jungen Sopranistin Audrey Mildmay, die ohne Engagement an einem Opernhaus war.

 

Deswegen gestalte sich die Suche nach einer künstlerischen Leitung und einem Regisseur als schwierig. Zuerst hatte John Christie versucht, Sir Thomas Beecham und das London Symphony Orchestra für sein Vorhaben zu gewinnen. Aber Beecham winkte ab. Er hatte sich selbst schon mit einem eigenen Opernhaus ruiniert. Außerdem fürchtete er, Christie sei nur »ein weiterer reicher Mann, der versucht seine Frau zum Star zu machen«.

Der Dirigent Fritz Busch und der Regisseur Carl Ebert hatten indes Deutschland unter dem Nazi-Regime verlassen, weil sie sich weigerten jüdische Musiker in ihrem Ensemble zu entlassen. Beide hielten die Offerte von John Christie für einen Witz. Endlose Probezeiten. Keine Komplettaufnahme der Mozart-Oper als Vorbild. Sie entschlossen sich viel zu fordern – als höfliche Absage. Doch John Christie willigte schnurstracks ein.

Dirigent Fritz Busch und der Regisseur Carl Ebert kamen also nach Glyndebourne, stampften eine Fassung aus dem Boden – und tatsächlich rückte gleich im ersten Glyndebourner Opern-Sommer 1934 auch ein Aufnahmewagen von dem renommierten Plattenlabel His Master’s Voice nach Sussex aus und machte den Mix aus Irrsinn und Genialität komplett. Der Glyndebourne-Gründer John Christie realisierte seine Vision: »Nicht das Beste, was wir tun können, sondern das Beste, das überall getan werden kann.« Ein Motto, das bis heute aktuell ist.

Das Eldorado für Gartenliebhaber

Nicht nur beim Glyndebourne Festival, sondern im ganzen Süden Englands findet man viele weltberühmte Gärten vor, wie etwa Great Dixter. Der Garten wurde von Nathaniel Lloyd angelegt und ist voll von Sträuchern in Formschnitt, langen Rabatten sowie Orchideen- und Wildblumenwiesen. Auch in der Umgebung zeichnen sich die Gärten wie idyllische Inseln in die Landschaft und verzaubern durch üppige Staudenrabatten in perfekt abgestimmten Farbkombinationen, lauschige Gartenlauben mit überschwänglich blühenden Ramblerrosen und jene Natursteinwege, in deren Ritzen sich Glockenblumen ausbreiten dürfen, für die englische Gärten so berühmt sind.

Festival-Gegenwart

Es grünt und blüht noch immer rund um den stattlichen Landsitz der Christies. Die Opernpausen sind legendär. Das Picknick auch. Aber mittlerweile fasst das Festspielhaus um 1.000 Menschen mehr als in den Anfangsjahren. Die Saison dauert mehr als drei Monate – alles ist größer geworden, auch wenn Glyndebourne immer noch ein Seismograph für junge, aufstrebende Künstler ist.

 

2015 wurde der aus Rostock stammende Opernmanager Sebastian F. Schwarz zum Generaldirektor des Glyndebourne Festivals ernannt. 2016 konnte er direkt die Auszeichnung »Festival of the Year« verbuchen. Sein Eindruck: »Was besonders macht, ist definitiv das Gesamtkunstwerk des Glyndebourne-Erlebnisses. Glyndebourne gehört zur Summer Season – so wie Wimbledon, Ascot und die Henley Ruder-Regatta. Aber natürlich steht für uns immer die Oper im Mittelpunkt.« (BR).

 

Obwohl Schwarz 2017 als Generaldirektor zurücktrat, um sich auf die künstlerische Leitung zu konzentrieren, hat Schwarz die Festivalsaisonen bis inklusive 2021 für Glyndebourne noch geplant. Das Erlebnis bleibt: Berühmte Landschaftsgärten des Südens und ein Festival in vollendeter britische Kulturtradition.