Cuba – quo vadis?

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In Havanna wurden wir von unserem Guide begrüßt mit den Worten „Versuchen sie nicht Cuba zu verstehen. Sie müssen Cuba erleben!“
Wir haben 3 Wochen Cuba erlebt mit den unterschiedlichsten Facetten und Widersprüchen, mit ausgelassener Lebensfreude und großer greller schriller Buntheit, Buntheit der Kleidung, der Häuser, außen, wie innen. Buntheit der Ethnien: sehr dunkelhäutige und hellhäutige Menschen, Nachfahren der Spanier, der Engländer, der Franzosen, Nachfahren der Sklaven und alles mischt sich auf wunderbare Weise.
Wir waren ergriffen vom Lachen und der Fröhlichkeit trotz Armut, von den maroden Prachtbauten der Kolonialzeit, hinter deren Fassaden sich Wohngemeinschaften zusammengeschlossen haben. Jede Familie nennt ihr Eigen eine kleine Küche übergehend in einen „Sofa-Bezirk“, tags zum Sitzen und nachts umgewandelt zum Schlafen. Die dazugehörigen sanitären Einrichtungen sahen wir nicht.

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Marode Pachtbauten der Kolonialzeit (Barbara Schmidt)

Wir waren beeindruckt vom morbiden Flair der bereits sorgfältig restaurierten und noch zu renovierenden Paläste des Barock, Neoklassizismus und Art Déco – „La Habana Vieja“ ist UNESCO Kulturerbe, das hilft beim Umsetzen. Und natürlich zelebrierten wir die 4 wichtigsten auf Rum basierenden kubanischen Cocktails Mojito, Daiquiri, Pina Colada und Cuba libre bei Latino-, Salsa- , Reggae- und Son-Musik, häufig live. Zwar ist Baseball der Nationalsport der Kubaner, aber mindestens ebenso wichtig ist ihnen das Domino zocken, meist zu 4 laut und temperamentvoll an kleinen Tischen am Trottoir vor ihrer Behausung.

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Beim Dominospiel (Barbara Schmidt)

Die Kubaner sind Lebens- und Überlebenskünstler mit einer Gabe zur Improvisation. Mit unendlicher Hingabe werden die über 50 Jahre alten popfarbig lackierten US-Oldtimer, vielfach Cabrios, fahrtüchtig gemacht, um als Taxi Touristen durch Havanna zu schaukeln.

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Restaurierte Oldtimer auf den Straßen (Barbara Schmidt)
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Kubanerin mit Zigarre (Barbara Schmidt)

So weit zu den Klischees. Die Kubaner nehmen Vieles locker, in ihrer entschleunigten Art sind sie ungeheuer stolz auf ihre revolutionäre Vergangenheit – den Sieg des kleinen David über den übermächtigen US-Goliath. Sie sind stolz auf ihre Helden Fidel Castro, seinen jüngeren Bruder Raúl und Che Guevara, natürlich gibt es viele Helden und Märtyrer, aber Che ist gegenwärtig der Größte, sein bärtiges Konterfei mit rotem Stern auf der Mütze ziert T-Shirts, Baseballkappen, Poster, Becher und jede Menge unterschiedlichster Kitschsouvenirs, er ist omnipräsent, auch auf Hauswänden.

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Bemalte Hauswände (Barbara Schmidt)

Am 26. Juli 1952 (dem Nationalfeiertag) missglückte der Versuch, die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba zu stürmen, es folgten 2 Jahre Gefängnis. Beim zweiten blutigen Versuch gelang den Castro-Brüdern und Che die Flucht in die unwegsame Sierra Maestra. Ein anstrengender 3-stündiger schmaler Muli-Pfad , steil bergauf, bergab, durch Morast und über glatte Steine führt zum Hauptquartier, von wo aus das Triumvirat mit seinen streng disziplinierten Gefolgsleuten und gestützt auf weite Teile der Bevölkerung den Angriff zum Sturz von General Batista minutiös vorbereitete. Ende 1958 wurde Batistas Armee zurückgedrängt, am 1.1.1959 rief Fidel Castro die Republik aus.
Zu Castros Verdiensten gehört die Alphabetisierung, die allgemeine Schulpflicht, die kostenlose medizinische Versorgung für alle, die heute noch geltenden Lebensmittelkarten mit monatlicher Zuteilung (kein Kubaner muss verhungern), die Landreform durch Enteignung der Großgrundbesitzer, die Verstaatlichung der Industrie (Zucker, Rum und Tabak – auch heute DIE Ausfuhrgüter).

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Lebensmittelkarte (Barbara Schmidt)

In den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, erlebte Cuba die größte Wirtschaftskrise seit 1959. Viele Kubaner flohen damals nach Florida. Die Landbevölkerung bekam Land zugeteilt und mutierte zu Selbstversorgern. Was nicht konsumiert wurde, gelangte auf Straßenstände oder Bauernmärkte oder in Kooperativen zum Verkauf, auch heute. Damals wie heute leben auf Cuba nur glückliche Hühner und glückliche Schweine an der Straße, ebenso laufen Schafe, Ziegen und Kühe frei herum, nur Pferde weiden angebunden. Hühner und Schweine darf jeder selbst schlachten und verkaufen, für Rinder ist der Staat zuständig, bei Schwarz-Schlachtung droht Gefängnis, es sei denn, man verteilt blitzschnell und bedenkt großzügig auch den, der die Augen schließen muss.
Vieles ist 50 Jahre zurück: manches Bäuerlein beackert seine Felder noch mit Ochsen oder Pferden, die auch vor den Karren gespannt als Transport-und Fortbewegungsmittel dienen. Daneben gibt es vor allem in Städten Fahrrad-Rikschas für 2 Personen, je nach Geldbeutel LKWs vornehmlich chinesischer Herkunft mit Gittern an der Seite wie für Viehtransporte oder Linienbusse, unseren nicht unähnlich.

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Transportkarren mit Ochsen (Barbara Schmidt)
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Pause in der Fahrradrikscha (Barbara Schmidt)

Und dann gibt es staatliche gelbe Taxis mit festen km-Preisen und private „Schlitzohr-Taxis“, bei denen sich vor dem Einsteigen eine klare Preisabsprache empfiehlt (Spanischkenntnisse sind da überaus hilfreich!)
Cuba – 2 Währungen, 2 Klassen-Gesellschaft: Ausländer zahlen in CUC (Devisenwährung), Kubaner zahlen in CUP (kubanische Pesos) – 1 CUC = 25 Pesos. Wie gesagt, dank der Lebensmittelkarten, verhungert kein Kubaner. Nicht nur für die junge Bevölkerung ist das Dienstleistungsgewerbe wesentlich spannender, als beispielsweise als staatlich bezahlter Arzt oder Lehrer zu arbeiten: die Trinkgelder der Touristen fließen in CUCs, was wiederum den Zugang zu speziellen Geschäften oder zum Schwarzmarkt mit teurer Importware ermöglicht, auch Neuwagen, meist chinesische.
Überhaupt floriert der blendend organisierte Schwarzmarkt: auf Basis von CUCs bekommt man alles. Die in Pesos rechnende Bevölkerung versucht, sich Fehlendes im Tauschgeschäft zu erhandeln. Vieles läuft parallel, auch hier funktioniert ein eng geflochtenes Netzwerk möglichst bis in die einflussreichsten Regierungs-Kreise. Im kubanischen Kommunismus sind zwar alle gleich, nur einige doch ein bisschen gleicher!
Ein lukratives Zusatzeinkommen liefern die „Casas particulares“, private Zimmervermietung zu
günstigen Preisen. Es müssen zwar Steuern gezahlt werden und jeder Gast wird sorgfältig mit Passnummer und Unterschrift geführt, aber es dürfte sich lohnen, denn überall wird weiter hinzugebaut in der Hoffnung auf boomenden Tourismus. Sehr stolz ist man hier auf die „clim“(a-Anlage), deren Geräuschpegel den eines LKWs übertrifft, sodass man die Option hat zwischen kühl und hellwach oder heiß und geräuschlos. Autos parken vor dem Haus, Motorräder im Wohnbereich, bei Stromausfall fungiert der Scheinwerfer als Notaggregat, alles erlebt!
25% der Insel stehen unter Naturschutz. Den Wanderer durch den tropisch-feuchten Regenwald begleitet melodiöses Vogelgezwitscher und der Ruf des Tocororo, dem spechtähnlichen, bildschönen Nationalvogel, ansonsten beschränkt sich die Fauna vornehmlich auf Ameisen, Termiten und vor allem überfallartig zustechende Moskitos, die allen „No Bites“ trotzen.

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Tocororo – kubanischer Nationalvogel (Barbara Schmidt)

Die Flora ist überwältigend üppig , eine farbenprächtige Vielfalt wunderbarer Orchideen, Symbiosen von sehr dekorativen zartblättrigen Bromelien an vielen Bäumen und sehr viel Unbekanntes, die Flora lässt jedes Homöopathen-Herz höher schlagen: Unzählige Pflanzen bergen Heilkraft in Blatt, Blüte und/oder Wurzel, die nach wie vor mangels Medikamenten als Hausmittel eingesetzt werden.
Ein eminent wichtiges Ereignis war in diesem Jahr der Besuch von Papst Franciscus in Havanna, die Kubaner säumten jubelnd seine Route. Und trotz seiner Kritik am kommunistischen System schätzt Fidel Castro Papst Franciscus! Im 16.Jhdt. sorgten die Konquistadoren für die Verbreitung des Katholizismus auf der Insel, was damals die afrikanischen Sklaven nicht hinderte, weiterhin an ihren „changó“ und andere Götter zu glauben – an ihren Hausaltaren wurden sie als katholische Heilige camoufliert! Diese Tradition wird auch heute noch aufrechterhalten.
Quo vadis Cuba?
Viele Fragen stellen sich dem Reisenden: Wie sieht Kubas Zukunft aus? 2008 hat Raúl Castro mit seinem „alineamiento“ zaghafte Reformen in Richtung Liberalisierung begonnen, es formiert sich eine Mittelschicht, die überaus wichtig ist für die darniederliegende weitere wirtschaftliche Entwicklung.
Wer folgt auf Raúl Castro? Kann er die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bewahren und dafür sorgen, dass die „cubanischen Paladares“ (Bistros) nicht an jeder 2. Ecke von einem KFC oder McDonalds verdrängt werden?
Findet bereits hinter verschlossenen Türen ein Machtkampf oder eine Ämterverteilung statt? Und wie kann der Bevölkerung vermittelt werden, dass nun nach 50 Jahren ohne Steuern, ohne Arztrechnungen, ohne Schulgeld plötzlich Vieles auf den Prüfstand kommt, um die Wirtschaft anzukurbeln, denn einem Großteil der Bevölkerung geht es aller Fröhlichkeit zum Trotz nicht gut.

~ Barbara Schmidt, Mai 2016

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