Reisebericht: Mit ZEIT REISEN in Schwedisch Lappland - Natur im Einklang mit Mensch und Tier erleben

Zur Reise:
Herbstzauber in Schwedisch Lappland
Atussa Manosalva

Am Ende aller meiner Reisen frage ich mich: Komme ich wieder? Möchte ich hier leben? Meist ist die Antwort für einen kurzen Moment „Ja“ und dann doch „Nein, es gibt noch so vieles zu entdecken!“. Dieses Mal könnte es anders sein: Im Herbst das Naturschauspiel ganz anders zu erleben, das wäre doch was. Kommen Sie mit?

Atussa Manosalva

Leiterin Produktmanagement

Atussa Manosalva, Leiterin des Produktmanagements bei ZEIT REISEN, war als ZEIT-Reisende mit uns in Schweden. In diesem Reisebericht teilt sie ihre Reiseerfahrung und berichtet von herrlichen Wanderrouten, fantastischer Küche, und dem Zauber der Natur.

Selten habe ich ein so schönes Reiserlebnis erfahren dürfen. In nur sieben Tagen wurden wir Teil der unberührten Natur Nordschwedens. Eingeschneite Wälder und Flüsse luden zu Schneeschuhwanderungen ein. Das Wissen und die Offenheit unserer Gastgeber erlaubten uns einen längst verloren gegangenen Schatz in uns wiederzuentdecken: die uns innewohnende Beziehung zur Natur.

Anne-Kathrin, unsere versierte Naturführerin, ist es gelungen, uns mit ihrer Begeisterung und ihrer Leidenschaft für das Ökosystem Wald, insbesondere zur Waldflechte, anzustecken. Kein Wunder, dass wir nun – daheim angekommen – auf jedem Baum, jedem Stein, jeder Straßenlaterne oder auch Dachziegel diesen Zwitter aus Alge und Pilz zu erkennen vermögen und uns die Achtsamkeit für dieses bisher unscheinbare Phänomen nicht mehr abhandenkommen kann.

Und das Beziehungsgeflecht, das durch die Besonderheit aller Teilnehmer dieser Reise entstehen konnte, wird neue Freundschaften fürs Leben knüpfen. Der Abschied fiel daher schwer, doch die tiefe Verbundenheit und Erinnerung an jeden einzelnen Reiseteilnehmer, an Anne-Kathrin und das ZEIT-Reiseerlebnis „Winterzauber in Schwedisch Lappland“ bleiben.

Sonntag, 17.03.2024: Anreise  – Begrüßungsessen

Wir landen pünktlich am kleinen, überschaubaren Flughafen von Umeå. Der Transfer mit dem reservierten Privatbus zur Ecolodge Granö Beckasin funktioniert reibungslos. Die Fahrt von ca. 1 Std. 15 Min. ist lang genug, um sich auf die Kälte und die immer dünnere Besiedelung Nordschwedens einzustimmen. Umeå lassen wir also immer weiter zurück und fahren Richtung Nordwesten in das kleine Dorf Granö Beckasin, bester Ausgangspunkt für unsere geplanten Schneetouren. Mal mit Schneeschuhen, mal mit Husky-Hunden durch den verschneiten Wald. Vor allem mit Anne-Kathrin – unserer wunderbaren Reiseleiterin und Expertin für das Ökosystem Wald.

Das Reiserlebnis teile ich in den kommenden sieben Tagen mit 15 ZEIT-Reisenden aus ganz Deutschland.

Unsere Unterkunft ist eine Ecolodge. Zugunsten der Umwelt verzichten wir auf gewohnten Komfort. Die Größe der Zimmer ist begrenzt, kleine Koffer und wenig Wäsche sind empfohlen. Wir verzichten auf Wasserdruck, Salzstreu gegen Blitzeis und kunstvolles Interior-Design. Das Solo gehört der Natur: Spotlight an für die Schönheit der Wälder und Menschen, die sich für das Leben hier draußen entscheiden. Was wir alle nicht ahnen: Morgens, mittags und abends werden wir kulinarisch regional und auf hohem Niveau verwöhnt. Am Abend wird ein perfekt abgestimmtes 3-Gänge-Dinner serviert! Wenngleich die Unterkunft sehr einfach ausgestattet ist, so toppen Koch, Service und Empfang alle Erwartungen. Herzlich und hilfsbereit werden alle Wünsche aufgenommen und nach Möglichkeit erfüllt. Das erste gute Abendessen (Hauptgang Gulasch von Schwein und Rind mit Zimt und Beeren aus der Region) sorgt dann auch zuverlässig für einen ersten Applaus.

Nach vielen Stunden Anreise und später Ankunft ein perfekter Abschluss, inklusive erster anregender Gespräche. Müde spazieren schließlich alle in ihre Unterkunft. Für die einen ruft das Vogelnest gegenüber, die anderen stapfen durch den Schnee etwas weiter den Weg hinauf zum Ecohotel, das mit seinen 10 Doppelzimmern überschaubar viele Gäste beherbergt. Spikes für die vereisten Wege und warme Winterwanderschuhe sollten im Gepäck auf keinen Fall fehlen. So kann das Erlebnis „Winternatur“ gelingen.

18.03.2024: Erste Wanderungen unter blauem Himmel

Nach einem köstlichen Frühstück stellt Anne im lichtdurchfluteten Seminarraum der Lodge sich und das Programm der Reise vor. Als Naturführerin und Ökologin unterstützt sie seit 6 Jahren das Dorf Granö dabei, seine Existenzgrundlage mit dem sehr guten touristischen Angebot zu sichern. Gleichzeitig kann sie ihre Leidenschaft für das Leben in der Natur und das Ökosystem Wald mit Neugierigen aus aller Welt teilen und wichtiges Wissen vermitteln.

Nach dem kurzweiligen Intro schnallen wir unsere Schneeschuhe erstmals an und schnappen uns Wanderstöcke. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Ein perfekter Start in den Tag.

Eine erste kleine Runde in die Umgebung gewöhnt uns an die vereiste Oberfläche: Wir wandern auf kleine Anhöhen, durch verwunschene Waldpfade und dann über die endlose Weite auf dem zugefrorenen See. Die dezente Kälte ist kaum zu spüren. Dennoch denke ich immer wieder an die großen Expeditionen zum Nordkap und frage mich, warum man sich das wohl antut. Welche Motivation treibt die Menschen da zu solchen Herausforderungen?

Gastgeber dieser ZEIT-Reise ist heute aber nicht das Nordkap, vielmehr der verschneite Wald. Beide Wanderungen widmet Anne thematisch seinen Heilkräften. Antibakterielle Baumsäfte und Rinden (von hier kommt das Penicillin), Heilpilze und auch die ungewohnte Stille im Wald tragen zur körperlichen und seelischen Genesung bei (Waldbaden). Dank Anne wird die Erinnerung an dieses Wissen wieder ganz lebendig und erhält den Stellenwert, den es haben sollte. Anne erzählt auch von den noch ungenutzten möglichen Ressourcen, die der Wald bietet. Schon mal was von Pilzleder gehört? Ein ökonomisch sinnvolles Alternativprodukt.

Am Abend wieder lebendiger Austausch im Restaurant.

Dienstag, 19.03.2024: Die Waldflechte – Themenwanderung mit Lunch am Lagerfeuer

Für den heutigen Tag steht eine 5-stündige Wanderung an. Die Route verläuft anspruchsvoll, aber ist für alle zu schaffen. Es gibt genügend Pausen und Stopps. Das Thema „Waldflechten“ wird uns heute begleiten. Trotz Hexenschuss ist Anne voller Elan und wir können uns kaum dagegen wehren, ihre Begeisterung für Flechten zu teilen. Mit Fotobeispielen und Speziallupen ausgestattet, knien wir uns in den Schnee und sind fasziniert von der ungeahnten Vielfalt, die sich vor uns auftut. Auf einem Findling aus der Eiszeit entdeckt Jana, die Geologin unter uns, gleich 5 verschiedene Flechtenarten.

Flechten sind weder Tier noch Pflanze, aber mehr als nur ein Pilz. Sie sind faszinierende Doppelwesen aus Algen und Pilzen. Sie können die Bedingungen für andere Organismen im Ökosystem verbessern. So bringen sie beispielsweise Wasser und Nährstoffe aus der Atmosphäre in das Ökosystem Wald ein. Sie sind zudem Futter für Tiere. Einige haben antibakterielle Wirkung und ihr Wirkstoff wird in der Medizin genutzt. An einem Feuerplatz werden Rentierfälle ausgebreitet, und mit trockenem Birkenholz und Feuerbesteck zündet Anne in Windeseile ein Lagerfeuer an. Ein Süppchen und köstlicher Kuchen, allesamt Proviant vom Koch für uns, sorgen für innere Wärme.

Mittwoch, 20.03.2024: Bildmuseet in Umeå – Nachtwanderung

Ein Tag zur freien Verfügung. Die Gruppe löst sich für einen Tag auf und jeder geht seinen individuellen Interessen nach. Mich zieht es nach zwei vollen Tagen „Natur pur“ und dem 350-Personen-Dorf Granö wieder in die Zivilisation. Ich möchte Umeå sehen und wissen, wie sich die kleine Universitätsstadt mit seinen 80.000 Einwohnern 10 Jahre später, nach dem Kulturhauptstadttitel 2014, heute präsentiert.

Der öffentliche Bus fährt mich für 139 Kronen mit nur wenigen Stopps direkt ins Stadtzentrum. Viele Baustellen und eisige Kälte verdecken zunächst den städtischen Charme, aber spätestens, als ich in der Nya Konditoriet einkehre, krabbelt der angenehme Puls der Kleinstadt in meine Adern. Ich genieße eine köstliche Beeren-Pie und das Gebrabbel der Schweden. Seit 90 Jahren wird in dieser Konditorei traditionelle schwedische Backkunst zelebriert. Das Interieur zeugt von gepflegter originärer Herkunft.

Der Puls der Freude steigt in mir erneut auf, als ich nach einem kleinen Marsch am Rathaus vorbei, runter an die Uferpromenade, am Fluss Ume entlang endlich das Bildmuseet für zeitgenössische Kunst entdecke. Ein moderner Bau mit Holzfassade, kubistisch angehaucht. I like it. Auf jeder Ebene wird ein anderes Thema präsentiert. Klein, aber fein. Zu meiner Überraschung trifft eine Ausstellung genau unser Thema: fünf Positionen zeitgenössischer Künstler*innen beschäftigen sich mit deren Beziehung zum Ökosystem Wald.

Übrigens: Im Dorf, in der Stadt, im Bus, alles wird per Kreditkarte bezahlt, Bargeld wird oft gar nicht erst angenommen. Die Schweden haben sogar in der Wildnis Netz. Am Abend lädt Anne uns auf eine Nachtwanderung mit Lagerfeuer ein. Der Mond leuchtet uns den Weg bis zum Feuerplatz. Mit einer 365-Grad-Lampe lässt sie Baumflechten in knallig intensiven Farben aufleuchten. Blau, rot, lila und gelb – ein Fest für alle Sinne, Regenbogen, Farbrausch in der Nacht.

Donnerstag, 21.03.2024: Husky-Schlittenfahrt

Was für ein Erlebnis! Vier Huskys, ein Schlitten, Schnee und Sonnenschein!  Auf diese Tour hatte ich mich besonders gefreut und kann es kaum erwarten, den Schlitten zu lenken. Dennoch lausche ich mit großem Respekt den Ein- und Anweisungen der zwei bezaubernden Husky-Hüterinnen Amanda und Lillet, denn ich kann mir noch gar nicht vorstellen, dass ich diesen Holzschlitten und die Hunde wirklich? ganz! alleine? lenken kann. Aufregung! Aber es klappt tatsächlich. Durch atemberaubend schöne Schneelandschaften ziehen uns je Schlitten vier elanvolle Hunde ca. 6 Kilometer in den Wald. Sanfte Kurven, kleine Hügel und meist angenehm geradlinige Pfade führen tiefer in den Wald. Eigentlich ist es für die Hunde zu warm und so gönnen wir ihnen mehrere Pausen, damit sie sich im Schnee abkühlen und trinken können. Von ihrer Lauflust hält sie aber nichts so schnell ab. Voller Freude zuckt es im Geschirr und die Hunde zuppeln und rennen weiter. Ca. 10 km/h schnell fahren wir. Gar nicht so schnell, wie man denken könnte. Nur in den Kurven und bergab rast der Schlitten mit mehr Tempo und es sprudelt wieder ein Hauch Adrenalin in die Adern.

Auf halber Strecke machen wir Rast. Die Schlitten werden befestigt, die Hunde gelöst. Intuitiv gehen alle auf ihre Hunde zu, loben, kuscheln und streicheln die erschöpften Racker. Zu unserer Überraschung können die Hunde gar nicht genug bekommen. Wir auch nicht.

Erst der duftende Kaffee und das köstliche Himbeergebäck am Lagerfeuer locken uns von ihnen weg. Rund um die Feuerstelle sitzen bewegte ZEIT-Reisende, Glückseligkeit strahlt aus allen Poren! Auch bei mir.

Freitag, 22.03.2024: Rentierfarm & Samikultur

Hurra, es schneit! Im Schneegestöber besuchen wir heute den Rentierzüchter Jon-Christian. Wir dürfen Rentiere füttern und lernen viel über Leben und Alltag eines Rentierzüchters. Im Rhythmus der Jahreszeiten den Herden folgen, Kälber markieren, schlachten. Natürlich gibt es Herausforderungen, natürliche Feinde und von Menschen gemachte Probleme, aber eines verbindet alle: die Liebe zu den Tieren.

Reichtum der anderen Art ist die sinnstiftende Belohnung. Reich wird man nicht. Als Sami stammt Jon-Christian von der einzigen indigenen Bevölkerung Europas ab und weiß stolz und klar von Familientraditionen und Rollenverteilungen zu berichten. Ob in der Küche oder draußen bei den Rentieren: Frauen wie Männer begegnen sich seit Jahrhunderten auf Augenhöhe und helfen mit. Meist bestimmen die Großmütter, so sagt er. Im großen Tipi bereitet er nach alter Tradition ein Essen über dem offenen Feuer für uns zu und verliert bei all den Fragen fast die Zeit aus den Augen. Spätestens als er uns Brottaschen reicht, in die wir sein Pfannengemüse und Rentierfleisch füllen, eine Art Rentier-Döner, wird es kurz still. Es scheint allen zu schmecken. Smaklig måltid!

Samstag, 23.03.2024: Wanderung, die letzte!

Unsere letzte Wanderung führt uns noch einmal in den Wald. Wir werden wehmütig. Heute heißt es Abschied nehmen. Wald, Tier und Mensch leben hier im kleinen Granö im Einklang mit der Natur. Ein bisschen von dieser Idee nehmen wir mit und tragen sie nun in unseren Herzen.

Mit einem fantastischen Abschiedsmenü hinterlässt auch der Koch noch einmal ein deutliches Statement, wir sollen ihn und die Natur in Granö wohl nicht vergessen. Liebe geht durch den Magen. Ja, wir haben uns wohl alle ein wenig in dieses schöne Fleckchen Erde verliebt. Am Ende aller meiner Reisen frage ich mich: Komme ich wieder? Möchte ich hier leben? Meist ist die Antwort für einen kurzen Moment „Ja“ und dann doch „Nein, es gibt noch so vieles zu entdecken!“.

Dieses Mal könnte es anders sein: Im Herbst das Naturschauspiel ganz anders zu erleben, das wäre doch was. Hier geht’s zum Herbstzauber in Schwedisch Lappland: