DER WEG IST DAS ZIEL

Auf der neuen Seidenstraße

2300 Jahre Kulturgeschichte hautnah erleben – als Kulturbotschafter der ZEIT auf Expedition im Bus von Hamburg nach Shanghai

Am 16. Mai 2019 startete unsere einmalige Kulturexpedition am Hamburger Pressehaus. Das Reiseziel nach über 14.300 Kilometern, 53 Tagen und 37 Etappen ist Shanghai, Chinas Weltmetropole, mit der Hamburg seit über 30 Jahren eine lebendige Städtepartnerschaft verbindet. Die Reisenden durchqueren Polen, Weißrussland, Kasachstan, Usbekistan, Krigistan und China auf ihrem Weg nach Shanghai, wo sie am 5. Juli erwartet werden.

In der Blütezeit der Seidenstraße vor über tausend Jahren wurden Seide, Porzellan und Gewürze global gehandelt. Nach Jahrhunderten der Vergessenheit wird die Seidenstraße von China wiederbelebt und steht erneut im Fokus globaler Aufmerksamkeit. Wo früher Kamelkarawanen jahrelange und beschwerliche Reisen zwischen Europa und Asien auf sich nahmen, entstehen heute neue Autobahnen, Pipelines und Eisenbahnnetze für die modernsten Hochgeschwindigkeitszüge der Welt. Sie werden Zeitzeuge auch dieser Entwicklung. Die Teilnehmer übernachten in ausgesuchten 4- bis 5-Sternehotels und werden auf der gesamten Strecke von einer Reiseleitung der ZEIT und unseres Partnerveranstalters China Tours begleitet. Langjährige Korrespondenten und Redakteure der ZEIT sowie weitere Experten vermitteln Ihnen in Vorträgen und Gesprächen auf wichtigen Teilstrecken ihr Wissen über Geschichte und aktuelle Entwicklungen. Vielerorts werden unserer Kulturexpedition unterwegs hochkarätige Empfänge durch unsere Gastgeber bereitet.

DIE ROUTE IM ÜBERBLICK
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Tag 1: 16.5.2019

Anreise nach Hamburg

Der Countdown läuft!

Das große Abenteuer beginnt auch in diesem Jahr mit der Anreise nach Hamburg in das Hotel Atlantic an der Außenalster. Auch 2019 fahren wir wieder mit zwei Bussen: 23 ZEIT-Reisende vom Team Hamburg und 26 im Team Shanghai, die sich beim Schreiben des Blogs abwechseln werden.

Es ist angerichtet
Begrüßung der Gäste

Um 18.30 Uhr ist die lange Zeit des Wartens vorbei, endlich geht es los, die Vorfreude steht allen in Gesicht geschrieben: Und auch unsere beiden Reiseleiter Wolfgang Pohl (Team Hamburg) und Rainer Schelp (Team Shanghai) scharren schon mit den Hufen, endlich Ihre Teilnehmer zur Vorstellungsrunde begrüßen zu können, zu der wir uns im Alstersalon des Hotels treffen: Shanghai, das rote Team auf der linken Seite des Salons, Hamburg, das blaue Team auf der rechten Seite.

Wolfgang Pohl
Rainer Schelp

Schnell wird klar, was für die meisten Teilnehmer das Motiv für die Buchung dieser Reise war: Der Reisetraum von der Durchquerung zweier Kontinente und spannender Kulturräume, die langsame Annäherung an das Reiseziel Shanghai, der Mythos Seidenstraße und nicht zuletzt die sinnesfrohe Reisebeschreibung in unserer achtseitigen Broschüre, die wir der ZEIT Ende Juli vergangenen Jahres beigelegt hatten. Einige wollten bereits letztes Jahr mitfahren und sind von der Warteliste nachgerückt. Deshalb waren auch diesmal alle Plätze schnell vergeben.

Festlich

Viele Teilnehmer haben viel von der Welt gesehen, waren aber bisher fast ausschließlich individuell mit ihren Partnern verreist, für Einige wird es die erste Gruppenreise und für die meisten die allererste Busreise! Die meisten haben Ihr Arbeitsleben hinter sich und sind voller Vorfreude auf die nächsten 53 Tage bis zur Ankunft der Busse in Shanghai. »Diese Reise«, so formulierte es ein Mitreisender stellvertretend für viele andere, »ist so einzigartig und in dieser Form nur so mit der ZEIT machbar, dass wir nicht lange überlegt und uns sofort angemeldet haben«.
Beim Abschiedsdinner stellt dann unser Kieler Busunternehmer Christian Peschke sein Busfahrerteam vor, das uns in den nächsten siebeneinhalb Wochen unversehrt bis nach Shanghai chauffieren soll: Jens und Daniel sind schon alte Hasen und waren bereits im letzten Jahr dabei. Neu am Start ist Mateusz. Die drei werden sich in den nächsten siebeneinhalb Wochen am Steuer unserer beiden schwarzbraunen Neoplan Cityliner abwechseln.

Das Bus-Team

Und vor unserer mittlerweile vierten Abfahrt nach Shanghai ist es nun schon Tradition: Zum Ausklang des Abends ertönt erstmals auch unsere Hymne, die uns und unsere Busse bis nach Shanghai begleiten und fortan an jedem Morgen nach der Abfahrt erklingen wird: »Hinterm Horizont geht’s weiter …«, die schöne Ballade von Udo Lindenberg. Der Titel des Liedes soll auch das Motto für unsere lange Reise sein, die ich persönlich bis nach Warschau begleite und für die ersten Tage das Schreiben des Blogs übernehmen werde.

~ Bernd Loppow, Gründer und Programmleiter ZEIT REISEN

Tag 2: 17.5.2019

Von Hamburg nach Berlin

In Hamburg sagt man Tschüß

Den ganzen Morgen liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren: Das Buffet für den Empfang in der Kantine wurde bestückt, die Getränke kaltgestellt. Bei Sekt und Canapés lauschen die Reisegäste den einstimmenden Grußworten. Auch in diesem Jahr lässt es sich Dr. Theo Sommer, 20 Jahre Chefredakteur der ZEIT und anschließend mit Gräfin Dönhoff und Helmut Schmidt Herausgeber unserer Zeitung, nicht nehmen, die Gruppe auf ihren Weg nach Shanghai zu verabschieden. Diesmal aus besonderem Anlass: Sein neues Buch »China First – Die Welt auf dem Weg in das chinesische Jahrhundert« ist vor wenigen Monaten erschienen und schon in der dritten Auflage auf dem Markt, ein Bestseller. Er weist besonders auf das »rasante Tempo« hin, mit dem sich China seit 1975, als er mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt erstmals China besuchte, »aus der Steinzeit der wirtschaftlichen Entwicklung zu einer modernen Großmacht katapultiert hat, eine historisch einzigartige Entwicklung!«. Es folgen Grussworte von Frau Wang der stellvertretenden chinesischen Konsulin in Hamburg, Herrn Cheng, dem Leiter des Chinesischen Fremdenverkehrsamtes in Frankfurt und Andi Janz, dem Geschäftsführer unseres Reisepartners China Tours.

Nach dem obligatorischen Abschlussfoto auf der Wiese vor dem Helmut-Schmidt-Haus ist es dann soweit: Um Punkt 12.00 Uhr gibt Theo Sommer mit einem Schwenk der Hamburgflagge den Weg frei. Es geht los, der Weg ist das Ziel. Selten hat ein Klischee so gestimmt! Vor den ZEIT-Reisenden liegen fast 14.000 Kilometer, 37 Etappen in 52 Tage, acht Zeitzonen und jede Menge neue Erfahrungen und Begegnungen. Und erstmals tönt es dann aus den Bordlautsprechern: »Hinterm Horizont geht’s weiter…!«
Schnell gewöhnen wir uns an unser neues Wohnzimmer für die nächsten siebeneinhalb Wochen. Denn: Komfortabler als in unseren beiden ZEIT-Bussen können wir nicht reisen: Unser Busunternehmer Christian Peschke hat auf dem Platz jeder zweiten Sitzreihe ein Komfortmodul eingebaut, das aus einem herrlich bequemen Ledersitz und einer Schrank-/Tischkombination besteht, auf der man sogar die ZEIT in ganzer Breite ausbreiten kann. So findet die auf jedem Tisch ausliegende aktuelle ZEIT-Ausgabe schnell ihre Leser. Ein Sitzkomfort fast wie in der Business Class auf Fernflügen. Bei Sonne und Wolken geht die erste Etappe nach Berlin vorüber: Um viertel vor Fünf rollen wir vor dem Mövenpick Hotel in Westberlin vor, der Herberge für unsere erste Nacht on the road. Vor dem Abendessen begrüssen wir Alexander Sambuk, unseren ersten ZEIT-Experten, der uns durch Polen und Weißrussland bis zur russischen Grenze begleiten wird. Und morgen wartet die Überquerung der ersten Grenze auf uns. Polen, wir kommen!

~ Bernd Loppow, Gründer und Programmleiter ZEIT REISEN

Tag 3: 18.5.2019

Von Berlin nach Posen

Willkommen in Polen!

Nach einem kräftigen Frühstück im Mövenpick Hotel starten wir um 9 Uhr auf die 2. Etappe. Natürlich nicht ohne unser morgenliches Abfahrtsritual: »Hinterm Horizont geht’s weiter, zusammen sind wir stark …«. Heute ist der Chor wieder um einige Stimmen gewachsen. 277 Kilometer sind es heute bis nach Posen, wo wir Mittags erwartet werden. Beim letzten Tankstopp in Deutschland fließen 360 Liter Diesel in den Bauch unseres Busses.

Hinter Frankfurt an der Oder überqueren wir dann die erste Grenze, die letzte im Schengenraum, daher ein letztes Mal ohne Stopp und Passkontrolle. Diese Segnung des europäischen Staatenbundes werden wir uns später noch oft zurücksehnen.
Auch in Polen begleitet uns rechts und links der Leitplanken eine Landschaft, wie wir sie auch aus Brandenburg kennen: leuchtend gelbe Rapsfelder, saftig grüne Wiesen, kleine Gehölze aus Birken und Kiefern. Und wir möchten es hier einmal ausdrücklich festhalten: Über uns wölbt sich seit der Abfahrt am Morgen in Berlin ein wolkenloser Himmel, die Sonnenstrahlen wärmen die Frühlingsluft, bei der ersten Rast tragen die meisten Mitreisenden ihre kurzärmeligen blauen Expedtionspolos mit dem Namen auf der Brust und der Expeditionsroute auf dem Rücken. Die Autobahn ist neu und bestens ausgebaut. Bereits hier sehen wir, wie Polen nennenswert von der EU profitiert. Auf dem Weg nach Posen passieren wir auch rund ein Dutzend EU-finanzierte Wildbrücken, mehr als ich in Deutschland jemals gesehen habe.
An Bord berichte ich über die Entstehungsgeschichte von ZEIT REISEN und unserer großen Expedition mit dem Bus nach China. Es folgt ein Exkurs über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung der ZEIT in Zeiten der Digitalisierung. Und ich kündige das nächste große Langstreckeprojekt nach der Neuen Seidenstaße an. Einen weiteren Reisetraum, für den spontan mehrere Mitreisende Feuer und Flamme sind: Die Panamericana von Anchchorage bis nach Alaska. Dauer: 150 Tage, Start: Mitte August 2020. Im Angebot am Anfang Juni.

Parallel versorgt Alexander “Sascha” Sambuk die Mitreisenden vom Team Shanghai im roten Bus mit ersten Informationen über Polen und beantwortet die Fragen. Der russisch/weißrussische Journalist aus Moskau ist der erste ZEIT-Experte an Bord und wird uns im täglichen Wechsel zwischen den Bussen bis nach Woronesch über die Geschichte und aktuelle Situation in Osteuropa informieren. Er hat mit allen ZEIT-Korrespondenten seit der Gründung des ZEIT-Büros in Moskau 1976 zusammengearbeitet und seine Frau Lena arbeitet seitdem als Assistentin des Korrespondenten, derzeit für Alice Bota.
Als wir um 13 Uhr in Posen ankommen, erwartet uns bereits unsere lokale Reiseführerin Barbara Mandelke zur Stadtführung. Zunächst geht es aber zu einem zünftigen Mittagessen in einAltstadtrestaurant: Sauerkraut, Kartoffeln und ein Schnitzel, das über den Tellerrand hinausragt. Natürlich darf ein kühles polnisches Bier nicht fehlen. “Wenn man in Posen ein Bier trinkt”, erklärt uns Barbara mit einem Augenzwinkern, “muss es ein Lech sein, nach einem alten polnischen Vornamen. So wie Lech Walesa. Denn Lech muss wech!” Barbara versteht es, uns ihre Heimstadt mit Witz und Charme vorzustellen. Und was wir sehen ist beeindruckend: Besonders bemerkenswert ist der Marktplatz: Nachdem die prächtige Architektur im Barock- und Renaissancestil im Zweiten Weltkrieg weitestgehend zerstört wurde, haben Restauratoren und Architekten das Viertel in jahrelanger akribischer Arbeit und nach Originalbauplänen restauriert. Und es wieder zum Anziehungspunkt für alte und junge Posener gemacht – mit zahlreichen Cafés, Bars und Restaurants, Boutiquen und den unvermeidlichen Souvenirständen. Im Zentrum des Marktplatzes steht das alte Rathaus, eines der prachtvollsten Renaissancedenkmäler Mitteleuropas.

Und überall sehen wir junge Menschen. Posen hat bei rund 500.000 Einwohnern 145.000 Studenten. Auch junge Deutsche zieht es zunehmend nach Posen, erzählt Barbara: “Es gibt auch interessante englischsprachige Bachelor- und Masterstudiengänge mit vergleichsweise niedrigen Studiengebühren.”

Vor dem Abendessen in Hotel berichtet Sascha Sambuk über die Entwicklung Polens und beantwortet Fragen zur aktuellen politischen Situation. Nach dem abschließenden Abendessen unternehmen einige Nachtschwärmer noch einen Ausflug zum Marktplatz und sind mittendrin als Mengen von Studenten und anderer junger Menschen den Beginn des Wochenende feiern. Posen, eine Stadt, in der es sich gut leben lässt und wo wir gern noch einen Tag länger verbracht hätten!

~ Bernd Loppow, Gründer und Programmleiter ZEIT REISEN

Tag 4: 19.5.2019

Von Posen nach Warschau

Früh morgens wolkenfreier Himmel und Sonnenschein. Zwei Stunden später, wir sind gerade dabei unser Gepäck in den Bus zu verstauen, ein heftiger Regenguss und dunkle Wolken. Die Prognose des Wetterberichtes stimmte also. Wir lassen uns davon nicht negativ beeinflussen. Ganz im Gegenteil, wir freuen uns auf die Fahrt nach Warschau. Unser Motto-Lied von Udo Lindenberg „Hinterm Horizont geht’s weiter“, wird von uns angestimmt und treibt uns förmlich voran nach Osten. Klingt zwar noch ein bisschen verhalten und nicht so textsicher, aber wir haben ja noch 49 Tage Zeit es zu perfektionieren. Der Refrain überzeugt jedoch schon. Die Frage stellt sich nur kurzfristig, ob es an diesem Ort auch das richtige Lied ist, denn wir passieren gerade Łódź. Und hier hat bekanntlich „Theo“ das Sagen. Während der ersten Rast mit Kaffepause, dann eine Premiere für uns! Wir können endlich unsere ZEIT-Tassen mit dem Routenverlauf und dem jeweiligen Namen des Reisegastes einweihen.

Kaffeepause
Erster Kaffee aus den ZEIT-Tassen
Zwischen Posen und Warschau

Einige verfolgen anhand der Beschriftung an unserem Bus den Streckenverlauf, d.h. was wir bislang zurückgelegt haben. Es ist klar erkennbar: Wir befinden uns in Fahrtrichtung noch kurz hinter der dritten Achse unseres 14 m langen Luxus-Busses. Das Ziel Shanghai jedoch befindet sich vor der ersten Achse.

Nur 90 Minuten später erscheint an unserem Horizont die Hochhaussilhouette von Warschau. Wir passieren den Internationalen Flughafen Frédéric Chopin, der den Namen des berühmten Sohnes der Stadt trägt. Der polnische Komponist und Pianist wurde in der Nähe von Warschau geboren und lebte die ersten 20 Jahre in Polen. Beerdigt wurde er in Paris auf dem Friedhof Père Lachaise. Die letzte Ruhrestätte seines Herzens jedoch befindet sich in der Heilig-Kreuz-Kirche am Königsweg in Warschau. Am frühen Nachmittag ist schließlich das heutige Etappenziel erreicht. Unser Hotel liegt recht zentral, direkt in der Nachbartschaft zum monströsen Kulturpalast, einem Bauwerk im stalinistischen Zuckerbäckerstil. Die Regenwolken wurden inzwischen immer mehr von größeren Flecken blauen Himmels mit Sonnenschein verdrängt. Gemeinsam mit unserer lokalen Stadtführerin Joanna fahren wir zum Mittagessen in Richtung historische Altstadt und gehen noch ein Stückchen zu Fuß durch den Schlossgarten zu einem pittoresken Restaurant namens ’U Barssa‘am Markt. Gut gestärkt, erwartet uns dann danach eine 2-stündige Schlossführung.

Im königlichen Schloss Warschau

Im 2. Weltkrieg komplett zerstört, wurde das Königsschloss im Stil der Renaissance und des Frühbarocks nach Vorlagen des venezianischen Hofmalers Bernardo Bellotto bis 1989 wieder komplett aufgebaut. Die Führung durch die prunkvollen Räumlichkeiten erlauben einen umfassenden Einblick in die Zeit von König Zygmunt III. und seinen Nachfolgern, die hier residierten. Zwar ist das komplette Mobiliar neueren Datums, wurde aber stilecht nachgebaut bzw. wurde aus anderen Häusern zusammengetragen. Dies schmälert jedoch in keinster Weise die besondere Liebe zu Details. So trägt die Plastik von Chronos, dem altgriechischen Atlas gleich und bezugnehmend auf den polnischen Astronomen NikolausKopernikus, eine Weltkugel auf seinem Rücken.

Chronos-Statue mit Uhr

In der rechten Hand hält die klassizistische Statue eine goldene Sense, wobei das Sensenblatt als Uhrzeiger fungiert und mit der Spitze genau auf die Stunden und Minuten der Weltenuhr zeigt, zu dem Zeitpunkt, als das Schloss durch Bombenangriffe 1944 in Schutt und Asche gelegt wurde. Besonders eindrucksvoll sind auch die Fußböden in vielen Räumen und Sälen. Aufwendige Intarsienarbeiten stellen Rankwerk, sonnenartige Muster und dreidimensional anmutende Kuben dar. Die 23 Gemälde im Canalettosaal zeigen Ansichten von Warschau vor den Kriegszerstörungen. Sie dienten später den Architekten und Städteplanern als Vorlage für die authentische Rekonstruktion der Altstadt. Tritt man wieder aus dem Schloss heraus und betrachtet das Häuserensemble am Schlossplatz und dem Marktplatz, so wird dies augenfällig.

Schlossplatz und Königsweg, Gemälde von Bellotto
… Schlossplatz zur heutigen Zeit

Nur die kleinen, in vereinzelten Gemälden von Bellotto integrierten Alltagsfiguren, wie zum Beispiel der Schornsteinfeger auf dem Dach, wurden nicht in Natura übernommen. Zurückgekehrt zum Hotel, stand es dann jedem frei nach dem Abendessen noch ein wenig die Beine zu vertreten. Naheliegendes Ziel ist natürlich der Kulturpalast, der nachts in wechselnden , kräftigen Farben illuminiert ist.

Kulturpalast bei Tag…
und bei Nacht

~ Wolfgang Pohl, ZEIT-Reiseleiter

Tag 5: 20.5.2019

Warschau

Ausschlafen...

Ausschlafen! Das ist die Parole des Morgens von Tag 5 – erst um 10.00 Uhr steht der Bus abfahrbereit vorm Hotel im Zentrum von Warschau. Und dazu gibt es Sonnenschein, obwohl Regen angesagt war.
Der Sonnenschein passt nach meinem Gefühl nicht zu dem was wir dann erleben. Der Besuch des ehemaligen Warschauer Ghettos versetzt uns in betroffene, schamvolle, traurige Stimmung.

Unfassbares ist hier, wie an so vielen anderen Orten geschehen. Das Wort, was sich die nächsten Stunden durch die Stadtführung zieht ist: Zerstörung, Zerstörung, Zerstörung. So viel Leid, so viele Tote, so viel Schuld.
Der Spaziergang durch den Bäderpark lindert diese Gefühle ein wenig. Das Grün, der Anblick der wunderschönen Bäume, die frische Luft, die Bewegung tun gut.


In den Gesprächen im Laufe des Tages geht es immer wieder um das Gesehene. Wie können Menschen so sein, woher kommt der Hass. Während des Besuchs der Gedenkstätte muss ich immer wieder an die aktuelle Berichterstattung über antisemitische und fremdenfeindliche Angriffe denken. Es ist unfassbar, dass so etwas heute wieder geschieht. Vielleicht, sagen einige, hilft es, solche Reisen wie diese zu machen, um weltoffener zu werden und andere Kulturen zu schätzen und zu verstehen. Fast alles, was wir heute in Warschaus Altstadt sehen, ist wieder aufgebaut worden. Es ist sehr schön geworden: bemalte Häuserfronten, weite Plätze, die Stadtmauer, der Dom.


Einen besonderen architektonischen Gegensatz zwischen Alt und Neu sehe ich ganz in der Nähe des Hotels: der alte Kulturpalast aus der Sowjetzeit mit den Türmen und Zinnen, der neben modernen, verglasten Hochhaustürmen steht.

Abends erhalten wir einen Einblick in polnische Folklore. Eine Gruppe in farbenfrohen Trachten spielt Musik und führt Tänze auf. Wir singen und tanzen mit so gut wir können. Und im Rahmen eines Wettbewerbs erhält einer von uns einen ganz besonderen Titel: ehrenhafter großpolnischer Knaller.
Müde und von den unterschiedlichen Erlebnissen des Tages bewegt und beeindruckt, kehren wir ins Hotel zurück. Morgen zieht die Karawane weiter nach Belarus.

~ Anik Ruhle, ZEIT Reisende

Tag 6: 21.5.2019

Von Warschau nach Brest

Auch am 6. Tage unserer Reise heißt es wieder froh aufstehen. 8.00 Uhr Abfahrt für eine vergleichsweise kurze Fahrt von nur 205 Kilometern von Warschau nach Brest, Weißrussland.
Dass es diese kurze Strecke in sich hat, sollten wir kurz vor unserem Ziel an der weißrussischen Grenze bald erfahren.

Erst einmal geht die Fahrt durch Warschau bei leichter Bewölkung und angenehmen Temperaturen und führt aus dem Zentrum heraus durch verschiedenste Vororte in eine endlose Peripherie, die nicht zu enden scheint. Nach schneller Autobahnfahrt vor zwei Tagen von Westen nach Warschau hinein, hatte ich heute eigentlich mit baldiger Autobahnauffahrt nach Osten gerechnet: weit gefehlt. Wir fahren ewig eine stark befahrene, einspurige Schnellstraße entlang, eingerahmt von kleinen Häuschen und Gewerbebetrieben.

Unser weißrussischer Reisebegleiter, Alexander Sambuk, genannt Sascha, vertreibt uns die Zeit mit weiteren Ausführungen zur Situation Polens in der EU (107 Milliarden Dollar Transferleistungen jährlich, die Polen allein aus EU-Mitteln empfängt) und berichtet anschließend über die Situation Weißrusslands unter dem Diktator Lukaschenko, der seit 1994 als Präsident regiert. Trotz in Ansätzen pro westlicher Orientierung befindet sich Weißrussland, Belarus, in starker wirtschaftlicher Abhängigkeit vom großen Nachbar Russland, ohne dessen Öl- und Gaslieferungen die Wirtschaft nicht existieren könnte.

Gegen 12.30 Uhr erreichen wir die polnisch-weißrussische Grenze und frohlocken fast, als wir nach nur einer Stunde bereits die dritte Passkontrolle passiert haben und nur noch ein weißrussischer Schlagbaum des Zolls unseren Vortrieb hindert. Dort stehen wir dann allerdings weitere 4 Stunden, weil angeblich in der letzten Passage unseres Busses 2018 die 50 Euro kostende Straßengebühr nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde. Auch langwierige Telefonate mit Hamburg und der Versuch entsprechende Belege vorzulegen, bringen keine Lösung. Der Zoll fordert pro Bus 1.000 Euro Strafzahlung und die üblichen 50 Euro Gebühr, um uns passieren zu lassen. Letzten Endes wird bezahlt, als endlich geklärt ist auf welches Konto – geht nämlich nur als Überweisung. Die Hoffnung der Erstattung bleibt, wenn weitere Papiere in Minsk, der Hauptstadt von Belarus gefunden sind.

Als der Amtsschimmel endlich gefüttert ist, hebt sich der Schlagbaum und wir erreichen nach kurzer Weiterfahrt unser heutiges Tagesziel, Brest.

~ Rainer Rossipaul, ZEIT-Reisender

Tag 7: 22.5.2019

Von Brest nach Homel

Heute sind wir 1 Woche unterwegs, erstaunlich, es fühlt sich nicht so an.
Die heutige Abfahrtszeit 8:45 ist komfortabel. Das wird nicht so bleiben.
Nach sehr guter Hotelnacht geht es auf zur Besichtigung der Brester Festung,
Schauplatz von brutalen Kämpfen vor allem zu Beginn des 2.Weltkrieges, jetzt ein bombastisch angelegtes Mahnmal und Heldengedenkstätte. Die deutsche Vergangenheit holt uns wieder ein. Der Irrsinn, die Katastrophe, die Scheußlichkeiten der Weltkriege manifestierten sich uns, besonders zu den drastischen Schilderungen von Einzelheiten der Vorgänge, die uns Alexander, der örtliche Guide, richtigerweise nicht erspart. Nachdenkliche Gesichter und viel betretenes Schweigen auf unserer Seite.

Nach kurzer Fahrt durch die Stadt Brest: Ab auf die Straße nach Homel: …531 km zu fahren, bis nahe an die russische Grenze. Wir durchqueren heute Belarus von West nach Ost. Die Straße ist meist wie mit dem Lineal gezogen. Es bieten sich weite Blicke in diese flache Landschaft… Getreidefelder und immer wieder Wälder, durch die unsere (recht gute) Straße eine gerade Schneise zieht. Überall sattes Grün, der Himmel ist dekoriert mit Wolken. Gelegentlich gleiten Seen, Flüsschen und auch trocken gelegte Sümpfe am Auge vorbei. So begleiten uns den Nachmittag vor allem die Farben Grün, Blau und Weiß.

Kleine Örtchen mit vielen einfachen Holzhäusern. Die Straße führt uns zum Mittagessen in die kleine Stadt Pinsk. Auch hier lässt die spezielle deutsche Vergangenheit grüßen: Es gab hier ein jüdisches Ghetto, von den Nazis eingerichtet, deren 17.000 Bewohner alle erschossen wurden. Die holzverarbeitende Industrie floriert hier…nach einem katastrophalen Großbrand (vor einigen Jahren) mit Totalverlust und 10 Toten hat sich auch Deutschland beim Wiederaufbau beteiligt…finanziell…und mit technischen Experten.
Und weiter geht’s nach Osten durch grüne Landschaften.

Bei der Pflichtpause für Jens, unseren heutigen Fahrer… und vorgezogenem Sundowner für uns, kommt aus einem Holzhaus ein alter Mann. Victor, der zutraulich Kontakt sucht und sich sichtlich über die Begegnung freut.

Die Sonne taucht mit ihrem Abendscheinwerfer alles in ein goldenes Licht, rücksichtsvoll von hinten, um unseren Fahrer Jens nicht zu blenden.
Bald erreichen wir Homel, eine Stadt von einigen hunderttausend Einwohnern, wegen der späten Stunde geht’s gleich zum Abendessen …und dann ab in die Koje. Morgen erwartet uns ein noch längerer Tag mit frühem Start (7:45) und zwei zeitraubenden Grenzübertritten: Ukraine und Russland. Gelassenheit wird gefragt sein.

~ Volkhart Brethfeld, ZEIT-Reisender

Tag 8: 23.5.2019

Exkurs Grenzübergänge

Ein Loblied auf die EU

Nach endlos langen Grenzkontrollen bei unserer Fahrt von Hamburg nach Shanghai wissen wir um die Vorzüge der EU und ihrer innerstaatlichen Regelungen und geloben, nie wieder über Brüsseler Bürokratie zu schimpfen.
Was wir bei den Grenzübergängen von Polen nach Belarus, von Belarus in die Ukraine und von der Ukraine nach Russland erlebten, spottet jeder Beschreibung. Insgesamt 12,5 Stunden Grenzkontrollen, dessen Sinn für uns Europäer nicht erschlossen werden kann. Wie interessant diese Länder sind, steht außer Frage. Auch die Menschen begegnen uns freundlich und hilfsbereit. Schade, dass wir die Sprache nicht sprechen und auf Dolmetscher angewiesen sind. Es sind lohnenswerte Reiseziele, diese Länder jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs. Es werden Erinnerungen an frühere Zeiten wach, als auch wir lange an den Grenzübergängen standen. Gelobt sei die EU, die diese Zustände beendet hat. Sicher gibt es auch hier Verbesserungsbedarf, was den Grenzschutz betrifft. Doch ungeregelte Einreise, Drogenimport oder Schmuggel geschehen nicht auf dem Landweg, sondern massenhaft über die Flug- und Seehäfen.
Lassen Sie uns die Reisefreiheit innerhalb der EU feiern, ebenso die gemeinsame Währung. Trotz aller berechtigter Kritik haben wir in Europa etwas für die Menschen geschaffen: FREIHEIT!

~ Birgit Klewer und Johann-Peter Krefting, ZEIT-Reisende

Tag 9: 24.5.2019

Von Orjol nach Woronesch

Die Erfahrung der Tag/ Nacht-Gleiche definiert unsere Erfahrung nach Ankunft in Russland. Oder: Warum das Heute ohne das Gestern unerklärbar bleibt.
Aber von vorn.

Dass ein Fahrtag von rund 600 km plus dem Übertritt zweier Grenzen (Weissrussland/ Ukraine, Ukraine/ Russland) tendenziell fordernden Charakter haben würde, war nicht nur zu erwarten, sondern nach drei vorherigen Erfahrungen quasi schon genfest geworden. Dass es nun unser Team Shanghai gleich derart treffen musste, liefert beinahe Nahrung für Verschwörungstheorien. Gestern hatte man uns gleich nach der Grenze zu einem intellektuell minderwertigen Zwiegespräch eingeladen. Die beamtete Rennleitung fand einen kaum zu beschreibenden, marginalen Fehler in den Fahrzeugpapieren und konfrontierte uns mit der eher kecken Idee, dass die Zahlung von 1500 Euro die im dichtem, russischen Regelwerk der Straßenverkehrsordnung fix definierte Bestrafung für ein paar vergessene Buchstaben sei. Hätte man unserem dauer-gutgelaunten Fahrer Jens gesagt, dass sein Haus in Flammen aufgegangen sei und seine Frau daheim ihm vorher das letzte Bier weggetrunken habe, wäre er wahrscheinlich kaum fahler im Gesicht geworden. Hektik war jetzt nicht angeraten, ein Gespräch auf nicht-Augenhöhe jedoch dringend geboten. Iwan und Wladimir nutzen ihre im Umgang mit der Staatsmacht vertraute Rhetorik gepaart mit kaukasischer Physis und zogen sich zur Beratung zurück. Ich kürze es ab: aus 1500 Euro wurden drei Flaschen Bier. Unser russisches Begleit-Team hatte einmal mehr seine Qualitäten bewiesen. Überschlagsartig rechneten wir die neue Ankunftszeit aus und hofften auf Mitternacht. Wenn da nicht….genau: zwei verschlafene Polizisten behaupteten, unseren Bus beim kurzfristigen Überfahren einer durchgezogenen Linie gesehen zu haben. Die neuaufgenommene Diskussion erfolgte nach gewohntem Schema.
Nur, dass es das Bier allein jetzt nicht mehr tat. Und wir hatten schon auf inflationäre vier Flaschen erhöht.

Das Hotel erreichten wir um 2 am Morgen (das entspricht in etwa dem Durchschnitt der bis jetzt vier Reisen). Und wieder hatte man hotelseitig keine Probleme, uns ein vollwertiges Buffet zu kredenzen. So ging unser Abendessen beinahe fließend ins Frühstück über. Und großes Kompliment an mein Team: Gelassenheit dominierte die Tische und unter Ausbleiben jeglicher Gewaltphantasien ging man lieber schauen, ob nicht vielleicht doch noch ein Blini mit Blaubeeren irgendwo auf dem Buffet zu finden sei.

Zur heutige Fahrt nach Voronesh über rund 350 km stieß Natalja zu uns. Sie wird uns bis zur Ausreise nach Kasachstan als Reiseführerin zur Seite stehen und hatte sich bereits auf früheren Reisen als Stadtführerin in Wolgograd beliebt gemacht. Im Vorfeld der Reise hatte ich meine Gäste gebeten, für längere Fahretappen passende Musik mitzubringen. Und Anne hatte wirklich etwas Besonders dabei: eine Motette im Stile Bachs mit dem Titel ” Der zufriedengestellte Autobus”. Treffender geht`s wohl kaum ! Und wieder verflog ein kurzweiliger Reisetag.

 

~ Rainer Schelp, ZEIT-Reiseleiter Team Shanghai

 

Tag 10: 25.5.2019

Von Woronesch nach Wolgograd

Der lange Weg nach Wolgograd

Busreisen können interessant aber durchaus auch anstrengend sein. Die Gleichförmigkeit der Landschaft hat irgendwann meditative Wirkung. Eine völlige Entspannung tritt ein.

Zu Beginn der Strecke sahen wir fruchtbare Schwarzerde. Bodenzahlen über 100 lassen bei mitteleuropäischen Landwirten Neid aufkommen. Hier wächst nahezu alles und das reichlich. Dann folgt endlose Steppe: Das typische Silbergras flattert, falscher Beifuß und Steppenbeifuß, hier und da Flugsandried gesellen sich dazu. Kleine weitgestreute Ansiedlungen und abseits gelegene, leuchtende Friedhöfe mit ihren hellblauen Holzkreuzen und bunten Blumen unterbrechen die Gleichförmigkeit. Dann ändert sich die Landschaft. Wir nähern uns Wolgograd: Industriegebäude, Stromtrassen in großer Zahl, Versorgungsrohre, einzelne Wohngebäude.

Ein besonderes Ereignis wird in kollektiver Erinnerung bleiben: Unser Mittagessen in einer Waldhütte. Der Imbiss war der übliche: Salat, Suppe und Fleisch, diesmal mit Buchweizen- Aber dann die naturnahe Toilette: Die Bezeichnung Plumpsklo ist nicht korrekt. Es fehlte die Sitzmöglichkeit. Es gibt Situationen, da wäre ich gern ein Mann.

~Birgit Klewer, ZEIT-Reisende

Abfahrt in Woronesch
Don-Niederung
Rasthaus im Wald „Zum dreiköpfigen Drachen“
Ahorn-Wald …
… mit Plumpsklo
Tag 11: 26.5.2019

Wolgograd

Gemischte Gefühle

Zarizyn bis 1925, 1925 – 1961 Stalingrad, seitdem Wolgograd. Aber immer noch seit einigen Jahren wieder bei entsprechenden Gedenkveranstaltungen Stalingrad.
Seit dem 2. Weltkrieg, genauer seit dem deutsch-sowjetischen Krieg (22. Juni 1941 Überfall auf die Sowjetunion bis 9. Mai 1945 Tag der Befreiung), in Russland “Großer Vaterländischer Krieg” in Deutschland sehr bekannt. In diesem Krieg fielen mindestens 24 bis 40 Mio (Höchstzahl) Sowjetrussen – sicherlich kein “Vogelschiss” der deutschen Geschichte, sondern der größte Vernichtungskrieg der Neuzeit.
Deswegen hat für Deutschland “die Schlacht von Stalingrad” eine besondere Bedeutung. Vornehmlich eine psychologische Bedeutung, denn zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich nach der schweren Niederlage von Moskau und dem Kriegseintritt der USA die deutsche Niederlage ab. Bedeutung insbesondere wegen der erbittert geführten Auseinandersetzung um Stalingrad; bis zu 1,1 Mio sowjetische Soldaten und 850.000 deutsche Soldaten wurden getötet. Von den zu Beginn 510.000 Einwohnern lebten am Ende der Schlacht nur noch 10 – 20.000 Bewohner in der Stadt.

Bedrückende Gefühle: nachdem durch den Rippentrop/Molotow-Pakt ein Nicht-Angriffspakt geschlossen wurde, überfiel Deutschland die Sowjetunion, zurückgedrängt musste sie sich verteidigen, bis sich das Blatt wendete und die Sowjetunion schließlich der Sieger war. Hier fühlt man sich, nicht zuletzt weil die UdSSR den größten Blutzoll für die Befreiung Deutschlands vom NS-Regime geleistet hatte, unwohl.
Zugleich irritierend: die russische “Erinnerungskultur”, insbesondere im Panorama-Museum an der Wolga. Verkürzt formuliert, ein in dieser Form vornehmlich militärisch ausgerichtete Patriotismusbeförderung. Anders dagegen die daneben als Erinnerungsdenkmal stehen gebliebene Grudinin-Mühle. Anders auch die Erinnerungshalle auf dem Mamai-Hügel mit der Mutter-Heimat-Statue von Wutschetitsch (85 m hoch), das mit dem Befreier-Denkmal im Treptower Park “korrespondiert”: in Wolgograd das Schwert erhoben und zum Angriff geschwungen, in Treptow das nach dem Sieg gesenkte Schwert mit dem geretteten Kind auf dem Arm. Auch wenn unter ästhetischen Gesichtspunkten das Mutter-Heimat-Denkmal eine “imperiale Architektur und Kunst” verkörpert.
Hier ging es mir anders als etwa eine Woche vorher bei dem Besuch des Warschauer Ghettos. In Warschau war ich bedrückt und voller Scham als Deutscher, hier in Wolgograd betroffen, aber nicht so intensiv wie in Warschau. Warum? War es die Tatsache, dass hier etwa 2 Mio Soldaten im Krieg gefallen waren und der Krieg dies eher entschuldigt?
Auf jeden Fall gibt es hier kaum eine Erinnerung an das Leiden der meist jungen Männer – ob Russen oder Deutsche – die hier von ihren “Führern” in diese mörderische Schlacht gehetzt wurden und, um es deutlich zu sagen, verreckten.
Klar bleibt, diese Ereignisse hatten und werden weiterhin lange Nachwirkungen haben. Vielleicht stimmt der alttestamentarische Satz, dass die Sünden der Väter sich an den Kindern bis in 3. und 4. Glied rächen – und das Alter unserer Reisegruppe weist darauf hin, dass wir erst das “erste” Glied sind.
Gedanken und Überlegungen, die an diesem Tag besonders deutlich sind: Europawahlen, wo Europa ehedem als Friedensprojekt gegründet wurde, was heute zunehmend weniger im Bewusstsein ist.

Zurück im Hotel stand für den Abend eine “feierliche Zeremonie” auf dem Programm. Die mitgebrachten Kleinen Schwarzen, die Sakkos und Krawatten konnten zum Einsatz kommen, obwohl die Ankündigung höher aufgehängt war als die Realität. Nach einem kurzen Referat von Johannes Vosswinkel (mit Abstand bisher die informativsten Beiträge, so wie ich es mir bei ZEIT-Reisen vorgestellt hatte), die Begrüßung von dem Ehepaar Nelli und Wadim (55 Jahre verheiratet) aus Sarepta, eine Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeinde. 1765 von Katharina der Großen gerufen mit dem (eingelösten) Versprechen von Landbesitz, Steuerfreiheit und weiteren Privilegien siedelten sie hier in der Steppe als Nachbarn der Kalmücken – heute 40 km vom Stadtzentrum von Wolgograd entfernt.

In der Nacht habe ich unruhig und schlecht geschlafen.

~ Johannes Münder, ZEIT-Reisender

Tag 12: 27.5.2019

Von Wolgograd nach Astrachan

Heute geht es nahezu parallel zum Verlauf der Wolga von Nordwest nach Südost bis nach Astrachan. Die Frage stellt sich: Wo sind wir zur Zeit? Ein Blick zum Bus verrät uns unseren Standort. Unser Standort liegt genau zwischen der dritten und zweiten Ache des Busses. Der Routenverlauf als Klebeband auf dem Bus ist wirklich in „Hingucker“.

Streckenverlauf HH-Astrachan am Bus

Wir wissen wo wir hin möchten. Für Fremde, die den auffälligen Bus sehen, löst dies größtes Erstaunen aus. Vom Start in Hamburg haben wir bereits 3.257 km zurückgelegt, und dies ist nur knapp ein Viertel unserer Gesamtstrecke.
An Bord des Busses berichten unser ZEIT-Experte Johannes Voswinkel und unsere lokale, russische Reiseleiterin Irena Lebedewa über das Alltagleben in Russland.

ZEIT-Experte Johannes Voswinkel

Wir erhalten ganz persönliche, spannende Einblicke in den russischen Alltag. Die Zeit verfliegt ganz schnell. Das Landschaftsbild hingegen verändert sich nur sehr langsam bzw. kaum. Weite Ebenen mit silbrig glänzendem Flattergras ziehen an uns vorbei. Hier und da werden die weiten Ebenen durch auffällige Erosionsrinnen, sog. ‚badlands‘ unterbrochen. Wir fahren durch die Kalmückische Steppe.

Kalmückische Steppe

Die Volksgruppe der Kalmücken, als nomadisierende Bevölkerung, wird uns von Irena bestens erklärt. Als Wortspiel beschäftigen uns jedoch die kleinen Plagegeister, die Stechmücken, viel mehr. Sie sind außerhalb des Busses und auch im Inneren allgegenwärtig. Dass es im Vorjahr vor Ort noch viel mehr Mücken gab, zählt heute nicht; jeder Stich ist einfach zu viel. Die Mittagsrast in einem einfachen Restaurant mit einem ballähnlichen Speisesaal hätte man hier nicht erwartet. Auch auf die schlichte Sanitäranlage war man so nicht gefasst. Die Einfachheit eines Plumsklos wird uns in den nächsten Wochen noch öfter begegnen. Ein Hoch auf zweckmäßige Reisebekleidung und den Gebrauch von mitgeführten Feucht und Desinfektionstüchern. Der vorgesehene, botanische Exkurs im nahen Umfeld des Restaurants musste leider ausfallen, da es heftig zu regnen begann. Einziger Vorteil: Die Mücken, die mitteleuropäisches Blut suchten, waren kaum noch da.

Ein nachmittaglicher Kaffee-Stopp auf der Hochterrasse der Wolga vermittelte uns einen ersten Eindruck über die Größe und vor allem die Breite dieses russischen Flusses, der mit Recht als „Mütterchen Russland“ bezeichnet wird.

An der Wolga

Unser erklärtes Tagesziel war die Stadt Astrachan, in der Kaspischen Senke zwischen Süd-Kalmückien und der Wüste Naryn Qum gelegen. Doch so richtig wüstenhaft schien uns der Empfang in Astrachan nicht zu sein. Ein äußerst heftiger Gewitterregen flutete nahezu sämtliche Straßen vor Ort. Und wir mitten drin! Das unserem Hotel angegliederte Restaurant „Wolga“ machte seinem Namen alle Ehre. Wir hatten eher das Gefühl, dass wir uns bereits mitten in der Wolga befanden. Das Wasser überflutete bereits den relativ hohen Bordstein. Autos fuhren nicht mehr auf der Straße, sondern schwammen an uns vorbei.

Ankunft am Hotel Astrakhanskaya in Astrachan

Ein spektakuläres Bild! Alles halb so problematisch, hätten wir nicht noch unsere Koffer aus dem Bus nehmen müssen. Unser Fahrer Jens Blohm manövrierte dem Bus ganz dicht an den Bordstein heran. Dann „tauchte“ er selbst in die Tiefen des Laderaums ab, um uns durch den Gepäckraum unsere Koffer und Taschen auf der anderen Seite des Busses anzureichen.

Geschafft! Gepäck trockenen Fußes in Empfang genommen! Check-in im Hotel auf gewohnte Art und Weise und auch der kurze Spaziergang zum nahe liegenden Restaurant verlief ohne nasse Füße zu bekommen.

Land unter

Dennoch: Die Stimmung auf den Straßen des nächtlichen Astrachan glich eher einer Szene aus Venedig.

~ Wolfgang Pohl, ZEIT-Reiseleiter

Tag 13: 28.5.2019

Astrachan

Heute Morgen erleben wir es, Astrachan kann Sonnenschein. Die überfluteten Straßen sind überwiegend getrocknet und für die Stadtrundfahrt nehmen wir statt Boot (Empfehlung einer Mitreisenden am Vorabend) nun doch den Bus.

Seit circa 2 Tagen bin ich im Busreisemodus angekommen und freue mich über diese Art Reiseleben: früh (selten spät) aufstehen, Sachen packen, in den Bus steigen und sich durch Raum und Zeit bringen lassen. Und diese Zeit mit schauen, lesen, hören und Neues lernen, plaudern, pausieren zu verbringen.

In Astrachan fallen mir seit Berlin zum ersten Mal wieder Kopftuch tragende Frauen auf, und Galina, unsere lebendige, kundige, herzliche Stadtführerin betont den multikulturellen Charakter von Astrachan. Viele Ethnien und unterschiedliche Religionen leben hier miteinander. Sie führt uns an Plätzen, Gebäuden und Denkmälern vorbei zum Kreml der Stadt. Mir gefallen die samtig wirkenden dunkelgrünen Zwiebeltürme der Klosterkirche am besten, und in der Hauptkirche höre ich zum ersten Mal live Gebete und Gesänge von orthodox Gläubigen.

Die gesamte Anlage ist wunderbar renoviert und angelegt, nachdem sie während der Sowjetzeit beinahe verfallen war. In den blühenden Jasminsträuchern tummeln sich unzählige Schmetterlinge. Anschließend bringt uns Jens, unser heutiger Buschauffeur ins Wolga-Delta. Hier ist ein Bootsausflug geplant. Wir erfahren viel über Flora und Fauna der Region und wir sehen Häuser, die aus Pferdedung und Schilf gebaut und mit Lehm verputzt werden. Die billigste und gleichzeitig sehr gut an die klimatischen Verhältnisse angepasste Bauweise überhaupt: im Sommer kühl, im Winter warm.

Mir fällt auf, dass in den Dörfern auf unserem Weg, neben den schon bekannten Holzbauten auch viele solide, recht große Häuser mit Ziegeldächern stehen und entstehen. Mein Eindruck ist, dass dies in Russland vor Wolgograd anders war. Dort sahen die Dörfer mit den einfachen Holzhäusern und halbfertigen Steinhäusern ärmlicher aus. Hier wie dort sind alle Dorfstraßen sehr buckelige Sandwege. Am Zielort werden wir fürsorglich bewirtet. Der Gastraum ist auf einer Seite mit unzähligen Fotos von stolzen Anglern plus Fang dekoriert, auf der anderen Seite stehen ein ausgestopfter Bär und ein Wolf. Jagdambiente!

Für die Bootsfahrt im Delta werden wir mit Schwimmwesten ausgestattet auf fünf Boote verteilt. Und los geht die Fahrt durch Flussarme (Galina sagt Flussärmel) mit hohem Schilf, schwarzverbrannten Bäumen am Ufer und Seerosen. Die für das Delta berühmten Lotusblumen zeigen sich leider erst im Juni und blühen im August. Die ‚Ausbeute‘ an erspähten Tieren tauschen wir beim Tee trinken und später beim Abendessen aus: Seeadler, Reiher, kleine Möwen, Stinkvögel, Milane, einige grauschwarze Krähen, Wasserschlangen, Biber und Schildkröten (habe ich zunächst für ein Seerosenblatt gehalten). Ach ja, Mücken gab es auch – reichlich. Abgesehen vom Motorengeknatter ist die Bootsfahrt eine fast meditative Angelegenheit: Wasser, sich wiegendes Schilf, Wolken über viele Kilometer.

Eine Mitreisende erlebt eine wenig meditative Fahrt. Von einer Bugwelle reichlich durchnässt, wird ihr im Anschluss die Hose von der Stadtführerin trocken geföhnt.
Nach dem Essen entwickelt sich ein Gespräch über Gewalt gegen Frauen bzw. häusliche Gewalt in Russland und Umgang von Gesellschaft, Polizei, Justiz und Politik damit. Bedrückend.
Abends werden die Koffer wieder ‚schlau’ gepackt. Unsere ‚Karawane’ zieht morgen weiter nach Kasachstan. On the road again!

~Anik Ruhle, ZEIT-Reisende

Tag 14: 29.05.2019

Von Astrachan nach Atyrau

Den heutigen Tag darf ich als einer der drei Busfahrer berichten. Auf unserer heutigen Etappe sollten wir nach einem als, wie nicht anders zu erwarten, komplizierten Grenzübergang das Land Nummer 4, Kasachstan erreichen. Bereits mit der Erfahrung um die Qualität der Straße auf den 294 Kilometern ab Grenze bis Atyrau, auf der gewöhnlich 10 Stunden veranschlagt sind, beschlossen wir Fahrer unsere Lenkzeit-Ressourcen optimal einzusetzen. Ja, auch fernab Europas sind uns die Lenk-und Ruhezeiten mehr als heilig. Das ist ja nicht zuletzt auch eine Frage der Sicherheit unserer Fahrgäste. Also erlöste mich unser Daniel von der ersten Etappe ab Astrachan bis zur Grenze Russland und hielt sich dann bereit, eventuell später unseren Mateo zu ergänzen.
Zum Glück waren die Wassermassen, die uns vorgestern in Astrachan empfingen, weitgehendes abgelaufen und das Kofferverladen erledigte sich in gewohnter Weise und schon etwas schweißtreibender als bisher. Immerhin sollten wir heute erstmals die 30-Grad-Marke übertreffen.
Auf der Fahrt bis zur Grenze entlang verschiedener Nebenarme der Wolga sammelte Daniel noch jede Menge Insekten aller Größen, Dafür durfte er bereits an der Grenze das erste Mal die Scheiben reinigen und wir verabschiedeten uns herzlich vom Führungs-Team um Ahla und ihre Jungs, die uns unsere 2062 Kilometer durch Russland um einiges erleichtert haben. Auch von mir nochmal ein Hoch auf diese Crew.
Die Ausreise aus Russland gestaltete sich nach einer relativ kurzen Wartezeit recht unkompliziert und nach weiteren 11 km wartete am Grenzpunkt zu Kasachstan unser neues Führungs-Team, die bereits über zwei Tage aus Tashkent angereist waren, auf uns. Schnell wurde uns bewusst, dass auch diese Teams eine höchst professionelle Leistung liefern werden, denn schon ziemlich rasch wurden wir am übrigen Verkehr über die Gegenspur in die Abfertigung gelotst, während unsere Reisegäste zu Fuß ihre eigene Passkontrolle durchliefen. Die Busse wurden gründlich aber zügig kontrolliert, auch der Hund war zufrieden und zu unserer Passkontrolle wurden wir vorbei an weiteren wartenden Kraftfahrer gebeten. Letztendlich sind wir recht verblüfft mit unseren Bussen in Kasachstan eingereist zu sein, ehe der erste unserer Reisegäste durch die Kontrolle gelangte. Also bauten wir auf kasachischer Seite unser kleines Bistro auf und erwarten nach und nach unsere Gäste.
Punkt 14:30 Uhr startete unsere rollende Karawane durch die kasachische Steppenlandschaft nach Atyrau, erwartete Ankunft irgendwann nach Mitternacht, und sehr schnell gerieten die recht guten Straßen in Russland in Vergessenheit.

Einem Schlagloch oder einer Bodenwelle ausweichend, um zwei bis drei andere zu treffen knabberten wir kräfte- und konzentrationszerrend Kilometer um Kilometer und registrierten, dass man bereits am Neubau einer Straße tätig ist. Ein paar Kilometer Streckenabschnitte wurden im Vergleich zu 2017, als ich das letzte Mal hier unterwegs war, etwas ausgebessert.
Eine Pause für alle Beteiligten will gut vorbereitet sein und es begann die Suche nach etwas Buschwerk am Wegesrand, welches sich zur Herstellung der Harmonie irgendwie eignen könnte. Meine gesammelten Sanifer-Marken konnte ich hier jedoch nicht einlösen.
Irgendwann hatten wir ein gutes Gefühl, ziemlich gut vor der Zeit zu liegen, was in uns Fahrer noch so ein paar Rennfahrer-Gene weckte, wie es Rainer so schön formulierte. Selbst noch ein kurzer Stopp an einem Polizeiposten kurz vor Atyrau konnte uns nicht daran hindern, nach nur ziemlich genau sieben Stunden zur noch fast perfekten Abendessenzeit um 21:30 Uhr am Hotel anzukommen. Wir sind in Asien.
Ein Hoch auch an die Marke MAN NEOPLAN und viele Grüße an unseren MAN-Service in Kiel. Die Busse wurden heute nicht geschont. Das einzige was heute Schaden genommen hat, ist Daniels Kaffeetasse. Das Busreinigen haben wir auf morgen früh vertagt und feierten noch etwas diese gefürchtete und doch gelungene Etappe und unser Wiedersehen mit den usbekischen Freunden.

~Jens Blohm, ZEIT-Busfahrer

Tag 15: 30.5.2019

Von Atyrau nach Kul'Sary

Nach der gestrigen extrem schlaglochreichen Strecke, die uns alle kräftig durch geschüttelt hat, sodass wir etwas „seekrank” unser Hotel in Atyrau erreichten, haben wir heute eher einen ruhigen Tag.

In Atyrau, dem größten Zentrum der Erdgas- und Erdölindustrie Kasachstans, besuchen wir das kleine Naturkunde Museum, wo es neben einem wunderschönen Nomadenzelt auch viele frühgeschichtliche Funde zu sehen gibt und eine hübsche orthodoxe Kirche.

Zu Fuß überqueren wir dann den Fluss Ural, der Europa und Asien trennt und damit haben wir die ersten 4000 km in Europa schon hinter uns gebracht und setzen jetzt die Route in Asien fort.
Und tatsächlich: Die Menschen hier unterscheiden sich stark in der Physiognomie von den Russen. Mongolische Gesichtszüge lächeln uns hier freundlich an.
Neben den orthodoxen Kirchen finden wir jetzt auch Moscheen und moslemische Friedhöfe.

Nach einem leckeren Mittagessen setzen wir gerne unsere Reise im klimatisierten Bus fort. Nach der kalmückischen Steppe in Russland (wo es tatsächlich auch sehr viele Mücken gab!) durchqueren wir jetzt die kasachische Steppe.

Obwohl wir uns höhenmäßig unterhalb des Meeresspiegel bewegen, stoßen wir hier irgendwie auch an eine Baumgrenze… Nicht mal mehr kleine Büsche finden sich hier für die “Harmonie-Pause” , wie hier liebevoll die Toilettenpause genannt wird…

Dafür sehen wir große freilaufende Pferdeherden und ab und zu zottelige Kamele vor gleißenden Salzseen. Der weite blaue Himmel wölbt sich darüber mit kleinen weißen Wölkchen und verspricht uns eine weitere tolle Reise, denn wir wissen alle,
“Hinter dem Horizont geht’s weiter…”

~Renate Hoffmann, ZEIT-Reisende

Tag 16: 31.5.2019

Von Kul'sary nach Jazliq (Karakalpakstan)

Oder von Kasachstan nach Usbekistan

Nach einer Übernachtung in einem sehr einfachen Hotel in Kul’sary steht uns heute ein langer Fahrtag mit 450 km auf sehr schlechter Straße mit zwei Grenzübergängen bevor.

Wir starten früh um 8 Uhr, versehen mit einem leckeren Lunchpaket mit Hühnchen und Reis sowie Salat, Obst und Kuchen. Wieder geht es durch die kasachische Steppe mit einzelnen Pferde- und Rinderherden sowie hin und wieder auch einigen Kamelen.

Leider bestätigt sich die Aussage der sehr schlechten Straße, es geht meistens nur im Schritttempo voran. Hin und wieder gibt es auch gut fahrbare Teilstücke, aber meist heißt fahren, um die Schlaglöcher herum zu kurven. Eine Asphaltdecke findet sich nur in der Mitte der Straße in halber Spurbreite, die an den Rändern weggebrochen ist, teilweise muss der Bus auf die Bankette ausweichen. Das bedeutet für unseren Busfahrer höchste Anforderungen. Mateusz zeigt Höchstleistung und bringt uns und den Bus sicher zur Grenze, die wir um 13:30 Uhr endlich erreichen. Unser Begleitteam hat gut vorgearbeitet und ausgehandelt, dass wir an der endlos langen Schlange der LKW noch vorn an den Schlagbaum aufrücken dürfen. Doch dann dauert es. Wir müssen aussteigen und einzeln die durch die Kontrolle. Dann warten wir, dass unser Bus durch die Kontrolle kommt. Endlich geht es weiter an die usbekische Grenze. Hier werden die Einreiseformalitäten erstaunlich schnell erledigt, der Bus auch wieder sehr genau kontrolliert und durchleuchtet. Nach vier Stunden an den Grenzübergängen können wir uns wieder auf die Schlaglochpiste begeben.

Weiter geht es in Slalomfahrt durch grasbewachsene, völlig ebene Steppenlandschaft. Aber es hat auch etwas Mediatives, trotz der unruhigen Fahrt wird auch geschlafen.

Es ist bereits dunkel, als wir unser Übernachtungsdomizil, das Teehaus, erreichen. Es wurde als eine einfache Übernachtungsmöglichkeit angekündigt. Dies bestätigt sich in vollem Umfang. Es handelt sich um ein Hostel, vor allem für LKW-Fahrer. Es gibt nur Mehrbettzimmern mit oder ohne Toilette. Eine gemeinsame Toilette zeigt sich als das typische Hockklo. Wir können schon für China üben.

Für das Abendessen waren auf einer befestigten Betonfläche vor dem Gebäude die Tische gedeckt, es war noch sehr angenehm warm. Nach dem Abendessen gab es die im Tagesplan angekündigte Überraschung: musikalische Unterhaltung durch einheimische Künstler, gespielt auf traditionellen Instrumenten, und tänzerische Aufführungen von sehr hübschen Mädchen in Landestrachten.

Wir genossen diese Darbietungen und zum Schluss tanzten wir mit. Am Ende wollten einige von uns noch nicht gleich schlafen gehen. Und so blieb eine kleine Gruppe noch sitzen, genoss die Ankunft in Asien und die laue Sommernacht mit Sternenhimmel und mit leckeren „Wässerchen“.

~Brigitta Stammer, ZEIT-Reisende

Tag 17: 1.6.2019

Von Jazliq (Karakalpakstan) nach Nukus

Nach einer Nacht in einer „Trucker Unterkunft“ empfängt uns der Tag mit bestem Wetter und einem Frühstück im Freien vor der Unterkunft, nicht opulent, aber ausreichend. Trotz der ungewohnten Situation in Mehrbettzimmern sehen die meisten munter aus und scheinen gut mit der Situation zurecht gekommen zu sein. Wir starten gegen 9:00 Uhr. Den vierten Tag umgibt uns einförmige Steppe. Die Straße ist insgesamt etwas besser als am vorigen Tag, aber miserable Streckenabschnitte verlangen dem Fahrer immer wieder höchsten Einsatz ab. Wir werden geschüttelt. Die Monotonie wird auf etwa der halben Tagesstrecke von einem imposanten muslimischen Friedhof unterbrochen; zutreffender wäre Totenstadt. Vielfältige Grabstätten aller Größen werden von den Kuppeln der zahlreichen Mausoleen überragt. Längere Fotopause und Erläuterungen von Kristina zu den muslimischen Friedhöfen in Usbekistan. Eigentlich sind wir in Karakalpakstan, einer autonomen Republik in Usbekistan, mit eigener Kultur und Geschichte. Vor unserem Tagesziel Nukus, der Hauptstadt von Karakalpakstan, weicht die Steppe grüner Landschaft mit Feldern, Wiesen und Bäumen. Wir überqueren den Fluss Amurdarja, den Oxus der Antike. Die neue Stadt ist unspektakulär. Spektakulär dagegen ist der Besuch der Kunstsammlung des Herrn Igor Witaljewitsch Sawitzki. Er sammelte verbotene russische Avantgarde —Kunst der 20er bis 40er Jahre und konnte eine enorme Zahl von Bildern hier in Nukus vor staatlichem Zugriff und Vernichtung bewahren . Die zahlreichen ausgestellten Bilder bieten ein weites Spektrum der Malerei jener Jahre.
Vor dem Abendessen Begrüßung durch einen Offiziellen des usbekischen Tourismusbüros. Zu unserer Überraschung erfolgte diese in ordentlichen Deutsch. Zur Begleitung spielten karakalpakische Musiker und Sänger. Ein schöner Tag neigte sich dem Ende zu.

~Christoph Olbricht, ZEIT-Reisender

Tag 18: 2.6.2019

Von Nukus nach Khiva

Nach relativ kurzer Fahrt erreichen wir die Stadt Khiva. Endlich ist die erste Stadt auf der alten Seidenstraße erreicht und wie wir bald sehen werden eine Stadt mit einem ganz besonderen Flair.

Durch ein altes Stadttor durchqueren wir die gut erhaltene Stadtmauer. Dann wechseln enge verwinkelte Gassen mit breiteren, mit diversen Verkaufsständen bestückten kleinen Straßen. Wir erfahren all die Details zu den vielen Sehenswürdigkeiten dieser Stadt. Ein ausgezeichnetes Mittagessen, das mit Abstand beste bis heute, lässt uns anschließend die doch bereits sommerliche Temperatur von 35 Grad ganz gut ertragen.

Die Zeit zur freien Verfügung nutzen einige zur Besteigung eines Minarettes, andere tätigen die ersten Einkäufe, seien das wunderschöne Umhänge in den typischen usbekischen Farben und Mustern oder Taschen, Tischdecken in allen Größen usw.

Nach dem Abendessen ist ein Nachtbummel angesagt wo wir die schön beleuchteten Bauten bestaunen und auf doch sehr dunklen und unebenen Wegen unser Hotel erreichen.

~Pierre Bürgler, ZEIT-Reisender

Tag 19: 3.6.2019

Von Kiva nach Buchara

Was für ein Start in den Tag: das Frühstücksrestaurant im Hotel Bek in Khiva platzt aus allen Nähten. Mindestens 4 Reisegruppen wollen sich gleichzeitig am Büffet bedienen. Italienisches, spanisches, deutsches, usbekisches Stimmengewirr füllt den Saal. Manche trollen sich frustriert.
Wir starten anschließend Richtung Buchara. Verheißungsvoll.
Was sich auch auf die Straßenverhältnisse bezieht. Im ersten Teil sind diese wirklich verheißungsvoll gut, im letzten Drittel unbeschreiblich schlecht.
Der weitere Ausbau der Straße ist geplant, vermutlich wieder mit deutscher Beteiligung. Abwechslungsreich präsentiert sich die Landschaft. Zunächst ist alles grün. Es gibt viel Landwirtschaft, Reis und Baumwolle werden angebaut.

Daran schließt sich scheinbar endlose Steppenlandschaft an und diese verändert sich im Laufe der Fahrt: zunächst rötlicher Sand mit Bewuchs, später eher gelblicher Sand, mal mehr, mal weniger bewachsen.

Obwohl die Landschaft öde erscheinen könnte, bin ich davon sehr fasziniert. Ich schaue stundenlang aus dem Fenster, suche Fixpunkte in der Landschaft, halte nach Kamelen oder anderen Tieren Ausschau oder betrachte den blauen Himmel und die Wolkenformationen.

Je näher wir Buchara kommen, desto grüner wird es wieder. Kleine Obstplantagen, Gemüse-, Getreide- oder Reisfelder und große Baumwollfelder sind zu sehen. Auf diesen Feldern arbeiten, gebückt oder hockend, vermummte Gestalten (meist Frauen) in den Pflanzreihen. Ein großer Teil des Baumwollanbaus geschieht in Handarbeit. Und, wenn die entsprechenden Berichte darüber stimmen, noch immer teilweise in ‚Zwangsarbeit‘.
Der wasserintensive Baumwollanbau ist auch für die Aralsee-Katastrophe verantwortlich. Die Zuflüsse zum See werden für die Bewässerung der Anbauflächen genutzt und der See versiegt seit circa Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein Desaster mit allen ökologischen und ökonomischen Konsequenzen.

Interessantes hören wir über die umfassende Nutzung der Baumwollpflanze. Neben der Verwendung der Baumwollfaser zur Stoffherstellung wird der Samen als Saatgut genutzt, zu Speiseöl gepresst und zur Herstellung von Waschseife verwendet. Der restliche Baumwollstrauch wird zu Viehfutter.
Am späten Nachmittag stehen wir vor den Stadttoren der Altstadt Bucharas. Diese Stadt wurde im Laufe der Geschichte wiederholt zerstört und immer wieder aufgebaut. Seit 1991 werden die historischen Bauten konsequent nach alten Plänen restauriert (Weltkulturerbe-Stadt). Am heutigen Abend schnuppern wir schon etwas Altstadtatmosphäre – unser Restaurant befindet sich in einem historischen Gebäude mit verwinkelter Architektur. Historische Fotografien bezeugen das Leben vergangener Zeit.

Beim Abendessen besprechen wir unsere Tageseindrücke und es entsteht ein intensives Gespräch. Wie nehmen wir mit unserem individuellem und westlich geprägten Blick die besuchten Länder wahr, wie erleben wir die beobachtbare Verwestlichung?
Der von einer Mitreisenden eingebrachte Spruch „Wir alle haben zwei Leben. Das Zweite beginnt, wenn wir realisieren, dass wir nur Eins haben“, lenkt das Gespräch in andere Bahnen. Was ist den Einzelnen wichtig, wie verändern erlebte Schicksalsschläge die Einstellung zum Leben? Wie zeigt sich das im täglichen Leben? Was bedeutet den Einzelnen diese Reise?

~Anik Ruhle, Zeitreisende

Tag 20: 4.6.2019

Buchara

Nach Chiwa wirkt Buchara (auf Usbekisch „Buxoro“) um einiges städtischer. Bereits bei Einfahrt in die Stadt fällt auf, wie viel neuer Wohnraum geschaffen wird, stilistisch ein sehr angenehmer, gefälliger Kontrapunkt zu den sozialistischen Plattenbauten.
Buchara ist die Stadt von Hodscha Nasreddin Effendi, der nicht nur als Reiter seines Esels die Grünanlage verschönt, sondern auch beliebtes Motiv für die Miniaturen ist, die in zahlreichen Läden verkauft werden. Neben der Anzahl an Moscheen und Medressen, die unglaublich prachtvoll und beeindruckend sind, neben den vielen auffallend schönen Hotels in restaurierten oder auch neuen, aber stilistisch angepassten Gebäuden, finden wir in den ungepflasterten Seitenstraßen ganz einfaches Leben. Die Kinder, fröhlich wie scheinbar immer hier (kaum je Geschrei!) spielen auf der Gasse und im Matsch mit nichts…Hier gibt es abends keine effektvolle Beleuchtung wie bei den großen Moscheen und Minaretts, hier ist es dunkel, was niemanden stört. Die zufälligen zwischenmenschlichen Begegnungen sind von auffälliger Herzlichkeit und Fröhlichkeit getragen, es ist richtig herzerwärmend.
Bei großer Hitze verleiben wir uns tapfer alles ein, was ein Tourist gesehen haben muss, auch das Mausoleum aus der Vor-Timur-Zeit oder die Festung des letzten Emirs von Buchara. Dass die Rote Armee hier böse gewütet und sichtbar große Zerstörung angerichtet hat, beeindruckt die lustige Kindergartengruppe nicht, die uns „hello, hello“ zuruft. Das Thema der bettelnden indischen Zigeuner wird vertagt.
Wolfgangs und Dillshots Wege führen auch ins jüdische Viertel mit Synagoge und zum Puppenspieler mit seiner Puppentanzshow. Und natürlich darf der obligatorische Besuch beim Teppichhändler nicht fehlen.
Abends – endlich kühler! – fasziniert und erheitert das lebendige Treiben der einheimischen Familien auf der „Flaniermeile“. Zu unserer Überraschung werden junge, vielleicht zehnjährige Streithähne von – keineswegs unfreundlichen – Polizisten gleich gepackt, auseinander gezerrt und nicht mehr losgelassen.
Und dann treibt uns pechschwarzes Gewölk mit Sturm und Wetterleuchten zum letzten „Absacker“ ins Hotel.

~Beate und Bernd, ZEIT-Reisende

Tag 22: 6.6.2019

Samarkand

„ Alles was ich über die Schönheit Samarkands gehört habe, ist wirklich wahr, nur mit einer einzigen Ausnahme: Es ist viel schöner als ich es mir jemals vorstellen konnte“ Alexander der Große

Es knistert und knackt. Wir öffnen die Augen .Die „Perle der Seidenstraße” …..im Regen…., das kann nicht sein!
Ein Blick aus dem Fenster bestätigt es, es schüttet, schwarzer Himmel über Samarkand! So ein Glück dass wir diesen herrlichen, sagenhaften Registan Platz gestern Abend noch von 20:50 bis 21:05 bei herrlicher Beleuchtung zusammen mit hunderten Zuckerfest-Feiernden Einheimischen und Touristen erleben durften. In diesem Sinne motiviert reiben wir uns die Augen, stellen Regenschirm und Jacke bereit und los geht’s zum ausgiebigen ‘ Zuckerfest Frühstück‘.
Nicht nur Einheimische, sondern auch wir Touristen erfreuen uns an dem erlaubten Genuss von Geleefrüchten, Schokocreme, Lutschern, doppelwandigen Schokowaffeln und Zuckerbonbons in allen Formen und knallbunten Farben.
Und das schon zum Frühstück!


Später,bewaffnet mit Regenschirm und Jacke, Sonnencreme und Brille – für alle Fälle – geht’s nun los. Auf zur Nekropole. Zahlreiche unterschiedliche Mausoleen erwarten uns in der Gräberstadt Schah-i Sinda. Von besonderem Interesse sollen die Gräber 8, 9, 10 und 13 sein.

Zur individuellen Gestaltung bekommen wir 45 Minuten Freizeit. Gefühlte 100 hohe Stufen trennen uns vom „ruhigen Reich der Toten“. Mit unglaublichem Staunen, dokumentiert durch offene Münder, …wälzt sich die Touristenschar an den blau gekachelten Großdenkmälern der verschiedenen Jahrhunderte vorbei. Ab und zu betritt ein Gläubiger die Grabstätten, zu welchen er oft hunderte von Kilometern weit gepilgert ist. Geduldig, mit ihren zur Feier des Tages mit Henna bemalten Kindern, bahnen sie sich einen Weg. Eigentlich eine Zumutung, sich bei diesen Touristenscharen auf innere Gebete einlassen zu müssen. Ein süßlicher Geruch toter Schmetterlinge liegt über allem.
„Gehen wir!“, die Stimme unseres Führers erschallt und weiter geht’s .Vorbei an Stapeln diverser Schuhe, T-Shirts, Hüten, Socken,Kinderlätzchen, Spielzeug und Boxer-Shorts ‚Made in China‘ geht es zum Basar von einer Größe von ca. 27 ha ! Wir können unsere 40 Minuten Freizeit aufteilen, pro ha wie lange…? Auch hier wieder Zuckerfest.

Von dem lebhaften Treiben bleiben nur Bruchstücke im Vorübereilen haften. Getrocknete Aprikosen, Datteln in Verbindung mit einem Mohairschal für 10$, Geschirr und wieder Socken, Melonen, Tomaten, Korbwaren, Safran und Möhren geraspelt. Eine Mitreisende wünschte sich sehnsüchtig ein Knoblauchbündel gegen Mücken. Dann „handgestickte“ Decken zwischen Koriander, Kümmel, Berberitzen, Kirschen….


…die Sonne strahlt, die Welt ist in Ordnung… Der Kauf einer einmaligen Kappe für nur 5000 SUM/5€….rundet das Ganze ab.
Nach, nun doch 60 Minuten, geht es weiter zur Bibi-Chanum-Moschee.

Endlich finden wir hier eine noch viel einzigartigere Kappe! Allerdings diesmal antik und aus dunkelgrüner, bestickter Seide. Ein Andenken der besonderen Art.
Für nur 2000 SUM/2€ rasen wir nun mit kleinen Elektrowagen entlang der touristischen Souvenirmeile vorbei am Denkmal des im August 2016 verstorbenen Präsidenten Islom Karimow zum sagenhaften Registan Platz (Versammlungsplatz), diesmal bei Tag.

Dieser absolute Höhepunkt der Seidenstraße ist mit simplen Worten nicht zu beschreiben, seine Bedeutung und sein Aufbau aber, ist unbedingt in ausführlichen Reiseführern nachzulesen.
Nur ein Beispiel: In nur 3 Jahren baute Ulug-Beg seine berühmte Koranschule hinter diesem Platz. Was war sein Trick?
Er bestellte, laut Dilschod alle Baumaterialien lange bevor er sie benötigte. So hatte er immer rechtzeitig genügende Mengen für eine zügige Fertigstellung.
Diese ehemalige Koranschule, vor allem der riesige Innenhof mit hunderten kleiner Geschäften, zieht uns in ihren Bann…eventuell auch wegen der Geschäfte…?
Wir bitten auch hier, zwecks näherer Einzelheiten, die vorhandene Fachliteratur eingehend zu studieren.
Nachdem Dilschod, unserem Reiseleiter, während einer seiner eingehenden Ausführungen eine Riesenheuschrecke geradewegs in die Hose krabbelte, wurde sie umgehend von Franz, einem Mitstreiter unserer Reisegruppe, geschnappt und getreu seines Berufes sofort eingehend untersucht. Die auflockernde Frage, handelt es sich um ein Männchen oder ein Weibchen, wurde umgehend geklärt: Es war ein Weibchen!!
Aber nun Schluss! Keine Moschee, keine Koranschule oder gar Kaligraphie kann uns Frauen, seit Wochen auf Entzug, beim Anblick dieser wunderbaren Souvenirs vor’m Shoppen stoppen…..
Wir plädieren auf Freizeit!!!!!
Stattdessen:
…. mit geschlossenen Augen, unter einem Ventilator gegen die Hitze stehend , lauschen wir der Herstellung blauer Porzellankacheln, Schalen, Kannen und Weiterem…
Unser Führer Dilschod, ist einfach perfekt! Er gibt nicht auf! Er doziert und doziert! Theoretisch wissen wir nun alles… In der Hoffnung es auch zu verstehen und behalten zu können, raten wir erneut, den Kulturreiseführer zur Hand zu nehmen…
…die goldene Moschee….ein absoluter Traum und wir…? Wir schleichen weiter und vermissen unsere obligatorische Kaffeepause.
Wer will schon shoppen??
Dilschod gibt nicht auf! Hochinteressante und fundierte Vorträge und alle sehr, sehr ausführlich…
Endlich, wir bekommen eine Pause von 10 (zehn!) Minuten zugestanden. Doch nun… nur noch Ausruhen ist angesagt. Alles Sonstige wäre jetzt viel zu anstrengend.
Zur Aufmunterung: Auf dem Weg zum Mittagessen der Ruf „ein dritter Mord” … es war eine Mücke! Täter, ein Arztehepaar welches während Dilschods Vorträgen durch Abwesenheit glänzte und sich, wo auch immer, mit Cappuccino stärkte.
14:20 angekommen im „Geheimtipp” Restaurant, welches allerdings bei mindestens 6 weiteren Gruppen so gehandelt wurde. Es ist riesig, voll und ziemlich laut. Tapfer löffelnd sitzt die Gruppe an der langen Tafel….
…nach der wohlbekannten , altvertrauten Menüabfolge und vielen lustigen Gesprächen geht es zurück ins Hotel…. für 15 Minuten!
Nachdem wir im Nachmittagsprogramm die von Ulug-Beg (1394-1449) 1424 – 1428 erbaute Sternwarte besuchen und einen Blick (wenn auch nur auf Fotos) zu den Sternen des Himmels wagen, schließen wir unser intensives, eindrucksvolles und ausführliches Tagesprogramm mit dem guten Gefühl ab, viel, viel Neues in einer wunderbaren Stadt, bei doch noch herrlichem Wetter erfahren zu haben.
Samarkand dürfte zusammen mit Buchara und Chiva als der absolute Höhepunkt der Seidenstraße angesehen werden.
Eine wesentliche Frage beschäftigt und bewegt uns noch: Wie konnte das detaillierte Buch von Mirzo Ulugbek über 1018 Sterne und deren jeweiligen Umlaufbahnen im Jahre 1690, also ca 250 Jahre nach seinem Erscheinen im so weit entfernten Gdansk/ Danzig ( Polen ) von dem dänischen Wissenschaftler Jan Geveliy (1611-1687) veröffentlicht werden….?
War es der Weg der Seidenstraße, die dieses Buch und sein Wissen ging, auf dem Weg nach Europa…?

PS: Auch der von Zeitreisen avisierte “Kulturaustausch” fand an diesem sonnigen Nachmittag noch statt: der ‚ Maybach’ des kasachischen Parteivorsitzenden samt sämtlicher usbekischen Regierungslimousinen, parkte direkt in der Nähe unseres Busses…!!
…“ von Hamburg nach Shanghai“…. es war ein gelungener Tag!!

~Eva-Maria Stoffel und Swantje Friebel, ZEIT-Reisende

Tag 23: 7.6.2019

Von Samarkand nach Taschkent

Nach den wunderbaren Erlebnissen in Samarkand, wo wir tagsüber und auch nachts bei Beleuchtung die herrlichsten Baudenkmäler aus dem 14.Jahrhundert bestaunen konnten, starten wir heute nach Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans.

Unterwegs sehen wir jetzt erstmals hohe teils schneebedeckte Berge. Wir fahren durch eine fruchtbare Landschaft mit Obstbäumen und Baumwoll-Feldern und am Straßenrand werden leckere Melonen verkauft.

Das leicht sumpfige Gebiet lockt natürlich auch viele Störche an, die teilweise mit 4-5 Nestern die Strommasten besiedeln!

Unterwegs unterhält uns Beate Eschment, mit viel interessantem Hintergrundwissen über die politischen Verhältnissen der zentralasiatischen Staaten. Wir genießen diesen besonderen Service der “Zeit” sehr, dass uns unterwegs immer wieder “Zeit-Experten” begleiten, die extra dafür eingeflogen werden.

Eine weitere logistische Meisterleistung der Reiseleitung ist hier in Usbekistan die Betankung der Busse mit Diesel (immerhin fassen sie zusammen 880l!) da gut alle Autos mit Gas betankt werden und Diesel, wenn überhaupt, nur in minderer Qualität zur Verfügung steht.
So wird unser Kraftstoff extra in Kanistern herbeigeschafft und nachts per Trichter eingefüllt, was natürlich eine lange und umständliche Aktion ist!

Taschkent ist mit seinen 2,6 Millionen eine neue, moderne Großstadt, da fast alles nach dem Erdbeben von 1966 zerstört wurde. Sie liegt auf einer Höhe von ca. 500 m und wir haben angenehme trockene Luft bei 35 Grad.
Nach einem leckeren Mittagessen

 

besuchen wir die ‘Hazrat Imam Home’ Moschee,

und die Bibliothek, wo ein alter Koran aus dem 7.Jahrhundert von Sultan Oman zu bestaunen ist.

Wir übernachten heute im eleganten Hyatt und genießen ein Abendessen in einem netten Lokal, gemeinsam mit Frau Eschment.

~Ulrich Hoffmann, ZEIT-Reisender

Tag 24: 8.6.2019

Von Tashkent nach Fergana

9.30 Uhr 29 Grad. Die Flotte kleiner Chevrolets – faktisch Monopolist in Usbekistan- versammelt sich vor dem Hyatt – Murat, unser Fahrer aus Fergana, bespricht sich noch kurz mit seinen Buddies und los geht’s. Für Rainer vorn beginnt sofort der Sprachkurs “Usbekisch für Anfänger”. Murat glaubt, wir hätten uns keinen Flug nach Usbekistan leisten können und deshalb diese für ihn unvorstellbare Reise im Bus angetreten.
Schon an der Stadtgrenze blitzen uns die schneebedeckten Bergkuppen entgegen – Kühe queren den Highway auf dem Zebrastreifen – reife Getreidefelder – nagelneue Erntemaschinen.
11.00 Rast. Wir tauschen mit jungen Usbeken 3 Zigaretten gegen ein Döschen scharfes Lakritz. Weiter geht es in diesem Korridor zwischen Tadschikistan und Kasachstan vorbei an Bienenstöcken und sogar einigen Wildpferden zu einem Stausee – die Temperatur sinkt unter 20 Grad. Die super ausgebaute Straße schraubt sich mit uns hoch zum Kamchik Pass (2257 m) durch zwei von Militärs und Kameras überwachte Tunnel.

Dass man hier nicht fotografieren darf, lernen wir: ein martialisch ausgestatteter Soldat winkt uns direkt nach dem Tunnel heraus- er weiß schon, wessen Handy er haben möchte- , schaut auf die Fotos, telefoniert, spricht mit dem Fahrer und ich bekomme das Handy zurück.
Alle Tunnelfotos sind gelöscht! Der Schreck sitzt!
Zunächst noch karge Steppenlandschaft – doch schnell wieder üppige fruchtbare Felder- Aprikose, Kirsche, Weinanbau in Spalieren.
Murat hält an einem Markt- kauft kleine weiße Bällchen – bietet sie uns an. Wir denken an Trüffel Pralinen, es sind aber getrocknete und gesalzene Schafskäseköttel- ein Bier dazu wäre perfekt, sagt unsere Mitfahrerin Yoko.


Nach dem Mittagessen 16.00 Weiterfahrt zum Palast des Khans von Kokand (ca. 90 km vor Fergana). Er herrschte noch bis 1920, auch wenn er schon vorher vom russischen Zaren abhängig war. 1928 wurde er von den Bolschewiken hingerichtet. Der äußere Palast wurde zerstört, der innere hat sich teilweise erhalten und wird z.Z. restauriert. In kleinen Museumsräumen suchen verblichene Fotos von Personen und Urkunden aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nach Erklärungen, aber es kommen keine.


Abends hingegen um so mehr: unsere Wissenschaftlerin Beate Eschment hält uns nun den etwa einstündigen Vortrag, den sie schon am ersten Abend präsentieren wollte, zu den 5-stan-Staaten Zentralasiens.

Kasachstan (dem 9.größten Flächenstaat der Welt mit vielen Bodenschätzen), Usbekistan (dem bevölkerungsreichsten Staat mit rund 32 Millionen Einwohnern), Kirgistan (dem ärmsten Staat, in dem auch deswegen noch die meisten Nomaden leben), Tadschikistan (dem ebenfalls armen und politisch zunächst – ab den 90’er Jahren – sehr instabilen Bergstaat) und dem sehr abgeschotteten Turkmenistan (das sogar mit Nordkorea verglichen wird).
Die Einzelheiten können hier nicht wiedergegeben werden, aber wir haben von Beate viel gelernt, was uns die Diversität (auch von Sprachen, Nationalitäten, politischer und ökonomischer Situation) dieser Staaten erkennbar gemacht hat.
Wir ließen den Tag mit weiterem internationalen Flair, nämlich mit unserer Japanerin Yoko und den für sie typischen Getränken ausklingen: vom Tenno über Kamikaze-Flieger bis zu japanischen Lebensweisheiten.

 
~Rainer und Monika Holtschneider, ZEIT-Reisende

Tag 26: 10.6.2019

Von Fergana nach Sary-Tash

Heute steht mal wieder ein Grenzübergang an. Diesmal von Usbekistan nach Kirgistan. Darüber hinaus werden wir so richtig in die Hochgebirgsregion zwischen den westlichen Ausläufern des Tianshan-Gebirges und des imposanten Pamir-Gebirges eintauchen. Der Wetterbericht prognostiziert vor Ort Niederschlag, d.h. im Klartext: Schneefall. Wir sind alle sehr gespannt, ob wir noch bei Tageslicht ankommen werden oder ob es spät nachts sein wird. Höhen über 3.000 m und auch die Übernachtung in einfachen Gästehäusern bei den Einheimischen sind für uns eine neue Herausforderung an Gesundheit und Schlafkomfort.

Es ist 8 Uhr. Wir verlassen pünktlich unser Hotel in Fergana. Durch das fruchtbare Tal geht es an die Staatsgrenze Usbekistan/Kirgistan. Die Häuser im Grenzgebiet wirken auf mich deutlich einfacher und baufälliger. Viele sind sogar verlassen. Sowohl die Ausreise aus Usbekistan, als auch die Einreise nach Kirgistan verlaufen relativ unproblematisch. Das Anstellen in Reihe zwecks Passkontrolle, Ausreisestempel hier und Einreisestempel dort, sind wir bereits gewohnt. Wir nehmen es gelassen hin. Es hat begonnen zu regnen. Wir suchen während des Wartens auf unsere Busse im Freien Schutz unter Schirmen und Überdachungen. Einheimische Grenzgänger, bepackt mit Taschen und Kartons, betrachten uns neugierig. Eine verbale Kommunikation ist uns leider nicht möglich, da wir weder kirgisisch sprechen noch die anderen Englisch oder gar Deutsch verstehen. Freundliche Blicke und Gesten auf beiden Seiten machen dies aber wett. Unsere beiden kirgisischen Guides stoßen zu uns und weiter geht die Fahrt.

Die Mittagsrast wird in der Stadt Osh eingelegt. Es regnet leider immer noch. Die Straße führt durch das weite Tal des Gulcha-Flusses, der sich hier zunächst als verwilderter Fluss präsentiert. Dann verengt sich das eiszeitlich überprägte Tal und der Fluss windet sich in engen Mäandern durch die mächtigen Schotterdecken. Die steilen Hänge und Schuttkegel sind nur mit einer dünnen Grasnarbe bedeckte. Überall sind tiefe Erosionsrinnen und großflächige Hangrutschungen sichtbar, Folgen der hier allgegenwärtigen Solifluktion.

Erosionen im Tal des Gulcha-Flusses

Für die einheimische Bevölkerung ist dies eine ständige Gefahr, dass im Winter Schneelawinen und im Sommer durch Starkregen Schlamm- und Schuttlawinen niedergehen und die Menschen, Häuser und Jurten bedrohen. Vereinzelt liegen mittelgroße Steinbrocken auf der Straße. Gar nicht auszudenken, wenn ein Steinschlag oder eine Mure unsere Straße erwischt und uns am Weiterfahren hindert. Gar keine Seltenheit. Hin und wieder geraten wir in einen Stau der ganz anderen Art. Kirgisen zu Pferde treiben ihre Schafherden über die Straße. Und mitten darin steht unser Bus.

Bei einer Jurtensiedlung legen wir einen kurzen Zwischenstopp ein. Trotz Regens steigen wir aus und einige erklimmen eine kleine Anhöhe. Der aufgeweichte Boden hat die Konsistenz von Schmierseife.

Eine andere Gefahr geht von den hier häufig auftretenden Erdbeben aus. Täglich werden in dieser Region zahlreiche leichte Beben mit Stärken von 1-2 nach der Richter-Skala registriert. Nur die ganz schweren Erdstöße führen zu verheerenden Katastrophen. Die Menschen, die hier leben, sind sich dessen bewusst. Sie lieben ihr Land und gehen lieber das Risiko ein als in sichere Gebiete umzusiedeln. Glücklicher Weise kommen solche Starkbeben nur alle Jahrhunderte ein Mal vor. Wir befinden am Nordwestrand zum Dach der Welt, einer tektonisch sensiblen Zone. Hier stößt die Eurasische Platte mit der Chinesischen Platte und der Indischen Platte zusammen. Es kommt zu gigantischen Auffaltungen und Absenkungen, begleitet von oberflächennahen Beben und Tiefenbeben. Das Resultat spiegelt sich in den mächtigen Gebirgszügen des Tianshan, des Pamir und des Karakorum wider.

Als dann der kurvenreiche Anstieg zur Passhöhe beginnt, wird der Regen zu Schnee. Die Landschaft verwandelt sich in ein einheitliches Weiß. Unser Mottolied „Hinterm Horizont geht’s weiter …“ wird angestimmt. Nur wir sehen bei dem immer stärker werdenden Schneegestöber keinen Horizont.

Aber es geht für uns weiter. Bei 3.615 m haben wir schließlich den Taldyk-Pass erreicht. Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt steigen wir aus. Ein Wechselbad der Gefühle.

Vor einigen Tagen noch Temperaturen von plus 30 Grad und jetzt Schnee und Eis. Über Zahlreiche Serpentinen geht es wieder hinunter auf rund 3.250 m zu unserem Übernachtungsstandort Sary-Tash. Gratulation an unsere Busfahrer Jens, Daniel und Mateusz, die diese Bergetappe glänzend gemeistert haben!

Noch beim letzten Rest Tageslicht erreichen wir gegen 20 Uhr die 1.500 Einwohner große Siedlung. Eine Premiere für mich! In den vergangenen Jahren trafen wir hier erst viel später bei stockfinsterer Nacht ein.
Die Busse fahren auf den Hof einer Schule. In der Sporthalle hat man für uns schon liebevoll die langen Tischreihen für das Abendessen gedeckt: Salat, Suppe, typische Fladenbrot und Schaschlikspieße.

Abendessen in Sary-Tash

Die Stimmung in diesem pittoresken Umfeld ist einzigartig und für Außenstehende nicht nachzuvollziehen. Wir feiern an diesem Ort auch unser Bergfest. Die Hälfte der Reisezeit ist zurückgelegt. Natürlich bleiben die Schälchen nicht nur mit heißem Tee gefüllt. Wir stoßen gemeinsam an und freuen uns im Trockenen zu sitzen bei Temperaturen, die zwar kühl aber bei Weitem nicht so niedrig wie draußen sind. Einige Frauen aus dem Ort, in ihren typischen Trachten gekleidet, bringen uns mit einigen Demonstrationen ihr Brauchtum näher. Eine eindrucksvolle Überraschung! Das hält keinen von uns auf den Stühlen.


Dennoch, die Zeit drängt. Wir müssen noch unsere Quartiere beziehen und die Busse und Busfahrer müssen die Stand- und Ruhezeiten einhalten. Morgen liegt wieder ein sehr langer, anstrengender Tag mit Grenzpassagen und Kontrollen vor uns. In kleiner Runde legt das Orga- und Begleitteam die weitere Zeitplanung und die Belegung der drei Gästehäuser mit Einteilung der Schlafplätze fest. 5 Uhr Aufstehen, Frühstück einnehmen und spätestens um 6 Uhr Abfahrt. Oder sollte es bei dieser Witterung nicht besser heißen: „Ab auf die Loipe?“ Hotels gibt es in Sary-Tash nicht. Ortsansässige stellen uns ihre Häuser als Schlafstätte zur Verfügung. Ein erneutes Abenteuer in dieser Schneelandschaft erwartet uns. Mit dem Bus fährt die Gruppe „Hamburg“ noch zwei Kilometer weiter an den Ortsrand von Sary-Tash. Hier werden wir abgesetzt, denn der Bus muss wieder zurück zur Turnhalle fahren. Im Scheinwerferlicht eines Begleitfahrzeuges und unserer Taschenlampen geht es zu Fuß durch den Schnee zu unserem Gästehaus. Eine junge Frau und ihre Mutter begrüßen uns aufs Herzlichste. Sie haben schon einige Zimmer vorgeheizt. Matratzen und Decken werden auf den Betten und auf dem Fußboden ausgelegt. Unsere Gruppe verteilt sich auf fünf Räumlichkeiten und Flure. Diejenigen, die im Eingangsbereich ihre Schlafstätte finden, müssen leider etwas früher aufstehen, denn hier wird morgens das Frühstück bereit gestellt. Das WC, ein mit Holzbrettern umbautes Plumpsklo, liegt außerhalb des Hauses 20 m entfernt. Gedanklich wägt man bereits ab, ob es unbedingt notwendig ist, diesen Gang anzutreten. Doch dann die ganz große Überraschung. Erst vor wenigen Wochen hat man innerhalb des Hauses eine Sitztoilette und sogar eine einfache, aber funktionstüchtige Dusche an- bzw. eingebaut. Unverhoffter Luxus im Pamir. Wer hätte das gedacht! Getoppt wird dies nur noch durch den recht guten WiFi-Empfang. Auf dem Fußboden liegend, im Schein der Taschenlampe, wird schnell noch eine WhatsApp an die Lieben zu Hause verschickt. – Dann tritt Ruhe ein. Leises Schnarchen oder doch nur lauteres Atmen in dieser Höhenlage dringt aus verschiedenen Richtungen hinaus in den tief verschneiten Pamir.

~Wolfgang Pohl, ZEIT-Reiseleiter

Tag 27: 11.6.2019

Von Sary-Tash nach Kashgar

Nach der extrem kurzem Schlaf im großen Gästehaus werden wir von Schnee empfangen: Leichter Schneefall fast die ganze Nacht…das Streudorf auf 3.200 m Höhe ist von einer dicken Puderzuckerschicht bedeckt und eingenebelt…Sicht nahe Null.


Das Frühstück verdrängt die noch im Magen vorhandenen Reste des Bergfestschmauses von gestern Abend. Bergfest: Die Hälfte der Reise gefahren (worden)…7.000 + Km, die größte Meereshöhe, die höchste Übernachtung.

Von Sary-Tash geht es bereits um 6 Uhr sanft bergab, auf zum Teil mit Schnee bedeckter Straße, eine große Herausforderung für unseren sehr umsichtigen Fahrer.

Wir sehen kleine Pferdeherden im Schnee wie auch winzige Ansiedlungen der Nomaden und vereinzelt Menschen im Schnee. Was ist das für ein hartes Leben! Das wird uns hier vor Augen geführt. Temperatur: bis – 4 Grad C!
Nach gut einer Stunde Fahrt mitten im Nichts, jetzt bei Regen und 0 Grad der erste kirgisische Grenzposten. Circa eine halbe Stunde später eine kilometerlange Lastwagenschlange vor der Grenze, seitlich Stacheldrahtzaun nach China neben der Straße, noch immer auf 2.870 m Meereshöhe. 8 Grad jetzt, Wind und zaghafter Sonnenschein.
Beginn einer Grenzkontroll-Odyssee von insgesamt ca. 10 Stunden.
Am ersten chinesischen Grenzposten der von uns heiß ersehnte Blick auf die verschneiten, hohen Berge! Dann Fahrt durch weite, trockene Flusstäler. Beidseits der Straße bizarre, steile und wunderschön gefärbte Felsformationen – ein Augenschmaus, der uns die lästigen, zahlreichen, bizarren, uns unverständlichen Pass-, Gepäckkontrollen und Fotos von uns durch die Beamten vergessen lässt. (Wir haben uns auf Rat unseres Reiseleiters Rainer gegen Magengeschwüre durch Ungeduld, zur Gelassenheit entschieden.)


Weil in China überall „Pekingzeit“ gilt, und deshalb unsere Uhren um 2 Stunden vorgestellt wurden und wir schon 5 Uhr früh aufgestanden waren, kommen wir erst um Mitternacht Ortszeit in Kashgar an, alle etwas „erschossen“. Koffer werden in der Lobby des „Radisson“ geparkt…und ab an die Futterkrippe.
So endet dieser bizarr gelaufene Tag mit dem ersten chinesischen Essen und ein paar „lokal“ Bierchen im Bauch… die letzte spannende (chinesische) Reisephase in freudiger Erwartung.

~Gesine und Volkhart Brethfeld, ZEIT-Reisende

Tag 28: 12.6.2019

Kaschgar

Der 28. Tag, unser zweiter Tag in Kashgar, stand uns zu individuellen Unternehmungen zur Verfügung, eine sehr glückliche Entscheidung. Zu unterschiedlichen Zeiten verließen wir das Hotel und ließen uns in die Innenstadt locken: Grobes Ziel die Moschee, und dann alles drum herum. In kleinen Gruppen genossen wir auf dem Weg das bunte Treiben, sahen die kleinen, oft ärmlichen Geschäfte, sahen eine Unzahl motorisierter Menschen ihrem Ziel zustreben, sahen würdige ältere Männer, ließen uns von lautlosen Motorrollern jagen, betrachteten die Architektur und den Mao auf seinem Sockel nahe der Parkanlage mit See. Mir schien es, als seien viele Einheimische interessiert, ja neugierig, welcher Art die Langnasen zugehörten, die da durch ihre Stadt liefen. Auf ein „Hallo“ kam ein Lächeln, oft auch eine von beiden Seiten nicht verstandene Unterhaltung zustande. So unterhielten wir uns sehr eingehend mit einer jüngeren Han-Chinesin, die Englischlehrerin ist, und die zu gerne in Europa arbeiten würde. Es dürfte ein sehr schwieriges Unterfangen sein. Wir durchquerten unscheinbare Kontrollstationen und gelangten in ganz unterschiedliche kleine Märkte für Obst, Gemüse, Fleisch, Kleidung etc., wo die Bevölkerung ihren Bedarf deckte. Teile der alten, wieder hergestellten Stadtmauer lange vor uns, die originale Altstadt konnten wir nicht betreten. Diese wirkte wie eine vom Krieg heimgesuchte Trümmerlandschaft, war abgesperrt, wird möglicherweise restauriert. Dann lagen vor uns die Straßen des Basars, in denen die einzelnen Gewerke ihre Geschäfte betreiben, meist mehrere nebeneinander, die gleiche Waren anbieten. Keramik, Kleidung, Seide, Musikinstrumente, Kunstgewerbe, Schmiede, Obst und Gemüse, Getränke … ein buntes Bild. Die Händler waren nicht aufdringlich, man konnte alles besehen, sich erklären lassen, und hatte auch hier wie auch bei all den anderen Begegnungen das Gefühl, auf ein echtes Interesse zu stoßen und Menschen zu begegnen, die der Tourismus noch nicht verdorben hatte. Erfüllt von den vielen und positiven Eindrücken gelangten wir abends zurück in unser Hotel, wobei wir unterwegs noch die abenteuerlichsten, meist selbst konstruierten Gefährte auf der Straße bestaunen konnten, unglaubliche Lasten auf Fahrrädern, Motorroller mit Kastenaufbau usw.

~Jürgen Studt, ZEIT-Reisender

Tag 29: 13.6.2019

Kaschgar

Der 29. Tag war dann wieder den gemeinsamen Besichtigungen gewidmet. Die Rundfahrt gab uns noch einmal einen Überblick, vieles hatten wir am Vortage bereits selber gesehen. Am Stadttor erlebten wir eine von Musik und dumpfem Trommelklang begleitete Aufführung, nach deren Ende wir durch die engen Gassen der von Uiguren bewohnten, häufig restaurierten alten Viertel wanderten. Interessante Häuser, schöne Türen, aber auch bemaltes Blech. Auch hier kam es immer wieder zu freundschaftlichen Begegnungen – für uns das Salz in der Suppe.
Es folgte der Besuch der Id-Kah-Moschee. Die Bauten stehen in einer weit ausgedehnten Anlage (fasst über 5000 Gläubige) mit einer enormen Anzahl schlanker Pappeln, die den Eindruck eines von Säulen gefüllten Raumes vermitteln. Ansonsten machte uns eigentlich das karge Innere der Moschee ein wenig ratlos, eben auch angesichts des prächtigeren Eingangsbereiches.
Bei hohen Temperaturen erfreuten wir uns nochmals der Möglichkeit, die Basarstraßen zu durchtreifen, einen Tee zu trinken oder – unverdrossen – mit Wolfgang noch ein weiteres Areal zu erkunden.
Nach dem Mittagessen (mit Stäbchen!) in einem märchenhaften Restaurant sahen wir dann das außerhalb der Stadt liegende Mausoleum des Abak-Hodscha aus dem 17. Jahrhundert, seines noch berühmteren Sohnes, zahlreicher Verwandter und eben aus der „Duftenden Konkubine“. Wieder fanden wir eine herrliche, farbenfrohe Architektur aus einem vier Hektar großen Gelände, Mausoleen, Moschee, Koranschule, Gesprächsraum etc. Die Sarkophage in unterschiedlicher Pracht und Größe standen dicht gedrängt. Auch die Sänfte, in der der Leichnam der „Duftenden Konkubine“ aus der kaiserlichen Hauptstadt, wo sie an Heimweh verstarb, in 3 Jahren in ihre uigurische Heimat zurückgetragen wurde, war im Mausoleum ausgestellt. Das Äußere des Abak-Hodscha-Mausoleums erinnert an eine kleinere, farbenfrohere Ausgabe des Tadsch Mahal. An diesem Abend blieben wir, erfüllt von berauschenden Eindrücken und Erfahren, noch lange beieinander.

~Jürgen Studt, ZEIT-Reisender

Tag 31: 15.6.2019

Von Aksu nach Kucha

Dies ist der vierte Tag in China und wir verlassen Aksu morgens nach dem Frühstück. So langsam gewöhnen wir uns an das chinesische Essen (z. B. Schwarzreisporridge zum Frühstück) und verfeinern die Anwendung der Essstäbchen. Unser erstes Ziel sind heute die Tausend-Buddha-Höhlen von Kizil. Auf dem Weg dorthin sehen wir Vorgebirgszüge und schneebedeckte Gipfel des Tienshan-Gebirge, das vielfach gefaltet ist und sich von West nach Ost über 1000 km erstreckt. Die Sonne strahlt, die Gesteinsfarben und -formen wechseln. Alle paar Minuten bietet sich ein anderer toller Anblick.
Von Rainer erfahren wir währenddessen einiges Wissenswertes über China. Das Land, das 27 mal größer ist als die BRD hat mit einer Ost-Westausdehnung von 5.000 km und einer Nord-Südausdehnung von 5.500 km 1,4 Milliarden Einwohner. Hier leben 54 Minderheiten, die nur 8 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Viele der Minderheiten leben in autonomen Provinzen. Die Geschichte Chinas ist seit 3500 Jahren anhand von Schriften belegbar. Interessant finde ich, dass die Mongolen, die fast überall im asiatischen Raum bei den Eroberungszügen zerstörend gewütet haben, dies in China nicht gemacht haben. So sehr waren sie von den zivilisatorischen Leistungen, den Verwaltungsstrukturen und der Staatsorganisation insgesamt fasziniert und überzeugt, dass sie diese übernahmen. Ein weiteres interessantes Detail: viele Missionare wendeten sich in China aus ähnlichen Motiven von ihrem missionarischen Auftrag ab und integrierten sich in die chinesische Gesellschaft. Und was prägte die chinesische Gesellschaft im Lauf der langen Geschichte nachhaltig? Der Konfuzianismus begründete als prägendes Element die hierarchische Struktur, die für Positionsklarheit bis in die Familie sorgt. Den “Herrschenden” wurde ein entsprechendes Maß an Charakterbildung abverlangt. Der Daoismus wirkte als Gegenpol, sieht die Gesellschaft als etwas Schlechtes und meint, der Mensch wäre eine leere Vase, die durch das Gute in der Natur gefüllt wird. Krieg, Waffen und konfuzianische Regeln gehörten abgeschafft. In diesem Glauben liegt auch die Liebe der Chinesen für gutes Essen begründet. Für Essen wird viel Geld ausgegeben und Nahrung hat einen medizinischen Wert.
Vor den Toren der Tausend-Buddha-Höhlen von Kizil verspeisen wir unseren Mittagsimbiss und machen uns anschließend in geteilter Gruppe auf den Weg. Jede Kleingruppe sieht andere Höhlen, in denen sich Fresken und leere Wandaushölungen befinden. Früher standen Buddhafiguren in den Höhlen. Diese können wir heutzutage in europäischen und amerikanischen Museen bestaunen. In der Anlage erhält man ein Gefühl für die Abgeschiedenheit, die Ruhe und Einsamkeit, die Umgebung, in der die Mönche ihr Leben mit Gebet und Andacht verbrachten. Das tägliche Leben muss hier extrem beschwerlich gewesen sein. Heute gibt es in China, neben anderen Religionen, zwei Formen des Buddhismus und die Religion ist frei wählbar. Weiter geht es durch die Berglandschaft zum nächsten Highlight des Tages. Zum Grand Canyon bei Kucha, der eigentlich eine Klam ist, wie Wolfgang später erklärt. Diese rotgefärbten, hoch aufragenden Gesteinsformationen sind beeindruckend schön, und wir schlendern ein Stück in die Klam hinein.
Insgesamt verbringen wir diesen Reisetag viel in der Natur. Dazu der Hinweis eines Mitreisenden aus einer aktuellen britischen Studie : wöchentlich 120 in der Natur verbrachte Minuten beeinflussen die Lebenszufriedenheit und Gesundheit nachweislich positiv. Mit unzählig vielen visuellen Natur-Eindrücken beglückt und mit reichlich Information versorgt, erreichen wir abends das Hotel. Und was war am heutigen Tag besonders lustig? Die Geschichte von einer Wirtschaftsdelegation aus Deutschland, die als Gastgeschenke grüne Mützen mitbrachte und bei den chinesischen Gastgebern Unverständnis auslöste, denn eine grüne Mütze bedeutet „deine Frau geht unterwegs“. Die Mützen wurden postwendend wieder verpackt und im Nachhinein sorgte der Vorfall für Belustigung. Es wurde „tödlich gelacht“.
Eine Mitreisende weckte mit Buchempfehlungen unser Interesse für Reisebeschreibungen über ‚unsere’ Reiseroute aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts: „Verbotene Reise“ und „Tartarennachrichten“.

Und zum Abschluss des Tages dieses Motto, gesehen auf dem T-Shirt eines chinesischen Reisenden irgendwo unterwegs:

~Anik Ruhle, ZEIT-Reisende

Tag 32: 16.6.2019

Von Kucha nach Korla

Entlang der nördlichen Taklamakan-Wüste – Doch wo ist die Wüste geblieben?

Rainer und ich haben heute die Busse getauscht. Im Team „Shanghai“ sind heute die Geologie, die Morphologie der zu durchfahrenden Landschaft und die Botanik angesagt. Rückblicke auf die vergangenen Tage, das aktuelle Landschaftserlebnis und einen Ausblick auf die Sanddünenfelder bei Dunhuang sind die Themen im Bus.
Ein erster, kulturell ausgerichteter Stopp, führt uns morgens in die Ruinenstadt Subashi. Von den Klosterruinen sind nur noch wenige Reste erhalten geblieben und es bedarf schon einer größeren Vorstellungskraft, sich hier eine intakte Klosteranlage mit seinem Leben vorzustellen. Die wenigen Mauerreste und die Artefakte einer Stupa aus luftgetrockneten Lehmziegeln gehen farblich in den Beigetönen der Landschaft unter.
Doch da erregen niedrige, kriechende Pflanzen mit auffallenden, weißen Blüten die Aufmerksamkeit. Es handelt sich hier um die Kapern-Pflanze. Schnell wird vor Ort ein kleiner botanischer Exkurs eingelegt. Die Blüten und vor allem die noch nicht geöffneten Kapernknospen haben wir genau betrachtet, doch Knospen gesammelt haben wir keine. Ergo: Heute Abend gibt es keine Königsberger Klopse mit Kapern. Schade? Ganz und gar nicht, denn am Abend werden wir in einem uigurischen Restaurant in Korla köstlich speisen.
Wir setzen die rund 300 km lange Fahrt fort. Links in Fahrtrichtungen die vegetationslose Kette des Tienshan-Gebirges. Diese südliche Gebirgskette aus rotem Sandstein wird stark von Erosionsrinnen bestimmt. Weite, flache Schuttfächer ziehen sich bis weit in die Senke, links zu unserer Fahrtrichtung, hin. Zahlreiche Wadis queren unseren Weg. Eine fast unwirkliche, lebensfeindliche Landschaft aus tiefen Furchen und Rinnen in dem ausgetrockneten Boden bestimmen das Bild. … Und dies stundenlang auf unserer Fahrt über die gut ausgebaute Autobahn G3012 Richtung Osten. Am Horizont Richtung Süden erkennen wir größere, zusammenhängende Grünflächen. Es sind Pappelanpflanzungen, die als Windschutzhecken angelegt wurden, um die bewässerten Felder einer Oase vor Sand- und Staubstürmen und vor allem vor einer allzu großen Austrocknung zu schützen. Hier tritt das Grundwasser, das weit vom Hauptkamm des Tienshan-Geriges kommt, an Tageslicht. Hier kann der Mensch leben und wirtschaften. Dort, wo kein Oberflächenwasser zur Verfügung steht, ist alles trocken und grau-braun. Der Boden ist überall mit zugerundeten Geröllen und Sandablagerungen bedeckt. Einige wenige Polsterpflanzen und Horstgräser behaupten sich mit niedrigem Wuchs in dieser kargen, trostlosen Landschaft. Ja, auch dies ist eine Wüste! Eben die Taklamakan. Hier im nördlichen Teil dieser Wüste will das Bild, das man von einer Wüste vor dem inneren Auge hat, nicht so recht zusammenpassen. Dennoch war dieser Abschnitt ein bedeutender Teil der alten Seidenstraße. Kamelkarawanen zogen mit ihren Handelsgütern dahin und mieden, sofern möglich, die Routen durch die zentrale Taklamakan, die dort aus weiten Sanddünenfeldern besteht. Eine kleine Ausführung über Wüsten im Allgemeinen verdeutlichte, dass nur rund 10% aller Wüsten aus Sand bestehen. Landschaftsbestimmend sind die unendlich großen Flächen mit Fels, Schutt und fluviatilen Kiesel-, Ton- und Sandsteinen. Schön poliert und geölt oder dekorativ aufgeständert, findet man die besonders von der Natur gezeichnete Steine unterwegs in den kleinen Geschäften und Verkaufsständen entlang der alten und neuen Seidenstraße. Die Einheimischen erfreuen sich an der Ästhetik dieser Steine. Für uns ein Blickfang, aber eine Mitnahme nahezu ausgeschlossen. Das Limit an Frei-Fluggepäck wäre ganz schnell übersc hritten.
Stunde um Stunde vergehen. Die vorbeiziehende Landschaft verändert sich kaum. Man findet Zeit im Roadbook zu blättern, weiterführende Literatur zu studieren oder ganz einfach auch mal ein „Nickerchen“ einzulegen, natürlich unterbrochen von den fast schon traditionellen Kaffeepausen mit Knabbereien, erfrischenden Melonen und/oder dem Genuss von dem unterwegs erworbenen Trockenobst.
Dann ist am späten Nachmittag unser Ziel, die rund 410.000 Einwohner zählende Stadt Korla, erreicht. Alte Bebauung, neue Hochhäuser, Abrissviertel und breite mit Bäumen bestandene Straßen sowie ein turbulenter Straßenverkehr bestimmen nun das Bild. Wir checken schnell im Hotel ein. Nach dem köstlichen, am runden Tisch servierten uigurischen Abendessen, bleibt noch genügend Zeit über die Promenade entlang des kanalisierten Konqi-Flusses zu flanieren. Auf dem zwei Kilometer langen Weg zwischen unserem Hotel und der Löwen-Brücke sind wir nicht die Einzigen. Jung und Alt , Männer, Frauen und Kinder – alles Einheimische und keine Touristen – nutzen diese langgestreckte, grüne Fußgängerzone um sich zu entspannen, miteinander zu unterhalten, zu singen, zu tanzen und zu musizieren. Ein elektrisches Klavier bzw. Keyboard im Schatten der Bäume steht jedermann zur Verfügung. Ein etwa 7-jähriges Mädchen setzt sich wie selbstverständlich an das Musikinstrument und beginnt zu spielen. Sehr gut gespielte klassische Musik erkling: Mozart, Bach und Beethoven. Das für unsere Ohren helle, zum Teil auch schrille und meist auch laute Stimmengewirr der anwesenden Chinesen verstummt – Macht man die Augen zu, man vermutet nicht bei der „Laien-Pianistin“ ein kleines Mädchen und schon gar nicht, dass man sich weitab von unserer vertrauten , heimischen Welt in der chinesischen Provinz Xinjiang, mitten in Zentralasien, befindet.

~Wolfgang Pohl, ZEIT-Reiseleiter

Tag 33: 17.6.2019

Von Korla nach Turfan

Wie immer pünktlicher Aufbruch von Korla. Zunächst Fahrt durch Landwirtschaftsgebiet, dann zunehmend Wüste. Links die Berge des Tianshan rechts die Taklamakan Wüste. Pappeln beidseitig, zahlreiche Zementfabriken, erforderlich für den rasanten Aufbau hier. Die parallel laufende Bahnlinie ist jetzt elektrifiziert mit regem Verkehr besonders langer Güterzüge. Rainer erzählt gewohnt spannend über die Geschichte Chinas seit Gründung der Republik, deutsch-chinesische Beziehungen und Minderheiten in China. Die längste der fünf Polizeikontrollen heute dauert zwei Stunden sodass die Besichtigung des Karez-Bewässerungs-Systems für die Turfansenke, unserem heutigen Ziel auf morgen verschoben werden muss. Die Zeit reicht nicht aus. Zwei der Parallelen Ketten des Tianshan werden überquert. Wieder sind wir fasziniert von der gigantisch zerklüfteten Felslandschaft in Oker, Rot und Lilatönen. Von der Passhöhe 1700 m senkt sich die Straße allmählich zur Turfansenke. Das ist eine grüne Insel umgeben von Wüste und Gebirge. Uns empfängt sie mit 42 Grad und kräftigen Winden. Dieser wir durch gigantische Windparks genutzt. Kilometer weit fahren wir durch den Windturbinenwald. Das schön gelegene Hotel mit umgebenden Park bereitet uns einen netten Empfang mit angenehmen und vor allem kühlen Räumen.

~Christoph Olbricht, ZEIT-Reisender

Tag 36: 20.6.2019

Von Hami nach Dunhuang

Eigentlich haben wir heute nichts erlebt!

Aufbruch gegen 9 Uhr aus Hami, einer wenig aussagekräftigen Stadt im uigurischen Nirgendwo an der Ostgrenze der „Unruheprovinz“ Xinjiang. Innerhalb von 15 Jahren durch Zuzug von Han -Chinesen von 200.000 auf fast 500.000 Ew. angewachsen.
Dann 200 km Fahrt auf glatter chinesischer Autobahn. Bis auf die üblichen polizeilichen „Bemühungen“ verlief die Fahrt unauffällig. Links und rechts zeigt sich die östliche Randseite der Gobi in flacher, sandig-brauner Unendlichkeit. Nach einer letzten Kontrolle wechselten wir die Provinzen und begrüßten Gansu. Die Autobahn knickt nach Südosten ab. Links und rechts Gobi! Der Bus fährt geradeaus und man gerät ins Nachdenken: Lange Tage durch Steppe, karges Land, abhängig von seinen knappen Wasservorräten, geplagt durch einen zwar korrekten, jedoch lästigen und behindernden Polizeiapparat – ist das das gleiche Land, das vor 20 Jahren die hochentwickelte deutsche Atomtechnik übernommen und weiterentwickelt hat, weil sich Deutschland politisch gegen diese Form der Energiegewinnung entschieden hat? Welcher Weg wird sich zukünftig erfolgreicher erweisen – der deutsche oder der von fast allen Industriestaaten und den BRICS-Staaten eingeschlagene Weg? Die Zukunft wird es zeigen.

Wir fahren schon tagelang auf gut ausgebauten Autobahnen dahin. Welch ein Unterschied zu den zentralasiatischen Anrainerstaaten! Ende der 1980er Jahre hat China im Rahmen der VW-Ansiedlung die ersten 30 km Autobahn gebaut. Heute besitzt China 120.000 km, USA 90.000 km und Deutschland 70.000 km Autobahnnetz. Ich denke mit leisem Grauen allein an die Genehmigungsverfahren in unserem Heimatland.

Wir haben über die Verbesserungen des Gesundheitssystems gehört, die strukturelle Ähnlichkeit des Steuersystems, die unterschiedlichen Entwicklungen der städtischen und ländlichen Gesellschaft. In den Städten entstehen Altenheime, die der familiengeprägten chinesischen Gesellschaft eigentlich fremd sind. Die Scheidungsraten steigen an, während hier im „Wilden Westen“ Chinas noch traditionelle Ehen von den Eltern verabredet werden – wie früher.

Das Denken dauert nun schon zwei Stunden an – an beiden Seiten der Autobahn hat sich nichts Wesentliches geändert. Braungelbe Wüste so weit das Auge reicht. Diese trockene Landschaft begleitet uns in wechselnder Ausprägung nun fast schon 2.000 km – und wir haben China noch nicht zur Hälfte durchquert. So viel trockenes Land, so viele Menschen, so viele Schwierigkeiten und so viel wirtschaftlicher Erfolg! Rechtfertigt das alle Maßnahmen, die staatlicherseits ergriffen werden? Umerziehungslager, Sippenhaft, Informationssperren! Wie viel ist wahr? Ist die bizarre Polizeikontrolle sinnvoll oder Unterdrückung?

Unser Denken wird unterbrochen: Wolfgang Pohl gerät in einen geistigen Meteoritenschauer. Er hat bei einem guten, deftigen Mittagessen an einer Raststätte einen Meteoriten-Glückskauf gemacht und fühlt sich nun bemüßigt, uns ganz schnell zu Hobby-Geologen auszubilden. Der ganze Bus hört interessiert, überfordert, geduldig und erschöpft zu. Wes das Herz voll ist – des geht der Mund über.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ein Mitreisender vom Team Shanghai uns einen lebhaften und sehr informativen Vortrag über seine eigenen Erlebnisse als Chemiker und Patentanwalt im Umgang mit chinesischen Firmen gehalten hat. Man sollte Geschäftsleute, die im Arbeitsauftrag in ferne Länder fliegen nicht nur beneiden.
Nach einer ansonsten störungsarmen Fahrt landen wir wohlbehalten in Dunhuang, einer alten Seidenstraßensiedlung, an der sich schon vor tausend Jahren die nördliche und die südliche Seidenstraße trennten. Dass beim folgenden, üppigen Abendessen Bier und Reiswein nicht fehlten, versteht sich von selbst.
Wie gesagt: Aufregendes haben wir heute nicht erlebt.

~Eberhard und Ursula, ZEIT-Reisende

 

Tag 37: 21.6.2019

Dunhuang

Erst mal große Enttäuschung am Morgen, es hatte geregnet, war kühl und sah grau aus, dabei wollten wir doch auf die Dünen und zu den Buddhagrotten von Dunhuang. Letztere sollen bei Regen geschlossen sein, damit nicht zu viel Feuchtigkeit hineingetragen wird.
So ging es zunächst einmal zu den Dünen, trocken war es inzwischen. Aber der Tag hatte seine Macken; als wir auf den Parkplatz einbogen, musste uns ein Chinese eben mal rechts überholen – und dann knirschte es. Niemandem war etwas passiert, aber die Autos sahen etwas lädiert aus, Polizei musste kommen, um die Schuldfrage zu klären, ein großes Palaver. Der arme Daniel schlich ziemlich geknickt herum, auf ihn kam ein Haufen Ärger zu.
Wir wurden abgesetzt, um die Dünen zu erobern, mit uns Tausende Chinesen, wir waren schon mal bedient von dem Gewusel. Aber alles ist bestens organisiert, und bald fand jeder das, was er gerne machen wollte: Einige meldete sich zu einem Rundflug über das Gelände mit einem Ultraleicht- Flugzeug an, viele der übrigen kletterte lieber auf die Dünen, andere machten einen Kamelritt oder spazierten nur zum Mondsichelsee mit der Pagode, oder man konnte mit einem Buggy durch die Dünen heizen. Alles verlief sich ein bisschen, und neben den „Aktivdünen“ gab es genug andere, die in unberührter Schönheit dastanden und zum Gucken einluden. Natürlich fehlte die Sonne ein bisschen, aber es herrschte so eine angenehme Temperatur.

Oben von der Düne hatten wir einen herrlichen Überblick über die ganze Umgebung und auch auf See und Pagode, wir wollten gar nicht wieder runter, aber dann lockte doch der Abstieg, das Hinuntergleiten durch den Sand ist schon herrlich – und geht wesentlich leichter als das Hinaufsteigen!


Interessant waren an der Pagode einige Wüstenpappeln (Populus euphratica Oliv.), es gibt nur noch wenige, aber hier wachsen sie, wurzeln sehr tief und besitzen 5 verschiedene Arten von Blättern, je nachdem, wo sie hängen. Wir entdeckten nur zwei Formen, wirklich sehr unterschiedlich, man sollte nicht glauben, dass sie zu einem Baum gehören.

Die Zeit war verflogen, der Bus freigegeben, die Schuldfrage geklärt (Daniel hatte keine!), die Versicherungsexperten der beiden Parteien hatten den Schaden geschätzt; wir konnten weiterfahren, allerdings ohne Daniel, der verbrachte den Rest des Tages zusammen mit unserem chinesischen Reiseleiter Kun bei der Polizei.

Nach dem Essen fuhren wir zu den Buddhagrotten, natürlich ein Weltkulturerbe, und sehr gut erhalten. Es ist zwischen den Jahren 366 und 1400 entstanden, dann lange Zeit in Vergessenheit geraten und erst etwa 1900 wieder entdeckt worden. In der „Bibliothek“ fand ein Mönch eingemauerte Schriftrollen, die heute weitgehend in England lagern und viel zu unserem heutigen Wissen um Leben und Lehre aus der damaligen Zeit beigetragen haben.
Auch hier waren wir nicht allein, unsere Führerin berichtete von etwa 10.000 Besuchern täglich (!). Sie führte uns durch 8 Grotten mit bunten Buddhastatuen, ausgemalten Decken – alles Geschichten aus Buddhas Leben und seiner Lehre, für uns ein wenig fremd, aber mit einer Erklärung verständlich. Ein Jammer, dass man nicht fotografieren durfte!
Wir sahen den drittgrößten sitzenden Buddha, um die 46m hoch, der heute in einer Pagode steckt, er ist an den Füßen etwas renoviert, und man möchte ihm gern die Fußnägel schneiden ….
Den Schlusspunkt der Führung bildete ein liegender Buddha, was ausdrückt, dass Buddha ins Nirwana entrückt ist. Viele Figuren stehen um ihn herum und verabschieden sich von ihm.
Natürlich gab es auch einen Bookshop am Schluss, und da wir nicht fotografieren durften, hat der Laden mit entsprechenden Postkarten und Büchern ein gutes Geschäft gemacht.

Für den Abend war uns eine Überraschung angekündigt worden – und es wurde eine! Wir fuhren noch einmal zu den Dünen, an eine andere Stelle, wo kleine Lokale direkt am Rande lagen. Es gab ein Abendessen im Freien, und da die Sonne inzwischen herausgekommen war, bekamen wir die Dünen doch noch im Abendlicht zu sehen.
Man konnte zwischendurch noch allerlei unternehmen, z.B. eine Buggyfahrt machen – aber das war echter Nepp; für drei Minuten 120 Yuan war nicht wirklich preiswert. Da war es schon lohnender, noch einmal auf eine kleinere Sanddüne zu klettern und von dort den Sonnenuntergang zu bewundern.
Als es wirklich dunkel geworden war und die Sterne funkelten, wurde noch ein „Sonnwendfeuer“ angezündet und eine Art kurzes Feuerwerk 🧨 veranstaltet.

Das war ein schöner Abschluss für einen – bis auf den Anfang – wundervollen Tag.

~Ingrid Lemke, ZEIT-Reisende

Tag 38: 22.6.2019

Von Dunhuang nach Jiayuguan

Gestern, nach einem gut gemeinten, aber misslungenem, abendlichen BBQ an der wunderschönen „singenden Düne“ in Dunhuang (Disco-Atmosphäre, lärmende „Buggies“, „magere“ Verköstigung), geht es heute bei herrlichem Sonnenschein von Dunhuang nach Jiayuguan. (ca. 370 km)
Ein weiterer Reisetag, an dem ich versuche mein Gefühl für das Reisen im ursprünglichen Sinn des Wortes wiederzufinden.
Ich schließe die Augen, genieße das sanfte Wippen und leise Brummen der Motoren des Busses und lasse sie gehen — die Gedanken — ist das nicht schön
Längst verlernt, stimmt’s?


Ich könnte noch weiter träumen, doch lieber zu den Fakten, den nackten, sonst sind die Pragmatiker im Bus mir bös.
Abfahrt 9.00 Uhr vom Hotel.
Die Fahrt führt aus Dunghuang heraus durch oberflächenbewässerte grüne Felder, den Hexi Korridor entlang, durch die Provinz Ganzu.

Schon nach den ersten 100 km warten wir vergeblich auf die erste Polizeikontrolle. Die findet nicht statt! Angenehm!
Das Reisen macht wieder mehr Spaß. Buddha und dem Gouverneur der Provinz Ganzu Herrn Renjian Tang sei Dank.
Weiter geht die Fahrt durch wüstenartige, als auch grüne, durch das vom Gebirge herangeführte Wasser, begünstigte Abschnitte. Vorbei auch am “Doppelpagoden – Stausee”, Richtung Mittagspause. Und schon beginnt er, im Restaurant, — der Kampf mit der Nudel der Chinesen. Rot ist sie oft, gefärbt von frischer Soße mit Gemüs’, oder hell in der Suppe. Und dann passiert’s: Vom Ehrgeiz angestachelt greifen wir zu den Stöckchen der Asiaten — Die Ehefrauen sehen’s!
“Carsten”, “Wolfgang”,” Eberhard” ….”Das Hemd ist frisch gewaschen und gebügelt!“
Die Bemerkung, (sie ist „gut gemeint doch bös zu hören“ W. Busch) lässt uns zucken und da gleitet sie — die Nudel, fett und glitschig, nicht zu halten, vorbei am Hemd auf unsere Hosenfalten.
Augenblicklich sind wir satt!
Freunde nehmt’s gelassen, mit dem “Gezehe” ist eine Nudel schwer zu fassen!
Auf geht es zu den Besichtigungen in Jiayuguan.

Die Festung Jiayu Guan

Erbaut ab dem Jahr 1372. Man benötigte 160 Jahre für Ihre Fertigstellung. Sie lag strategisch günstig, an der engsten Stelle des Hexi Korridors, mit guter Süßwasserversorgung durch den nahegelegenen See.
Die heutige, restaurierte Anlage ist von einer äußeren und inneren Mauer (ca. 730 Meter lang und 10 bis 16 Meter hoch) umgeben und jeweils durch ein großes Tor zugänglich.
Die Anlage beherbergte zeitweise bis zu 30.000 Soldaten und bildete somit einen wirksamen Schutz des Hexi Korridors.

Die 2. Große Mauer

Es handelt sich hier um den westlichsten Teil der Großen Mauer, (dem größten Bauwerk der Welt, mit einer Länge von ca. 6.000 km) der auf dem schwarzen Berg 1540 erbaut wurde und aus Lehm und einer Mischung von übereinander geschichteten Büschen und Sträuchern bestand.

Ursprünglich bestand eine Verbindung zur Festung Jiayu Guan.
Das restaurierte Teilstück ist ca. 700 m lang, teilweise sehr steil und wurde mutig von fast allen Zeitreisenden erklommen.

Den gelungenen Tag ließen wir im Holiday Inn Restaurant ausklingen und einige von uns wagten danach sogar noch ein Tänzchen mit Einheimischen, auf dem parkähnlichen Platz, vor unserem Hotel.

~Annette und Carsten Algermissen, ZEIT-Reisende

Tag 39: 23.6.2019

Geopark und Zhangye

Die reine Fahrzeit war heute nicht sehr lang, weitgehend unspektakulär, aber interessant in der Abwechslung von Ödland, reichem Ackerland, wo es Wasser gab, und Industrieanlagen. Wir sahen beispielsweise riesige Solaranlagen.

Am Nachmittag wollten wir den Geopark von Zhangye besuchen. Ich war sehr gespannt, denn in unserem Roadbook ist ein Bild abgedruckt, von dem ich mir nicht vorstellen konnte, dass es solche Farben in der Natur gäbe. Gab es auch nicht! In Wirklichkeit sind sie viel schöner, natürliche Erdfarben – aber in Formen und Farbintensität gewaltig!

Auch hier waren wir nicht allein, aber die Organisatoren des Parks wissen, wie man die Menschenströme kanalisiert, es gab Busse, die uns durch das ziemlich große Gelände kutschierten, vier Haltestellen an den schönsten Aussichtspunkten, die man über Treppen und Holzstege erreichte. Das hatte den Vorteil, dass man immer einen Platz am Geländer fand, den einem niemand verstellen konnte.
Wir hatten drei Stunden Zeit, uns alles in Ruhe anzugucken, jeder lief nach seinem Gusto, und man konnte gar nicht aufhören zu fotografieren. Zwar sollen die Farben bei Sonne noch intensiver sein, aber die Wolken hielten die Hitze etwas ab – und es gab immer mal Momente, wo sie durchkam. Spektakulär waren die Farben in jedem Fall.


Schön ist bei unserer Gruppe, dass alle immer rechtzeitig am Treffpunkt erscheinen, so fuhren wir auch pünktlich weiter zu unserem Hotel in Zhangye.

Nach dem Abendessen machten wir noch einen ausgiebigen Bummel durch die Stadt, mit uns alle Einwohner, sonntäglich angezogen mit Kind und Kegel. In der Regel hat man in der Stadt freiwillig nur ein Kind, das dann mit allem ausgestattet wird, was es Gutes gibt.
Nett waren auf einem großen Platz Wasserspiele, erst nach chinesischer Musik, später erkannte ich Offenbach und Teile aus der Carmina Burana. Die Kinder machten sich einen Jux daraus, durch die Wasserstrahlen zu laufen und sich gegenseitig anzuspritzen. Es ist ja warm …..


Gegen halb zehn Uhr wurde es spürbar ruhiger, viele Geschäfte schlossen, was nicht heißt, dass man nicht noch beim Friseur sitzen und sich eine neue Frisur verpassen lassen kann – Sonntag Abend!

~Ingrid Lemke ZEIT-Reisende

Tag 40: 24.6.2019

Von Zhangye nach Lanzhou

Der Tag beginnt fast ein wenig meditativ. Wir besuchen mitten im Geschäftsviertel von Zhangye eine gut erhaltene Tempelanlage aus dem 12. Jh., der Blütezeit des Buddhismus im damaligen China. Dieser wurde auf der Seidenstraße von Indien mitgebracht. Je weiter sich diese Religion gegen Osten ausbreitet, je mehr wurden die Begriffe in Bildern und Statuen dargestellt, was in Indien damals verpönt war. Auf dem Eingangsportal steht in großen chinesischen Zeichen „Nirvana“. So erwartet uns hier ein liegender Buddha, der Nirvana verkörpert, der höchsten Stufe der Erleuchtung und Überwindung der Wiedergeburten. Auf der Seite liegend sind die Augen dieses Buddhas leicht geöffnet, das Gesicht in friedvoller Gelassenheit. Die Größe, sprich Länge der Figur von beinahe 35 m strahlt nicht Macht, sondern Ruhe aus.

Großer Buddha von Zangye

Über die Jahrhunderte drohten wiederholt Zerstörungswellen insbesondere 1234 durch Dschingghis Khan und vor allem der Kulturrevolution 1966 durch die Roten Garden. Da eine Nonne wertvolle Schriften und Gegenstände bei dieser Bedrohung im Bauch des liegenden Buddhas versteckte, wurde die kunstvolle Figur wegen diesen zu schonenden Antiquitäten nicht zerstört.

Gegen 11 Uhr starten wir für die lange Tagesetappe von über 500 km nach Lanzhou. Die halbe Belegschaft der Hotelrezeption steht bereit und winkt zum Abschied. Leichter Nebel verschleiert die Landschaft, so passend zu unserem Buddha-Bildnis. Es ist außergewöhnlich ruhig im Bus: nichts wollen, nachschlafen oder die Fragen zulassen, was so typische buddhistische Stichwörter auslösen, wie „loslassen, nicht anhaften, Mitgefühl, Achtsamkeit“.

Fahrt nach Lanzhou entlang der alten Mauer und des Gelben Flusses

Über lange Strecken beobachten wir Fragmente der ursprünglichen Mauer mit Feuertürmen, von denen aus damals Nachrichten übermittelt wurden. Wir überqueren die letzten Geröllhalden der Wüste. Die Straße steigt langsam an zur Passhöhe Washuo Ling auf 2700 m und führt über Brücken und durch Tunnels in eine hügelige Landschaft. Die Vegetation ist saftig grün und äußerst fruchtbar. Wir kommen in das Einzugsgebiet des Huang Ho, der wegen seines Lößgehalts Gelber Fluss genannt wird. Ein Starkregen begleitet uns plötzlich. Die Einfahrt in die 2,7 Mio.-Stadt Lanzhou erschlägt uns fast. Ein Hochhausquartier reiht sich an das andere.
Was für Gegensätze wir am selben Tag erleben: meditative Ruhe, eintönige Landschaft, Dürre, Regen und die turbulente Großstadt am Gelben Fluss!

~Irmgard G. und Anne L., Zeitreisende

Tag 42: 26.6.2019

Von Lanzhou nach Maiji

Kurz nach 9:00 Uhr verlassen wir Lanzou und den Gelben Fluss. Es regnet.
Neben Wolfgang Pohl, Huang Yong und unserem lokalen Reiseleiter Wolfgang begleiten uns heute Sandra Kreft (Verlagsleiterin Magazine und neue Geschäftsfelder bei der ZEIT) und Liu Guosheng (Inhaber von China Tours).
Mit ihren unterschiedlichen Beiträgen helfen alle die wieder lange Fahrstrecke von etwa 380 km zu überbrücken, zum Beispiel mit Berichten über die Geologie der Landschaft, Frühstücksgewohnheiten der Chinesen, die Geschichte und die verschiedenen Richtungen des Buddhismus, das Leben der Menschen in der Provinz, durch die wir fahren.
Die Strecke führt an einem Fluss entlang. Landwirtschaftliche Nutzung des fruchtbaren Lössbodens, bäuerliche Ortschaften und moderne Hochhaussiedlungen sowie Industriebereiche wechseln einander ab. Auffallend ist die terrassierte Landschaft mit zahlreichen Taleinschnitten. In der Mittagspause bietet die Autobahnraststätte ein Buffet statt der sonst üblichen Nudelgerichte.
Über eine kurvenreiche Nebenstrecke mit schmalen Schluchten erreichen wir Tianshui, eine über 40 km lang gestreckte Stadt mit etwa 3,8 Millionen Einwohnern.
Weiter geht es bis zu den Maijishan- Grotten. Die Grotten stammen aus der Wei-Dynastie vom 5. -7. Jh. Sie gehören mit den fast 200 Höhlen und den über 7000 Statuen zu den acht größten Buddha -Grotten Chinas.

Wir sind beeindruckt von den weit oben in den steilen Fels gehauenen Höhlen.

Nach der Besichtigung der Grotten verabschieden wir uns von unserem lokalen Reiseführer Wolfgang und fahren in das landschaftlich idyllisch gelegene Hexieyuan Hotel.

~Marion und Jürgen, ZEIT-Reisende

Tag 44: 28.6.2019

Xi‘an

Wir sind in Xian. Endlich können wir diese berühmte Stadt erleben: Das historische Zentrum der Seidenstraße, die erste Hauptstadt des Kaiserreiches. Schon vor 2.000 Jahren war Xian mit 2 Millionen Einwohnern eine der größten Städte der Welt, eine internationale Handelsmetropole. Hier wurden die riesigen Karawanen auf ihren langen und gefährlichen Weg indem Westen zusammengestellt, hier wurden die Kaufleute mit ihren kostbaren Waren nach monatelanger Reise mit großem Pomp empfangen. Heute ist Xian mit 10 Millionen Menschen eine moderne Großstadt mit vielen Baudenkmälern, in der man die Geschichte nachempfinden kann.
Entsprechend hoch sind unsere Erwartungen an den heutigen Tag mit einem vollen Programm.
Zum Auftakt besuchen wir eine Jadeschleiferei. Der Schleifer bei seiner Arbeit erfuhr nur kurz unsere Aufmerksamkeit, viel spannender war der Ausstellungsraum mit Schmuck und Schnitzereien aus hochwertiger Jade, die viele von uns in einen wahren Kaufrausch versetzte. Unser Guide Huang hatte seine liebe Not, die Gruppe wieder in den Bus zu bekommen.
Und dann geht es endlich zur berühmten Terrakotta-Armee etwas außerhalb der Stadt. Inzwischen kennen wir ja schon die großartige Organisation, mit der in China riesige Touristenströme störungsfrei geleitet werden. Doch der Andrang hier bricht alle Rekorde. Große Massen drängen sich in die Hallen. Es ist laut, es ist voll, von den aufgereihten Soldaten ist vor lauter Gedränge zunächst kaum etwas zu sehen. Erst allmählich können wir einen Platz in den vorderen Reihen erkämpfen und dann erkennen, was dort zu sehen ist. Wir sind froh über unsere “Hörgeräte”, über die uns Huang mit hilfreichen Informationen versorgt. Diese Tonarmee aus 6000 Soldaten, von denen etliche in Reih und Glied vor uns aufgestellt sind, wurde vor 2000 Jahren unter dem Gründer und 1. Kaiser des Reiches der Mitte von 700.000 Frontarbeitern geschaffen.
Die Körper der Soldaten wurden in Massenfertigung hergestellt. Die Köpfe und Gesichter wurden individuell gefertigt nach Bildern von den Soldaten der kaiserlichen Garde, ausgesucht großen und kräftigen Männern. Wir sind total fasziniert. Diese Leistungen machen uns fassungslos, zumal wir hören, dass die Arbeiter am Ende allesamt getötet wurden, um diese gewaltige Anlange geheim zu halten. Tatsächlich wurde sie erst 1975 durch Zufall entdeckt. Wir erfahren auch, dass die Archäologen nur Scherben vorgefunden haben, die sie nun in mühevoller Arbeit Stück für Stück zusammenfügen. Die Ausgrabungen haben erst einen geringen Teil der Armee freigelegt. Besonders wertvolle Artefakte sind in Vitrinen ausgestellt. Unser größtes Interesse finden zwei von jeweils vier Pferden gezogene Kutschen für kaiserliche Inspektionsfahrten in halber Lebensgröße, unglaublich feine Bronzearbeiten. Unfassbar auch ein verchromtes Schwert – 2000 Jahre alt – wenn man bedenkt, dass erst 1937 das Verchromen in Deutschland erfunden wurde.
Nach gut 2 Stunden sind wir ziemlich ermattet von den vielen Eindrücken. Auf dem Weg zum Mittagessen passieren wir den Hallo-Markt. Wir widerstehen all dem angebotenen Touristenkitsch, kaufen aber einen Fotoband mit dem Vorsatz, uns später eingehender mit der Terrakotta-Armee zu befassen.
Wir fahren zurück in die Altstadt und passieren die riesige Stadtmauer. Wir gehen durch das muslimische Viertel und lassen uns einfangen von dem orientalischen Flair mit engen, lebhaften Gassen, kleinen Garküchen, Geschäften mit Süßigkeiten, Tintenfischen am Spieß und anderen unbekannten Speisen. Wir freuen uns über die vielen freundlichen Menschen, fotografieren sie und lassen uns gern von ihnen fotografieren.
Inmitten dieses lebhaften Viertels liegt die Große Moschee, für uns nicht erkennbar. Sie ist im klassischen chinesischen Stil gebaut, wie ein Tempel, etwa 1.500 Jahre alt. Das Minarett ist ein Pavillon mit Pagodendach. Wir sind beeindruckt von der Ruhe und Schönheit des kleinen Parks, der die Moschee umgibt.
Auf dem Basar sehen wir Jürgen, der über den Kauf eines kleines tönernen Instruments verhandelt. Schließlich kauft er das uns gänzlich unbekannte Gerät. Der zufriedene Verkäufer spielt auf der, wie wir nun wissen, Okarina, eine wunderschön warme Melodie.
Angelika ist begeistert und kauft spontan ebenfalls so ein Instrument.
Am Abend genießen wir ein vielgängiges Maultaschenmenü mit Reiswein. Die Mehrheit der Gruppe verbindet dies mit dem Besuch einer Musik- und Tanzrevue, während wir es vorziehen, ins Hotel zurückzukehren.
Nach einem übervollen Tag müssen wir unsere Eindrücke und Gedanken sortieren.

~Angelika und Wolfgang Barenberg, ZEIT-Reisende

 

Tag 46: 30.6.2019

Von Luoyang nach Xuchang

Bei Gesprächen am Frühstückstisch und auch schon am Vortag wird offensichtlich dass die Sättigungsgrenze für neue Eindrücke bei manchen bald erreicht zu sein scheint. Bei der Vielfalt überwältigender Eindrücke ist dies nicht völlig überraschend .
Wirkliche Probleme beim Umgang miteinander kann ich in der Gruppe nicht wahrnehmen. Die angekündigte soziale Herausforderung wird also gut gemeistert. Auch die Zeitdisziplin ist immer noch gut. So fahren wir wie vereinbart kurz nach 9 Uhr los. Die Temperatur ist bereits 30 Grad und steigt bis auf 35 Grad an.
Dies störte die Besichtigung des Shaolin Klosters aber nicht. Es ist über 1.500 Jahre alt und Wiege des Zen Buddhismus mit enormer Strahlkraft und Reputation in ganz Ostasien. Es dämmerte allerdings lange vor sich hin, war dem Verfall preisgegeben und hatte zuletzt nur noch zwei Mönche. Seit 1983 erfolgte eine spektakuläre Wiederbelebung durch die Kung-Fu Filme mit Bruce Lee deren erster in den verbliebenen Gebäuderesten gedreht wurde. Der Erfolg war in China überwältigend. Es folgten rascher Wiederaufbau, Wiederaufnahme der alten Kung-Fu Tradition, die hier im Kloster begründet wurde und Zunahme der Mönche auf über 300. Noch imposanter: Eine Kleinstadt von privaten Kung-Fu Schulen entstand beim Kloster, deren größte alleine 20.000 Schüler hat. Wir ließen uns durch Vorführungen der Schüler begeistern und wurden beim großen Mittagsappell einiger hundert Schüler nett von diesen begrüßt. Es bleibt die bittere Erkenntnis wie ungelenk wir sind. Naja – wir sind ja alle ziemlich viel älter, aber das ist kein wirklicher Trost.
Eindrucksvoll auch der unterhalb gelegene Friedhof für herausragende Mönche: 220 bis über 1.000 Jahre alte Grabpagoden.
Der Tag endet für viele in den Thermalquellen des Hotels. Ein weiterer Tag mit starken Eindrücken begleitet von witzigen und kenntnisreichen Ausführungen unseres chinesischen Begleiters Kun; ein Vergnügen!

~Christoph Olbricht, ZEIT-Reisender

Tag 48: 2.7.2019

Von Bengbu nach Nanjing

Wie beurteilt man den kulturellen „Leistungsstand“ eines Volkes, eines Kulturraumes? Viele Möglichkeiten sind vorgeschlagen: Dichtkunst, Musikgestaltung, Bildende Künste und wohlorganisierte Staatlichkeit.

Wir persönlich berücksichtigen dies alles selbstverständlich im Rahmen unserer Betrachtungen. Zwei Kategorien zur Beurteilung der Kulturbefindlichkeiten haben wir allerdings auf unseren Reisen zusätzlich als sehr aussagekräftig empfunden:

1. Die Ausgestaltung und der hygienische Zustand der sanitären Anlagen und die Bereitschaft Arbeit und Energie in ihren Unterhalt zu investieren.
2. Massagekultur und manuelle Pflegetradition zur Steigerung des Wohlbefindens, der Entspannung und der Regeneration von Körper und Geist.

Bei Kriterium 1 schneidet China in zunehmend besserem Maße ab – je weiter man von West nach Ost kommt, und je mehr man sich in Sternehotels oder im bürgerlichen Kreis aufhält.
Punkt 2 wollten wir heute ausprobieren. Nach glatter Fahrt auf – wie immer – vorbildlichen chinesischen Autobahnen kamen wir gen 15:00 Uhr im Hotel in Nanjing an. Einzelpasskontrolle mit persönlicher Scannererfassung und schon (!)dürfen wir die Zimmer beziehen. Eine Stunde später liegen wir im Massagesalon. Swantje, Eva, Ursula und ich zu viert auf bequemen, großen Liegen. Wir werden versorgt mit dem Tee unserer Wahl, mit Frischobst und reichlich Bonbons, barfuß und erwartungsvoll kommender Dinge harrend. Wir hatten alle vier eine Fußzonenreflexmassage bestellt – 1 Stunde lang! Nur Füße!!
Vier freundliche, kein Wort „ausländisch“ verstehende junge Frauen saßen auf Hockern vor uns und badeten unsere Füße in heißem Wasser. Während die epidermale Schicht aufweichte, begannen die Damen mit Schultergürtel, Hals und Oberarmen. Unglaublich was für spitze Daumen und Ellenbogen! Dann die Füße. Nicht enden-wollendes Verwundern über meine Fußgröße 46/47. Dann begann es: geschlagene 60 Minuten wurde gedrückt, gezogen, gebogen, gezupft, gerupft, akkupressiert, ausgestrichen und Fuß und Wade massiert – manchmal ein bisschen „Aua“ meistens einfach wunderbar. Schließlich heftiges Abklatschen, erneutes Waschen mit warmen Wasser. Einpacken in warme Tücher, tiefe Verbeugung und Abgang mit Gekicher. Es würde mich interessieren wie die China-Mädels meine Beziehung zu den 3 mich begleitenden Damen interpretiert haben. Wir bezahlen für das Vergnügen umgerechnet ca. 18 € und verließen das Etablissement wie auf Engelsohlen schwebend.
Zum Abendessen waren wir uns einig: China ist eine alte Kulturnation! Dass wir am frühen Nachmittag noch das Schiffsmuseum besuchten und über die geschichtlich bewiesene, heldenhaften Flottenexpeditionen des Admirals Zhong He in den Indischen Ozean und bis in den Süden Afrikas informiert wurden, sei nur am Rande erwähnt. Wen frage ich, interessiert ein 600 Jahre alter Eunuch, wenn man im Heute und Jetzt solche taktilen Genüsse erfahren kann?!

~Eberhard, Ursula, Eva und Swantje, ZEIT-Reisende

Tag 49: 3.7.2019

Nanjing

Wir starten heute bei schon um 9.00 Uhr feuchten 29° C in lokalen Bussen zu unserer Stadtrundfahrt. Felix Lee, bis vor einiger Zeit China-Korrespondent der taz und von zeit-online, ist da und wird uns auf unserer Fahrt begleiten.

Nanjing mit seinen mehr als 8,5 Millionen Einwohnern ist die Hauptstadt der Provinz Jiangsu, für uns leider die letzte Provinz, die wir zu sehen bekommen (nach Xinjiang, Gansu, Shaanxi, Henan und Anhui) und eine der reichsten des Landes.
Als Nanjing während der Ming-Dynastie (1368-1644) eine Zeitlang Hauptstadt des Reiches war, galt sie laut Roadbook „mit einer geschätzten Einwohnerzahl von etwa 500.000 Einwohnern als eine der größten Städte der Welt.“ Das ist sie zwar heute nicht mehr, aber nicht einmal Chinesen würden sie als ‚kleine Stadt‘ bezeichnen.
Wir machen uns heute auf um zu sehen, was von dem alten Glanz noch übriggeblieben ist. Fast nichts, wird sich herausstellen, aber dennoch ist diese Stadt eine Reise wert. Bei der Einfahrt in die Stadt gestern hatte ich den Eindruck einer sehr westlichen Stadt, vom Bus aus sahen wir Label von C & A und H+M bis zu Gucci, Prada und Dior.

Zunächst fahren wir zum Konfuzius-Tempel, wobei der Name in die Irre führt, denn der Konfuzianismus ist (im Gegensatz zum Buddhismus und zum Daoismus) gar keine Religion, sondern eher eine Philosophie. Es gibt kein Heilsversprechen für ein wie auch immer geartetes Jenseits, es geht um die Lebenden!

Bei Konfuzius ist alles hierarchisch geordnet. Politisch steht der Kaiser an der Spitze des Staates, darunter die kaiserlichen Beamten, dann die niederen Beamten usw. Die gleiche Struktur sollte in der Familie gelten, mit dem Familienvater an der Spitze (nicht, dass jemand auf die Idee kommt, dort stünde die Frau). Eine Diskussion von ‚unten‘ nach ‚oben‘ gab es nicht, Willkür sollte verhindert werden durch die Moral derjenigen, die die Befehlsgewalt innehatten. Jeder hat, und kennt, seine Position, nutzt sie, aber nutzt sie nicht aus. Soweit die Theorie.

Konfuzius selbst (551-479 v. Chr.) hat dazu nie etwas aufgeschrieben. Was von ihm überliefert ist, wurde von seinen Schülern für die Nachwelt festgehalten. So diente denn auch der ‚Tempel‘ eher zum Unterrichten der Schüler als zur Anbetung. Heute könnte man vielleicht von einer Verehrungshalle sprechen.
Wobei mir aufgefallen ist, dass gar nicht viele Chinesen diesen Tempel (ich bleibe jetzt erst einmal bei diesem Ausdruck) besuchten. Unser lokaler Guide antwortete auf eine dementsprechende Frage, die Chinesen hätten nur noch Geld im Kopf, Moral sei nichts mehr wert. Hierher kämen die Chinesen allenfalls noch, um gute Prüfungsergebnisse zu erbitten.
Dazu hängen Sie dann künstliche rote Äpfel in einen Baum, natürlich mit roten Schleifen, und auf diese Schleifen schreiben sie ihre Wünsche.

Der ursprüngliche Tempel, 1034 errichtet, wurde im 2. Weltkrieg teilweise zerstört, was noch übrig war, fiel dann ab 1966 der Kulturrevolution zum Opfer.
Was wir heute sehen, ist eine Replik aus dem Jahr 1986. Auch die umliegende Altstadt ist zu 90 % nachgebaut worden, im Ming-Stil, mit den für diese Zeit typischen weißen Wänden, schwarzen Dächern und roten Fenstern. Das ist hübsch geworden.

In den kleinen Gassen der Altstadt befinden sich viele Läden und unser lokaler Guide warnt uns vor ‚unstabilen Sozialelementen‘, eine ziemlich originelle Bezeichnung für Taschendiebe, wie ich finde. Ich kann nicht widerstehen und erwerbe 2 sommerliche Anzüge für meine Enkeltöchter.

Unser nächstes Ziel ist das Wohnhaus von John Rabe, 1882 in Hamburg geboren und in den 1930er Jahren Leiter der Siemens-Niederlassung in Nanjing.

John Rabe hat während des Massakers der Japaner an der Zivilbevölkerung der Stadt 1937, dem sog. Nanjing-Massaker, Tausende Chinesen vor dem Tod bewahrt, weil er etliche in seinem Wohnhaus aufgenommen hatte und weiteren in seinem Garten und der näheren Umgebung Schutz gewährte, u.a. in dem er großflächige deutsche Flaggen auslegte, um die japanischen Bomber darauf aufmerksam zu machen, dass dies ‚deutsches Gebiet‘ sei – und die Deutschen waren ja zu dem Zeitpunkt mit den Japanern verbündet.
Er tat das mit Unterstützung eines Rescue-Teams, in dem auch Menschen anderer Nationen vertreten waren, unter anderem ein Dr. John McKenzie, Amerikaner und damals Leiter des Roten Kreuzes der Stadt Nanjing.

Felix Lee bezeichnet John Rabe als den Schindler Chinas. Er wurde von Siemens nach Deutschland zurückbeordert, als er anfing die grauenhaften Einzelheiten dieses Massakers an bis zu 300.000 Menschen öffentlich zu machen. Er verbrachte in Nazi-Deutschland deswegen sogar eine Zeit im Gefängnis und erhielt danach Redeverbot. In Deutschland war er deshalb lange Zeit in Vergessenheit geraten und dementsprechend wurde er auch nicht gewürdigt. Er starb 1950 in Deutschland, isoliert und verarmt.
Aber die Chinesen hatten ihn nicht vergessen. Noch vor seinem Tod besuchte ihn der damalige Bürgermeister der Stadt Nanjing und brachte ihm ein Care-Paket, das er in der Schweiz zusammengekauft hatte. Die Chinesen nennen ihn einen ‚Lebenden Buddha‘.

Als unsere Gruppe das John-Rabe-Haus betrat, wartete dort ein Kamerateam. Wohl kaum auf uns. Nein, es ging um ‚Mr. Reinhardt from Berlin‘, wie mir ein freundlicher Kanadier erklärte. Dieser Christoph Reinhardt entpuppte sich als Urenkel von John Rabe, der, zusammen mit dem Enkelsohn von Dr. John McKenzie, im Rahmen eines internationalen Sommercamps für Jugendliche vom Direktor des John-Rabe-Museums hierher eingeladen worden war. Zwar wurde Christoph Reinhardt die ganze Zeit von Mitarbeitern des Museums und der örtlichen Presse belagert, so dass ich nicht mit ihm sprechen konnte, aber ich hatte das Glück, dass Mr. McKenzie aus Texas Lust hatte zu plaudern. Er kannte die ganze Geschichte schon seit Kindertagen und hat grausame Einzelheiten geschildert, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Er war in Begleitung seiner beiden Töchter gekommen, mit denen er auch schon auf dem Holocaust-Gedenktag in Auschwitz gewesen war. Er hält Auschwitz, die Massaker von Nanjing oder von Pol Pot und auch Trumps Vorgehensweise an der mexikanischen Grenze (ja, die hat er in einem Atemzug genannt, seine Bezeichnung für Trump kann hier allerdings aus Gründen der Sittlichkeit – Konfuzius – nicht wiedergegeben werden) nicht für ein Problem des jeweiligen Landes, sondern für eines der menschlichen Rasse, was die Lösung nicht einfacher macht. Ich habe mich über ein interessantes Gespräch mit einem Philanthropen gefreut.

Wir fahren zum Mittagessen. Auf dem Weg dorthin berichtet unser lokaler Guide von einer Spezialität des Ortes: Entenblut mit Glasnudeln – ich hoffe, es gibt etwas Anderes.
Er berichtet, dass in China täglich 1 Million Schweine gegessen werden und dazu 600 Millionen Kilogramm Reis und 10 Millionen Kilogramm Öl. Wenn Chinesen im Spiel sind, ist alles immer XXL.

Auf unserem anschließenden Weg zu einem Verkaufsraum der Firma BSH (Bosch-Siemens-Hausgeräte) fahren wir durch die Dr.-Sun-Yat-sen-Straße. Unser örtlicher Führer wundert sich, dass wir von dem schon gehört haben, Westler seien an dem doch meist nicht besonders interessiert. Aber wir sind von unseren Reiseleitern natürlich bestens präpariert, denn „in allen Dingen hängt der Erfolg von den Vorbereitungen ab“ (Konfuzius) und „lernen und täglich üben, ist das nicht eine Freude?“ (ebenda).

Felix warnt uns vor. Nach seiner Erfahrung als Journalist sind die deutschen Firmen in China mindestens so verschlossen wie die kommunistische Partei. Schauen wir mal.
Wir erfahren, dass BSH inzwischen eine 100 %ige Boschtochter geworden ist, dass hier in Nanjing verschiedene Haushaltsgeräte produziert werden, 95 % davon für den chinesischen Markt, aber alle Wasch-Trockner, in China sehr begehrt, werden in China hergestellt. Der Leiter der Nanjing-Niederlassung, Herr Roland Gerke, berichtet, dass der Marktanteil ‚seiner‘ Firma größer sei, als der aller anderen internationalen Hersteller zusammen, aber es gibt ernstzunehmende lokale Konkurrenz.

Ich war überrascht, wie viele kluge Fragen selbst den Männern zum Thema Produktion und Verkauf von Haushaltsgeräten eingefallen sind. Es entspann sich ein lebhaftes Gespräch.
Für die deutschen Gäste gab es richtigen Kaffee und als Snack einen ‚sticky rice cake‘ – naja, ich habe ihn probiert. Richtig lecker war aber ein kleiner, fetter Kuchen mit Rosinen, bestehend aus einem Mehl aus grünen Bohnen und Eiern und – ohne jedes Fett!

Unser letztes Ziel für heute ist die 35 km lange alte Stadtmauer aus der Zeit der Ming-Dynastie, die in der Zeit von 1366-1386 erbaut wurde – mit Hilfe von 1 Million Arbeitskräften. Wenn jemand technische Einzelheiten wünscht, kann er sie bei mir erfragen, ansonsten erspare ich euch die.

Wir erklimmen die Stadtmauer und laufen ein Stück darauf lang. Man hat einen schönen Blick auf den See, an dessen Ufer wir dann gemächlich zurücktrotten. Man schwitzt.

Nach dem Abendessen hält Felix Lee noch einen Vortrag über Chinas Weg von 1996 bis heute. Er vergleicht Daten von damals und heute und spricht über einige Meilensteine in Chinas Entwicklung (Rückübertragung von Hongkong, Hainan-Zwischenfall, Bekämpfung von SARS, Chinas erste bemannte Weltraummission, die Aufstände in Tibet und Xinjiang, die olympischen Spiele und die chinesischen Online-Firmen wie Weibo, Baidu, Alibaba und Tencent).
Mir hat der Vortrag gefallen, aber ich möchte hier keine Details wiederholen, denn ich will ja auch noch ein bisschen schlafen.

Dieser Tag und unsere Reise neigen sich dem Ende entgegen und ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei allen ‚Shanghaiern‘ für eure Liebenswürdigkeit und Zuverlässigkeit, für eure Hilfsbereitschaft und für eure Geduld und Gelassenheit zu bedanken. Ihr habt aus einer schon von Haus ungewöhnlichen Reise eine für mich unvergessliche gemacht.
Danke!

~Uschi Ehmcke-Tewis, Zeit-Reisende

Tag 52: 6.7.2019

Abschied von Shanghai

Heute heißt es Abschied nehmen von China mit beneidenswerten Autobahnen, Menschengewusel, abwechslungsreichem Essen mit Stäbchen, Reiseleitern und noch vielen Dingen mehr, die uns in den letzten Wochen so vertraut geworden sind. Allem voran das feste Zeitgerüst, in das man als Reisegruppe eingebunden ist.

Doch der Reihe nach: Nach dem ausgiebigen Frühstück im Hotel – leider nicht wie am Vorabend mit dem herrlichen Ausblick im 45. Stock – ging die Stadtbesichtigung um 9 Uhr los und gab im Museum für Stadtplanung einen Überblick von oben auf das Modell der ‚Innenstadt‘ Shanghais. Als solches werden die innerhalb der ersten Ringstraße befindlichen Stadtteile bezeichnet, immerhin eine Fläche von 110 km2 von einer gesamten Stadtfläche von 660 km2. (Zum Vergleich: Hamburg hat laut Wikipedia eine Fläche von 755 km2 und knapp 1.9 Mio Einwohner) Wie viele Menschen hier von den über vierundzwanzig Millionen Shanghaiern wohnen? Die Antwort kann nur lauten „ganz viele“, auch wenn das gigantische Stadtmodell ziemlich große Flächen mit ‚lockerer‘ Bebauung aufweist.

Auf jeden Fall konnten alle Sehenswürdigkeiten genügend bestaunt werden einschließlich der 11 Brücken und 4 Tunnel, welche die beiden Teile Shanghais – Pudong im Osten und Puxi im Westen miteinander verbinden. Der Fluss Huangpu, der nur ca. 110 Kilometer lang ist und als Nebenfluss des Jangtse gilt, macht den besonderen Reiz Shanghais – auch als alte Hafenstadt – aus, wenn auch von Hafentradition mit Werften und Schiffsliegeplätzen nichts mehr zu sehen ist. Man merkt deutlich das Bestreben der Stadtverwaltung, in der Realität alles besonders herauszuputzen und möglichst spektakulär aussehen zu lassen. Das spürt man auch, wenn man sich die Ausbauplanungen anschaut.

Nach dem Stadtplanungsamt kam zumindest für die Gruppe ’Shanghai’ in einer Seidenfabrik ein völliges Kontrastprogramm ins Spiel, und viele aus der Gruppe hatten sich eigentlich gar nicht vorgenommen, mit neuer Bettwäsche nach Hause zu fliegen. Aber es reizte doch, den Worten und Taten der Mitarbeiter der Seidenfabrik zu folgen und von dem ’einmaligen’ Angebot Gebrauch zu machen. Und so kamen eine ganze Reihe gepresster Pakete mit Seidendecken mit auf die Heimreise, nachdem uns gezeigt worden war, wie aus Seidenkokons mit jeweils zwei (!) Seidenraupen (Produktionsgeheimnis!) ca. 2- Kilometerlange Fäden von 20 Mikrometer Stärke in 60 bis 120 Lagen Seidengeflecht entstanden, um daraus Bettdecken zu produzieren mit erstaunlichen Eigenschaften, eben alles aus edler Seide. Unser Reiseführer oder Chinatours waren gewiss nicht traurig über das Resultat einer Besichtigung von knapp einer Stunde.

Nun ging es aber noch einmal hinein ins Getümmel. Die ’Altstadt’ Shanghais – oder was die Stadtverwaltung uns dafür ausgibt – ist ein wahrer Rummelplatz, aber den Chinesen scheint’s zu gefallen. Man trifft sich im Yu Garden mit Kind und Kegel, um einfach dabei zu sein und bei der Gelegenheit ein wenig zu shoppen. Hier kommt aller Kitsch der asiatischen Welt zusammen … und man ist als Europäer froh, wenn man dem Lärm und Menschenauflauf entkommen kann.

Menschenauflauf? Am weltberühmten ‘Bund’ geht es weiter, aber weniger laut. Der spektakuläre Blick auf Pudong mit seinem Fernsehturm und dem alles überragenden Shanghai-Tower stellt alles in den Schatten was moderne Stadtansichten anbetrifft. Besonders der Kontrast zu den noch aus kolonialen Zeiten stammenden Gebäuden auf der Puxi-Seite macht den Spannungsbogen zwischen alter und neuer Architektur perfekt. Am besten besucht man den Bund sowohl am Tag als auch bei Nacht.

Nach einer Verschnaufpause ging es zum ’Abschiedsessen’ in einem modernen Restaurant, in dem uns die hervorragende Küche der Provinz Yunnan zelebriert wurde … alles unheimlich lecker und was die Würzungen anbetrifft … so gerade an der Grenze für europäischen Geschmack. Auch in Shanghai probiert man ständig neue Konzepte für Restaurants und Geschmäcker aus im Gegensatz zum ‘sonstigen’ China, wo auf überwiegend runden Tischen mit den typischen gläsernen Drehplatten traditionelle regionale Speisen aufgetischt werden.

Nach vielen Worten des Lobes und Beifall für die Leistungen unserer chinesischen Reiseführer, die uns von der Grenze bei Kashgar bis nach Shanghai begleitet haben, erfolgte ein herzlicher Abschied unter den Reiseteilnehmern; denn nun war die Reise endgültig vorbei und die letzte Etappe – individuelle Heimreise mit dem Flieger oder der Transsibirischen Eisenbahn stand bevor. Von den beiden Heimreisenden, die den Bus bevorzugen, hatten wir uns schon am Vorabend verabschiedet.

Ein paar Reisende hatten aber heute noch nicht genug von Shanghai. Deshalb ging es noch einmal zum Bund, um das Lichtermeer der Leuchtreklamen auf Hochhäusern, Schiffen und den Kolonialbauten am Bund zu sehen; denn … ohne Shanghai bei Nacht zu bewundern, kann man ja nicht nach Hause zurückkehren. Für diejenigen, die am Folgetag zurückfliegen, wurde die Nacht ohnehin kurz.

Alles in allem war es eine ganz tolle Reiseerfahrung, über 14.000 Kilometer durch so viele Länder mit so vielen Kulturen und Kontrollen und das ohne wirklich nennenswerte gesundheitliche Probleme … das soll uns erstmal einer nachmachen.

Ein ganz besonderer Dank gilt dem Team im Hintergrund sowie den jeweiligen Reiseleitern für die wirklich kompetente Begleitung. Na ja, und ohne unsere Fahrer wären wir gewiss schon sehr früh steckengeblieben. Sie haben wirklich Außergewöhnliches vollbracht, uns heil bis nach Shanghai zu transportieren, und wir wünschen ihnen, dass sie auch den Rückweg nach Hamburg ebenso grandios schaffen.

ZEIT REISEN, ChinaTours und das Busunternehmen Peschke aus Wittenbergerpassau – selbst als Schleswig-Holsteiner hätte ich nie geahnt, dass es einen Ort bei Plön mit diesem Namen gibt – haben uns allen einmalige Erlebnisse beschert, die wir so schnell nicht vergessen werden.

~Georg Jürgensen, ZEIT-Reisender

Alexander Sambuk

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Alexander Sambuk ist russischer Journalist, Redakteur, Publizist und Fernsehmoderator. Der gebürtige Weißrusse schreibt auch für die ZEIT und spricht ausgezeichnet Deutsch. Er begleitet die Tour von Berlin bis Orjol (Russland).

»Reisen bedeutet für mich eine Auseinandersetzung mit Grenzen, sowie mit realen als auch eingebildeten, sei es zwischen Ländern, Kulturen oder Menschen, um am Ende immer wieder zu erfahren, wie begrenzt meine Welt doch war... vor dem Antritt der letzten Reise.«

WIR STELLEN VOR

Ihre Reisebegleitung

Auf der Kultuexpedition begleiten Sie fachkundige Reiseleiter und ZEIT-Köpfe, die Ihnen Wissenwertes über die Destinationen berichten und neue Perspektiven eröffnen.

Rainer Schelp

Rainer Schelp

Rainer Schelp hat Sinologie, Ethnologie und Vorgeschichte in Deutschland und China studiert. Er begleitet unsere ZEIT-Reisenden auf der gesamten Reise und hat im letzten Jahr bereits mit seinem Wissen und seinem Witz begeistert.

»Seit meinem 17. Lebensjahr, damals noch »per Daumen«, treibt mich die Neugier um die Welt – und die spielt sich für mich östlich Deutschlands ab. China ist längst meine zweite Heimat und das ist sicher nicht nur akademisch begründet. Kaum ein Land hat so mit Klischees und Vorurteilen zu kämpfen – und beinahe nirgendwo sind diese vergleichbar falsch.«

Wolfgang Pohl

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Wolfgang Pohl hat Geografie, Botanik, Kartografie sowie Ur- und Frühgeschichte in Bochum studiert. Seit über 30 Jahren bereist er mit Gruppen alle fünf Kontinente. Er begleitet unsere ZEIT-Reisenden auf der gesamten Reise von Hamburg nach Shanghai.

»Der Weg ist das Ziel. Reisen heißt für mich sich mit allen Sinnen dem Neuen zu öffnen.«

Johannes Voswinkel

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»Reisen bedeutet für mich mehr zu erfahren über die Welt – und mich selbst. Die Neugier nicht zu verlieren, manch Fremdes anzunehmen und manch Bekanntes mehr zu schätzen.«
Johannes Voswinkel

An der Universität hat er zwei Studienfächer belegt, die ihn automatisch in fremde Länder zogen – Romanistik und Slawistik. Und auch in den Semesterferien zog es ihn als Barmann in die Bretagne oder als Reiseleiter nach Leningrad. Nach dem Examen und der Ausbildung an der Hamburger Henri-Nannen-Journalistenschule ging er 1998 als Korrespondent des STERNs nach Moskau. Von 2002 bis 2015 berichtete er für die ZEIT aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Seit Anfang 2016 leitet er die Niederlassung der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau.

Felix Lee

Felix Lee kennt China seit seiner frühen Kindheit. Geboren in Deutschland hat er mit drei Jahren das erste Mal seine Verwandten in der Volksrepublik besucht. Damals war das Land noch arm, die Menschen hatten kaum genug zu essen und viele standen noch unter dem Eindruck der kulturrevolutionären Wirren, die für viel Leid gesorgt haben.

Seitdem hat er China fast jedes Jahr besucht, zwischendurch auch immer wieder für einige Jahre dort gelebt. Mittlerweile ist er China-Korrespondent der taz und schreibt aus Peking regelmäßig für ZEIT ONLINE und eine Reihe anderer deutschsprachiger Medien.

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