DuMont Reiseliteratur

Große Geschichten für Entdecker

Erleben Sie auf unserer unvergleichbaren ZEIT-Reise durch den Iran die Geschichte Persiens auf unvergessliche Art und Weise. Freuen Sie sich auf zauberhafte Gärten, Paläste und Moscheen – Der Iran wird Sie faszinieren! Für außergewöhnliche Reisen wie die unseren, bedarf es jedoch auch einer außergewöhnlichen Reiseliteratur: Deshalb präsentieren wir Ihnen heute aus dem DuMont Reiseverlag den inspirierenden Reiseroman von Lois Pryce »Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren«. Tauchen Sie ein und erleben Sie mit diesem spannenden literarischen Werk ein unvergessliches Leseabenteuer.

Mit einer mutigen Frau allein auf dem Motorrad durch den Iran reisen. Spannende Reiseerzählungen sind eine Einladung an ihre Leser, selbst zum Entdecker zu werden, ohne die Koffer oder den Rucksack packen zu müssen. In den literarischen Reiseberichten aus dem DuMont Reiseverlag erzählen hochkarätige Journalisten, renommierte Schriftsteller und wagemutige Reisende aus aller Welt von ihren Erlebnissen und Begegnungen unterwegs. Überraschend, emotional, echt und mitreißend, mal herrlich verrückt, mal berührend aktuell, eröffnet jedes Abenteuer eine eigene Welt.

Einleitung

Von großer Leichtigkeit & gnadenlos zuversichtlich

Als die Britin Lois Pryce eines Tages in London nach einem Vortrag zu ihrem Motorrad zurückkehrt, traut sie ihren Augen nicht: Auf dem Tank findet sie einen handschriftlichen Zettel: eine persönliche Einladung in den Iran, geschrieben von einem Fremden namens Habib. Kein Wunder, dass die Neugierde der weitgereisten Abenteurerin sofort geweckt ist. Obwohl Frauen im Iran offiziell gar kein Motorrad fahren dürfen und ihr Faible für Gin Tonic im Gottesstaat zum Problem werden könnte, bricht sie auf zu einer Reise, die ihren Blick auf das Land und seine Menschen für immer verändert. »Von großer Leichtigkeit und gnadenlos zuversichtlich«, so feierte die New York Times das erste Buch von Lois Pryce fürs deutschsprachige Publikum. Ein Buch, das seine Leser in den wahren Iran eintauchen lässt und zu eigenen wagemutigen Reisen inspiriert.

 

Autorin Lois Pryce

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Lois Pryce Jahrgang 1979, reist für ihr Leben gern, je abenteuerlicher desto besser. 2003 kündigte sie ihre Stelle bei einem bekannten britischen Radiosender und brach auf zu ihrer ersten großen Reise: 20.000 Kilometer mit dem Motorrad von Alaska über Feuerland bis nach Argentinien. Seitdem bereist sie die Welt. Ihr Markenzeichen: das Schaffell auf dem Sattel ihres Motorrads. Sie schreibt regelmäßig für den Telegraph, die New York Times, den Guardien u.a. und kuratiert das Adventure Travel Film Festival. Lois Pryce lebt mit ihrem Mann in London auf einem alten holländischen Frachtkahn. Der Telegraph ernannte Sie jüngst zu einer der zehn großen weiblichen Entdeckungsreisenden unserer Zeit.

Eine Leseprobe

»Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren«

Geh und weck dein Glück

Je weiter ich mich von zu Hause entfernte, desto unruhiger wurde ich. Die langen Tage im Sattel beim Überqueren des einsamen türkischen Pontus-Gebirges gaben mir die Gelegenheit, in Gedanken alle möglichen dramatischen Szenen durchzuspielen, wie ich an der Grenze abgewiesen und wegen Spionage ins Gefängnis geworfen wurde, aus meiner Zelle ausbrach und in einer Nacht- und Nebelaktion per Anhalter in einem Lkw voller Schnaps auf irgendeiner obskuren Schmugglerroute über die Berge entkam.

Meine Ankunft in der funktionalen, leicht trostlosen türkischen Hauptstadt Ankara machte meinen fieberhaften Vorstellungen ein Ende und gab mir eine angenehme, wenn auch weniger theatralische Antwort auf mein Problem: den Transasia-Express, der einmal pro Woche zwischen Ankara und Teheran verkehrte. Der erste Halt auf iranischer Seite war Täbriz, die nordwestliche Grenzstadt, die ich zu meiner ersten Station auserkoren hatte. Für den Preis von ein paar Kebabs konnte ich mich mitsamt Motorrad in den Zug setzen, den Rest des Landes durchqueren und tausend Kilometer weiter direkt hinter der iranischen Grenze aussteigen. Dort angekommen, konnte ich hoffentlich mein Bike aus dem Frachtwagen holen und einfach losfahren. Es gab Zeiten, da wäre mein jüngeres, puristisch denkendes Ich dagegen gewesen, meine Motorradreise auf diese Art zu unterbrechen, aber was soll’s! Das Austricksen der iranischen Behörden war meine oberste Priorität, und außerdem freute ich mich als heimlicher Eisenbahnfan total darauf, in einem Zug mit einem so romantischen Namen zu fahren.

Zur Belustigung der morgendlichen Pendler schob ich mein Bike durch den wuseligen Bahnhof von Ankara bis auf Gleis 2, wo es von einer Gruppe missmutiger türkischer Bahnhofsarbeiter in speckigen Hemden in den Frachtwaggon gehievt wurde. Als die Pfeife des Aufsehers schrillte, stiegen alle in den Zug, und da saß ich nun, allein in meinem Vier-Personen-Schlafwagenabteil. Nachdem wir stundenlang durch die Vorstädte Ankaras gerumpelt waren, spielte ich mit dem Gedanken, die türkische Eisenbahn freundlich darauf hinzuweisen, dass nicht nur der Name ‚Transasia’, sondern auch der Begriff ‚Express’ eine Spur übertrieben waren. Nicht dass es mich gestört hätte. Ich hatte ein gemütliches Abteil für mich allein, und als es dunkel wurde und der Regen gegen die Scheibe trommelte, wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Meine Einsamkeit sollte nicht von Dauer sein. An der nächsten Station klopfte der Schaffner an meine Tür und teilte mir mit, dass ich ein paar Reisegefährten bekäme. »Bayan?«, fragte ich. Es war das Wort, das auf den Toilettentüren unter dem Frauenpiktogramm stand. Im Gang hatten mich ein paar Typen mit etwas zu viel Interesse und einem süffisanten ‚Salaam’ angesprochen, und ich konnte nur hoffen, dass ich die nächsten beiden Nächte nicht in ähnlicher Gesellschaft würde verbringen müssen. Der Schaffner nickte und sagte in holprigem Englisch: »Ja, bayan, eine Frau und ihr –« Er stockte und suchte nach dem richtigen Wort. »Küken.«
Ich stellte mir eine junge Frau mit Baby vor, also staunte ich nicht schlecht, als eine ältere iranische Dame in der Tür stand und das ‚Küken’ sich als ihr Sohn mittleren Alters entpuppte.

Meine neuen Reisegefährten begrüßten mich wie eine lang verschollene Freundin, und nachdem sie ihre Betten hergerichtet hatten, wurde unverzüglich ein Geschirrtuch auf dem Tisch ausgebreitet und bergeweise Tupperdosen aufgebaut. Aus diesen Dosen kam eine Unmenge Brot, Käse, Tomaten, Trauben und ein selbstgemachter Aufstrich aus Eiern, Kartoffeln, Mayonnaise und Dill.
»Bitte, essen Sie mit uns«, sagten sie mit strahlendem Lächeln. Ich versuchte mir eine ähnliche Szenerie im Pendlerzug nach Doncaster vorzustellen, aber es wollte mir nicht gelingen. Ich hatte diffuse Kindheitserinnerungen aus den 70er-Jahren, wo auf Zugreisen wildfremde Menschen ihr Essen miteinander teilten, aber die Chance, dass heutzutage meine Landsleute in einem öffentlichen Verkehrsmittel einem ausländischen Mitreisenden etwas von ihrer Mahlzeit abgaben, war traurigerweise gleich null. Ich fragte mich, ob dieses verbissene Festhalten an Privatsphäre und Eigentum symptomatisch war für ein kleines, überbevölkertes Land; ob es ein unbewusstes Bedürfnis war, sich an irgendetwas, egal an was, so derart zu klammern.

Dem ersten Gang folgte ein Kuchen aus Datteln und Nüssen, dazu gab es Tee, der mit Wasser aus einem kleinen elektrischen Reisekocher aufgebrüht wurde. Meine neuen Mitreisenden stammten aus der iranischen Stadt Isfahan und das Küken, wie ich ihn jetzt in Gedanken nannte, sprach im Gegensatz zu seiner Mutter etwas Englisch, aber mithilfe meines Persisch-Wörterbuchs wurstelten wir uns irgendwie durch, was die beiden sehr belustigte. Unterdessen kam immer wieder neues Essen auf den Tisch, und irgendwann hatte ich die Gelegenheit, den signifikanten Satz auszusprechen, den ein iranischer Freund in London mir wohlweislich beigebracht hatte: ‚Sîr schodam, merci’ – ich bin satt, danke. Ich hatte das Gefühl, dieser Satz würde noch öfter zum Einsatz kommen. Nachdem der Tisch abgeräumt worden war, schloss die Mutter die Augen und legte die Hände zusammen.
»Jetzt bete ich.«

Sie begann einen hohen Klageton auszustoßen, der gefühlt ewig dauerte. Unbeholfen schweigend saß ich da, unsicher, wie ich reagieren sollte, und ich wünschte, wir könnten einfach nur über das Wetter reden oder uns Quizfragen stellen. Ich wusste nicht, wohin ich gucken sollte. Das Abteil fühlte sich plötzlich sehr eng und ein bisschen zu intim an. Ihr Sohn saß mit seliger Miene daneben, bis sie fertig war.
»Welche ist Ihre Religion?«, fragte die Mutter. Beide sahen mich an und warteten mit freundlichem neugierigem Blick auf meine Antwort. Ich ahnte, dass ein munteres Bekenntnis zum Atheismus möglicherweise ein Stimmungskiller sein könnte, aber ich hatte nichts anderes parat und murmelte etwas davon, dass ich ‚eigentlich nicht richtig religiös’ sei. Ich fragte mich, ob ich mir besser etwas hätte ausdenken sollten. Vielleicht war in dieser Situation irgendeine Religion besser als gar keine. Es entstand eine kurze Pause.
»Und Sie arbeiten in London?«
»Ja, ich bin, äh, Sekretärin, an einer Schule.« Diemal beschloss ich zu lügen. Es war eine unschuldige Lüge, aber immerhin stimmte sie mit den Angaben auf meinem Visaantrag überein, wo ich mich als bekennende Journalistin sofort ins Aus manövriert hätte. Schulsekretärin dagegen war ein respektabler und harmloser Beruf für eine Frau, sagte ich mir, und würde kaum bei den Behörden Verdacht erregen. Ich war paranoid genug, um das Gefühl zu haben, ich müsse an meiner Story festhalten, selbst gegenüber diesen beiden Verfolgten.
»Ah, das heißt, Sie werden bald wieder zu Ihrer Arbeit zurückkehren. Die Sommerferien sind vorbei, nicht wahr?«, fragte der Sohn. Erwischt! Umständlich redete ich mich heraus, ich hätte mich eigens für diese Reise beurlauben lassen.
»Sind Sie verheiratet?«

Die Fragen hagelten auf mich ein, aber zumindest auf diese konnte ich ehrlich die richtige Antwort geben. Die beiden wirkten zufrieden.
»Und haben Sie Kinder?«
Mitgefühl und Enttäuschung spiegelte sich in ihren Gesichtern, als ich wahrheitsgemäß antwortete.
»Aber wenn Sie wieder zu Hause sind, dann werden Sie Kinder bekommen?«, fragten sie hoffnungsvoll.
Ich hörte mich zustimmen, ja, sobald ich wieder auf britischem Boden sei, würde ich umgehend mit der Fortpflanzung beginnen. Ich hatte mir nun eine komplett falsche Identität zusammengesponnen, aber zumindest waren sie glücklich.
»Wir beten für Sie, dass Sie brave Kinder bekommen«, sagte der Sohn wieder mit strahlendem Lächeln.
»Danke«, sagte ich matt.

Und damit begann er, den Tupper-Berg rückzubauen, während ich es mir auf meiner Pritsche bequem machte, um zu lesen und möglichst wie eine grüblerische Schulsekretärin zu wirken. Das Küken verließ das Abteil, um Teller und Besteck abzuwaschen und kehrte bald darauf aufgeregt zurück.
»Hier im Zug sind noch mehr unserer Leute!«, rief er. »Viele Bahai, sie kommen alle vom Verwandtenbesuch aus der Türkei.«

Er war überglücklich, unter seinesgleichen zu sein und hatte offenbar unser Abteil zur Parteizentrale ernennt. Denn für den Rest des Abends schneiten ständig neue Genossen herein, Männer, Frauen, alt und jung, alle kamen auf einen Snack und ein bisschen Geplauder vorbei, und um die Frau aus England mit dem Motorrad kennenzulernen. Sie fragten mich aus, luden mich zu sich nach Hause ein, kicherten und erzählten sich Witze, die mir teilweise übersetzt wurden und größtenteils auf Kosten der iranischen Mullahs gingen. Hin und wieder schaute ein jugendlicher iranischer Computerfreak vorbei, der wie Ali G aussah, aber viel besser als die anderen Englisch sprach und deswegen dazu verdonnert wurde, die langatmigen religiösen Redebeiträge über Sonne und Mond als Spiegelbild Gottes zu übersetzen, und er tat es mit einer Engelsgeduld.
Trotz unserer Unterschiede fühlte ich mich wirklich wohl in der Gesellschaft dieser Leute. Sie strahlten eine Wärme und Güte aus, wie ich sie unter wildfremden Menschen selten erlebt habe. Ich fühlte mich sicher und willkommen bei ihnen, auch wenn ich mich fragte, ob es damit zu tun hatte, dass sie Bahai waren. Würde ich mit allen Iranern so etwas erleben? Bald würde ich es wissen; in 24 Stunden würden wir auf den iranischen Zug wechseln und in die Islamische Republik einreisen.

Am Vansee, in der bergigen Wildnis Ostanatoliens, wurde der Gepäckwagen vom Zug abgekoppelt und mitsamt einem Gleisabschnitt auf eine Fähre geladen, und ich und ein paar hundert Mitpassagiere gingen an Bord der Fähre, um die fünfstündige Fahrt über den See anzutreten. An der Ostküste würde der Gepäckwagen von der Fähre geladen und an einen iranischen Zug angehängt werden, in dem wir unsere Reise fortsetzen sollten. Es schien eine ziemlich umständliche Art, um auf die andere Seeseite zu gelangen. Warum baute man nicht einfach eine Trasse um den See herum? Ja, die Gegend war schroff und felsig, aber die Strecke war erst 1970 gebaut worden, und zwar mit britischen und amerikanischen Geldern, also hätte man doch Knowhow und Finanzen gehabt, ein paar Kilometer Bahntrasse durch unwegsames Gelände zu legen. Es leuchtete mir einfach nicht ein, aber wenn ich die Leute nach dem Grund fragte, waren alle ratlos. Sie zuckten einfach nur lachend mit den Schultern. Nicht zum ersten Mal angesichts ausländischer Unlogik fragte ich mich, ob meine Effizienzbesessenheit etwas typisch Nordeuropäisches war. Ich beschloss, dass ich alles ein bisschen entspannter sehen musste – wenn die Leute unbedingt tonnenweise Zeit und Mühe verschwenden wollten, um Züge auf Schiffe zu laden, meinetwegen! Zumindest sorgte es für Abwechslung, und ich würde mit weiteren iranischen Mitreisenden ins Gespräch kommen, von denen nicht wenige ihren Spaß daran hatten, sich an Deck an einem riesigen Fahnenmast hochzuhangeln und sich beim Herumklettern auf den klapprigen Schiffsleitern zu fotografieren. Jauchzend und lachend hingen sie an der Mastspitze, offenbar völlig unbesorgt um ihre Sicherheit; es war berauschend, ihnen zuzusehen und wirklich erfrischend, dass niemand versuchte, ihnen den Spaß zu verderben. Ich stand an Deck, allein in der Dämmerung, und freute mich über die allgemeine Ausgelassenheit. Ich fühlte mich heimisch; ich und meine Freunde hätten dasselbe getan. Aber ich war ganz schön überrascht. Lachen und Späßemachen passten nicht in mein Bild des Iran; ich hatte viel mehr Ernsthaftigkeit erwartet. Schon jetzt begannen sich meine Vorurteile in rasendem Tempo zu zerstreuen. Unter Deck stank es widerlich nach Diesel und Chemieklo, und in meiner Kabine waren die Möbel abgenutzt und die Polster schäbig, ein krasser Kontrast zur Sauberkeit und Ordnung des türkischen Zuges. Vermutlich gehörte das Schiff der iranischen Seite des Transasia-Express, denn alle Hinweisschilder waren auf Persisch, mit Ausnahme von ein paar englischen Übersetzungs-Fehlversuchen. Ich fand meine Abteilgenossen wieder und versuchte sie an der Snackbar zum Abendessen mit Tee einzuladen, aber sie wehrten sich mit Händen und Füßen und bestanden erneut darauf, Geschirrtücher und Tupperdosen für ein weiteres Festmahl auszulegen.
»Sie müssen mit uns essen«, sagte der Sohn mit seinem freundlichen Lächeln. »Sie sind doch jetzt wie eine Schwester«.

Auf der Ostseite des Sees war der iranische Zug nirgends zu sehen, aber niemand beschwerte sich. Es schien den Leuten kaum eine Bemerkung wert. Also quetschten wir uns allesamt in ein Wartezimmer, in dem nur ein paar Plastikstühle standen, und taten das, was man eben so tut in einem Wartezimmer.

Irgendwann begann ein iranischer Bahnhofsangestellter, leger gekleidet im Hemd mit offenem Kragen, uns zu einer Art Schlange zu formen, um uns unsere Abteile und Sitzplätze zuzuweisen. Neben mir in der Menge, die man nur mit viel Fantasie als Schlange hätte bezeichnen könnte, stand eine ältere Iranerin in schwarzem Tschador, der nur das Oval ihres Gesichts frei ließ, ein runzliges und von vielen Jahrzehnten nahöstlicher Sonne gegerbtes Gesicht. Sie starrte mich unentwegt mit ausdrucksvoller Miene an, wobei ich meine Schwierigkeiten hatte zu verstehen, was genau sie zum Ausdruck bringen wollte. Viele der anderen Frauen waren westlich gekleidet und einige trugen das Haar offen, da wir offiziell noch auf türkischem Gebiet waren, aber die Kleidung dieser Frau deutete auf strenggläubige Muslimin hin und alles an Wertvorstellungen, die damit zusammenhingen. Die Frau machte mich nervös, ich hatte das Gefühl, es sei ein kritischer Blick. Das war der Iran, den ich befürchtet hatte, eine Nation von missbilligenden muslimischen Hardlinern, die sich darüber ärgerten, dass ich die Frechheit besaß, als Ungläubige hier aufzutauchen und mal eben eine Spritztour durch ihr Land zu machen. Unruhig wechselte ich von einem Bein aufs andere; ich wollte meinen Platz in der ‚Schlange’ nicht aufgeben, fürchtete aber, dass sich hier gerade irgendwas zusammenbraute.
Mit ausgestrecktem knorrigem Zeigefinger kam sie auf mich zu. »Sie haben Motor, ja?«
Ich muss verwirrt ausgesehen haben, denn sie wiederholte den Satz, aber diesmal illustrierte sie ihn mit der universellen Geste des Drehens am Gasgriff und stieß dazu sogar Motorengeräusche aus.
»Brumm, brumm! Sie haben Motor, ja? Sie?«
Leugnen wäre sinnlos gewesen. Fast alle im Raum hatten mitbekommen, wie mein Bike in Ankara in den Zug geladen wurde, und wer das Spektakel verpasst hatte, war längst über den Transasia-Flurfunk darüber informiert worden. Eine einsame britische Bikerin im Iran kennt keine Anonymität. Auf einmal bekam ich Angst, dass sie eine Spionin des iranischen Außenministeriums war. Hatte sie Wind davon bekommen, dass ich ein Motorrad ins Land schmuggeln wollte? Vielleicht hatte sich meine Visafrau zu Hause geirrt und ich stand auf irgendeiner schwarzen Liste. Ich riss mich zusammen und beichtete.
»Äh, ja, das bin ich. Ich habe Motor, ja.«

Ich rechnete mit einem stählernen Griff an meinem Handgelenk, doch stattdessen packte sie mit ihren beiden fleischigen Händen mein Gesicht. Dann pflanzte sie mir einen begeisterten Kuss auf die Wange und ein strahlendes Lächeln zog sich über ihr ernstes Gesicht.
»Sehr gut! Sehr gut!«, donnerte sie in ohrenbetäubender Lautstärke und drückte mich in die voluminösen Falten ihres Tschadors.
Jetzt begann sie auf und abzuspringen, sie klopfte mir auf den Rücken, drückte mir wieder die Wangen und jauchzte. »Sehr gut! Sehr gut! Brumm brumm!«

Ihre Motorradpantomine wurde immer lebhafter, bis sie wie ein durchgedrehter Rennfahrer den Körper von einer Seite zur anderen warf, und ihre Hüften schwangen unter dem gebauschten schwarzen Stoff. Aufgeregt sprach sie auf Persisch mit ihrer Begleiterin, die für sie übersetzte.
»Sie sagt, sie wünscht Ihnen Gottes Segen für Ihre Reise.«
Wieder nahm die alte Dame mein Gesicht in ihre Hände und starrte mir so gefühlvoll in die Augen, dass ich fast weggucken musste. Sie sagte irgendetwas, was ich nicht verstand, und dann lächelte sie und wiederholte den Satz, während sie mein Gesicht noch fester packte.
Ich sah ihre Begleiterin an, damit sie mir übersetzt. Sie nickte und lächelte ebenfalls.
»Das ist eine Redewendung, die wir hier im Iran haben«, sagte sie. »Es bedeutet ›Geh und weck dein Glück‹.«

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Titelbild Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren

 

Lois Pryce
Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren …
DuMont Reiseverlag, 2018
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Iran – Poesie des alten Persiens

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In Shiraz erkunden Sie die Mausoleen der Dichter Saadi und Hafis, letzterer inspirierte durch seine Werke Goethe zum »West-östlichen Divan«. Auf der Weiterfahrt nach Yazd besichtigen Sie außerdem Wohnpaläste, Gräber sowie das faszinierende Mausoleum »Gonbad-e Ali« mit seinen neun Meter hohen Mauern. Freuen Sie sich auf die Nasir-al-Molk-Moschee, welche von außen ein eher dezent gestaltetes Bauwerk ist, im Inneren jedoch ihre atemberaubende Schönheit offenbart. Die bunten Glasfenster der Moschee schaffen einen einzigartigen, faszinierenden Zauber.
In Naqsch-e Rostam bestaunen Sie die achämenidischen Felsengräber sowie weitere architektonische Höchstleistungen, wie beispielsweise die Palastanlage der einstigen Hauptstadt Persepolis, die von Darius gebaut und von Xerxes vollendet wurde. Hohe, mächtige Säulen prägen das Gelände, beeindruckende Reliefs von Stieren, Löwen und Königen schmücken die Anlage. Eine monumentale Treppe führt zum Apadana, dem Audienzgebäude für den Empfang der 28 Völkerfürsten, die in eindrucksvollen Steinreliefs einzeln dargestellt sind.
Besuchen Sie zudem die grandiose Freitagsmoschee: Schon das mit Fliesen und Mosaiken verzierte Eingangsportal ist ein Meisterwerk der Baukunst. Beim Bummel durch die Altstadt werden Sie von einem lokalen Architekten begleitet. Beeindrucken werden Sie vor allem die Bestattungstürme, welche besser bekannt sind als »Türme des Schweigens«.

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Orientalische Gärten und beeindruckende Natur

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Orientalische Architektur

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