Von der Magie des Weges: Eine Passage voll purem Genuss

Eine Fahrt über den Atlantik erschafft unvergessliche Momente und ist die Erfüllung eines Reisetraums

Von Bernd Loppow

Schon der Beginn der Reise steckt voller magischer Momente: Im letzten Licht eines herrlichen Sommertages schiebt sich die »Queen Mary 2« nach dem Ablegen aus dem Hamburger Hafen langsam elbabwärts, das Wort »majestätisch« sei hier ausnahmsweise erlaubt. Wir stehen auf Deck 8 am Heck, die Arme auf die Reling gelehnt und den Blick auf den im Abendlicht immer kleiner werdenden Hafen gerichtet. Am Hotel Louis C. Jacob ertönt plötzlich ein Salutschuss, eine Band schrammelt »God Save the Queen«. Ja, wir sind gemeint: Auf Wiedersehen, Hamburg, New York, wir kommen! Bis dahin sind es 3314 Seemeilen, 6137 Kilometer und zehn Tage.

Um es gleich mal vorweg zu sagen: Die Transatlantik-Passage mit der »Queen Mary 2« ist eine Reise voller beeindruckender neuer Erfahrungen, die uns alle bereichert hat: unsere Leser ebenso wie die ZEIT-Kollegen an Bord und auch mich, der seit mehr als 30 Jahren für die ZEIT die Welt bereist. Es ist wohl diese Mischung aus traditionellem Ocean Liner, schwimmendem Ballsaal und Gourmetrestaurant, der Weite des Atlantiks als unserem Gastgeber und als Hort der Entschleunigung, die uns alle schnell verzaubert hat. Und, last, but not least, die Begegnungen mit der ZEIT und ihren Lesern – einer wahrhaft inspirierenden Gemeinschaft interessanter Menschen. In einer Zeit bald schallschneller Flugzeuge, in der dem Reisen praktisch der Weg abhandengekommen ist, begeben wir uns auf eine Reise, die fast ausschließlich aus Weg besteht. Der Weg ist das Ziel – selten hat dieses Klischee so gestimmt wie auf dieser Überfahrt! Auf diese Route, die in früheren Zeiten Millionen von Auswanderern, Geschäftsleute und Reisende höherer Stände in die Neue Welt oder zurück unternommen haben, möchten wir auch Sie im Sommer 2022 mitnehmen.

Auch 2022 erwartet Sie wieder ein ZEIT-Expertenteam an Bord: Heinrich Wefing, der Politikchef der ZEIT und früherer Amerikakorrespondent der FAZ und seine KollegInnen nehmen im täglichen ZEIT-Bordprogramm in Vorträgen, in Gesprächen miteinander und in Diskussionen mit den ZEIT-Reisenden aktuelle Themen über die Entwicklung in den USA und der Neuordnung der Transatlantischen Beziehungen auf.

Erster Abend im Britannia Restaurant, das sich über zwei Ebenen erstreckt, die eine breite, geschwungene Freitreppe verbindet. An den Tischen haben bis zu acht ZEIT-Reisende Platz genommen, wer lieber unter sich bleiben möchte, speist an einem Zweiertisch. Fein eingedeckt, mit weißem Tischtuch und poliertem Tafelsilber, gediegen, edel, »very British« eben. Heute lautet das Motto »Informal«. Nur an drei Abenden sind Smoking oder dunkler Anzug und Krawatte für die Herren, Cocktailkleid oder Abendrobe für die Damen zum Abendessen verbindlich. Das Menü jedenfalls ist schon heute exzellent und wird es auch alle kommenden Abende bleiben. So wie die anregenden Tischgespräche, die sich zwischen den ZEIT-Reisenden vom ersten Abend an ergeben. Wer informell dinieren möchte: Im Buffetrestaurant Kings Court kann zu allen Tageszeiten ohne Schlips und Abendkleid gespeist werden – bei einer großen Auswahl internationaler Speisen, Obst, Salaten und kostenlosen Erfrischungsgetränken. Und zum Frühstück gibt es hier natürlich auch ein original »English breakfast«, mit Spiegeleiern, Speck und »baked beans«.

Der Zauber der »Queen« hat schnell jeden erfasst

Der erste Seetag auf der Nordsee lädt zum Erkunden der »Queen« ein. Viele der Mitreisenden aus aller Welt kommen aus den USA, Kanada und Großbritannien, mehr als 30 Nationalitäten sind unter den Gästen an Bord vertreten. Nur gut jeder Fünfte stammt aus Deutschland. Auf den 13 Decks gibt es für jeden Passagier eine Menge Spannendes zu entdecken. Und jeder findet irgendwann unweigerlich seinen Lieblingsplatz. Davon gibt es viele: zum Beispiel frühmorgens mit einem Pott Kaffee oder Tee im Deckchair auf Deck 7. Dann, wenn der Tag erwacht, die Morgensonne glitzernd über dem Wasser steht, das Meer rauscht und der Blick weit über den Ozean geht.

Nach dem Zwischenstopp in Southampton, dem Heimathafen der Cunard Queens, ist es am dritten Reisetag plötzlich da: dieses Gefühl der Freiheit und der Unendlichkeit. Wenn kein Landgang für Ablenkung sorgt, hat auch die Seele abgelegt und sich das Gefühl der Entschleunigung eingestellt, der Besinnung auf sich selbst und der Rückgewinnung der Hoheit über die eigene Zeit. Sechs volle Seetage auf dem Atlantik liegen vor uns. Apropos Zeit: Ein besonders angenehmer Nebeneffekt entsteht, wenn man von Deutschland nach Amerika über den Atlantik fährt. Sechsmal wird die Uhr nachts um eine Stunde zurückgestellt. Die Folge: Man kommt ohne jeden Jetlag in New York an.

Jeder findet schnell seinen Lieblingsplatz

Jogger, Walker und Spaziergänger brauchen auch an Bord nicht auf Bewegung zu verzichten: Ab acht Uhr früh ist das Promenadendeck für die Frühsportler geöffnet, gegen halb elf, nach dem Frühstück, beginnt die Zeit der Spaziergänger. Je nach Wind und Wetter leicht bekleidet oder in Windbreaker, Fleecepullis oder Anoraks gehüllt, lassen sie die Gedanken kreisen oder sind in Gespräche vertieft. Einmal, viermal, zehnmal umrunden sie das Schiff, vom Bug zum Heck und auf der anderen Seite wieder zurück, jede Runde misst gut einen halben Kilometer.

Sobald die Sonne auftaucht, treibt es fast jeden nach draußen, auf den drei Ebenen am Heck und seitlings des Schiffs stehen genügend Liegestühle bereit. Die einen lesen ein Buch, andere unterhalten sich mit ihrem Nachbarn oder lassen nur den Blick schweifen auf den Ozean, auf die breite Spur aus weißer Gischt, die die »Queen« bis zum Horizont hinterlässt. Auch in den Outdoor-Pools auf den Oberdecks ist meistens ein Plätzchen im warmen Wasser frei – mit Blick über den Atlantik. Auch im Innern der »Queen« lässt sich bestens flanieren. Hier gibt es genauso viele Lieblingsplätze zu entdecken wie an der frischen Luft: etwa auf Deck 8 am Bug des Schiffes in der Bibliothek mit den großen Panoramafenstern. Hier herrscht kontemplative Stille, die sich auf die schweren Ledersessel, die bequemen Stühle, auf die weichen Fauteuils und über die Gänge mit den stimmungsvoll beleuchteten Bücherregalen legt. Ein besonderer Ort ist auch das Planetarium, mit spannenden Vorträgen und cineastischen Leckerbissen aus der Filmgeschichte. Wer sich für die glorreiche Vergangenheit der Ocean Liner interessiert, wird immer wieder zur Fotogalerie auf Deck 2 zurückkehren. Hier dokumentieren großformatige Schwarz-Weiß-Bilder von Politik- und Filmlegenden wie Winston Churchill oder Cary Grant, Burt Lancaster oder Lauren Hutton Eleganz und Stil vergangener Epochen.

Jeden Tag ein Date mit dem ZEIT-Kollegium

Zurück in die Zeiten des Empires können die Passagiere jeden Nachmittag reisen, wenn im Queens Room zur Tea Time geladen wird. In den bequemen Fauteuils des größten Ballsaals auf See servieren livrierte Kellner Sandwiches und Scones, Erdbeertörtchen mit Vanillecreme und Tee aus silbernen Kannen zu den Weisen eines Streichquartetts oder einer Harfespielerin. »Very British« und keinesfalls zu versäumen! Jeden Abend verwandelt sich der elegante Teeraum dann in einen Ballsaal, wenn hier das Queens Room Orchestra aufspielt – mit Standards und lateinamerikanischer Tanzmusik. Im Herzen der »Queen Mary 2« liegt das Royal Court Theatre. Hier erleben die Gäste nicht nur das Showprogramm internationaler Künstler, hier geht es tagsüber für die ZEIT-Reisenden auch um anregende Konversation. Die ZEIT-Begleiter berichten aus der ZEIT-Geschichte, über die aktuelle Situation unserer Zeitung und deren Zukunft in der sich wandelnden Medienwelt.

Sundowner zur blauen Stunde an der Terrace Bar auf Deck 8

Jeden Tag gibt es eine ZEIT-Veranstaltung – auch als Begegnungspunkt für die ZEIT-Reisenden. Denn die Teilnehmer suchen besonders den Kontakt untereinander und mit den Vertretern der ZEIT. Den gibt es zuhauf, vielerorts und gern auch informell. Man trifft sich und seine neuen Bekannten nicht nur beim Dinner: etwa zum Plaudern beim Cappuccino im Café Sir Samuel‘s, beim Sundowner zur blauen Stunde an der Terrace Bar auf Deck 8 oder auf einen Apéro im Golden Lion Pub vor dem Britannia Restaurant. Oder man lässt mit der ZEIT-Crew beim »nightcap« an der Bar des Commodore Clubs beim Gin Tonic den Tag Revue passieren. Unaufhaltsam steuert die »Queen Mary 2« ihrem Ziel, der Südspitze Manhattans, entgegen. Selbst mitten auf dem Atlantik sorgen, falls nötig, vier Stabilisatoren am Rumpf des Schiffes für ruhige Fahrt. Unausweichlich hat der Zauber der »Queen« schon nach wenigen Tagen jeden Passagier erfasst. Gelassenheit, Entspannung und Erholung sind bei den Mitreisenden fast zu greifen.

Trotz der geschenkten Stunden vergehen die letzten Tage wie im Fluge. Und dann ist es so weit: Frühmorgens am zehnten Tag unserer Passage schimmern die Lichter New Yorks am Horizont. Die »Queen Mary 2« schlüpft zwischen den gewaltigen Pylonen der Verrazano Bridge hindurch, und das überwältigende Panorama der Upper Bay wird mit einem Blitzlichtgewitter aus unzähligen Smartphones willkommen geheißen. Sie sind auf die im Morgenlicht immer imposanter werdende Skyline Manhattans gerichtet, das 541 Meter hohe One World Trade Center überragt die spektakuläre Wolkenkratzerkulisse.
Ein langer Weg liegt hinter uns. Aber eines haben wir auf dem Atlantik schnell begriffen: Das eigentliche Ziel unserer Reise hatten wir schon erreicht, als wir in Hamburg an Bord gegangen sind. Guten Morgen, New York, auf Wiedersehen, »Queen Mary 2«!

Bernd Loppow hat zwölf Jahre lang als ZEIT-Redakteur für die Ressorts Reisen und Wirtschaft geschrieben. Im Jahr 2000 gründete er für den Zeitverlag ZEIT REISEN, deren Programm er bis heute leitet.